Interview

i5invest-CEO Herwig Springer: „Der ICO könnte eine Alternative zu einem kleinen IPO werden“

Herwig Springer, Managing Director i5invest. © Tamás Künsztler
Herwig Springer, Managing Director i5invest. © Tamás Künsztler
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Zwar trägt sie noch das Wörtchen „invest“ im Namen, doch ihr Hauptgeschäft liegt längst anderswo: Die von Markus Wagner gegründete Firma i5invest macht zwar noch Investments, aber die meisten ihrer Kunden sind eigentlich keine Startups mehr. Vielmehr fokussiert das Team rund um CEO Herwig Springer auf die „Post-Acceleration-Phase“ und hilft Digital-Firmen bei Sales, Business Development oder Internationalisierung. Oder sie wird beauftragt, Die Verhandlungen bei Übernahmen zu begleiten.

Dass eine der Institutionen der Wiener Startup-Szene sich im neuen Startup-Hub weXelerate angesiedelt hat, ist keine Überraschung. Immerhin ist der Gründer von i5invest, Markus Wagner, auch einer der Initiatoren von weXelerate. Während Wagner die meiste Zeit in den USA verbringt und die Schwesterfirma i5grow in Palo Alto im Silicon Valley leitet, hat in Wien Springer das Sagen. Er ist seit 2015 an Bord und als i5invest-CEO auf Unternehmensentwicklung und Akquisitionen spezialisiert.

Im Interview spricht Springer über die Strategie von i5invest, die Stärken und Schwächen Europas und seine Meinung über Blockchain und ICOs.

Trending Topics: Das Jahr ist fast um – was hat sich bei i5invest 2017 getan?

Herwig Springer: Wir haben unsere Büros in Amsterdam, München und Zürich eröffnet, unsere US Aktivitäten noch weiter ausgebaut, arbeiten mit Asiatischen Strategen zusammen und sind damit weit über Mitteleuropa hinaus expandiert. Wir haben das Team ausgebaut, seit Ende 2016 haben wir uns auf mehr als 20 Leute verdoppelt. Dadurch können wir viel mehr Projekte machen, derzeit arbeiten wir gleichzeitig an rund 20. Bei einem Viertel haben wir selbst investiert, der Rest ist im Business-Development-Bereich und M&A angesiedelt. Strategisches Business Development heißt für uns der Aufbau von Geschäftsbeziehungen mit den weltweiten Technologie-Playern Bei den meisten kümmern wir uns auch um Fundraising und M&A, also Unternehmensübernahmen/-Verkäufe.

Im letzten Jahr haben wir auch einige Deals begleitet, wie Smartbow im Agrikultur-Bereich, die Übernahme von Adverserve durch die Post, den Exit von KnowledgeFox an Bonnier, der Verkauf von Linforge an die S&T AG. Weitere Transaktionen sind unter Ausschluss der Öffentlichkeit passiert und bei einigen hoffen wir auf einen Abschluss vor Weihnachten.

Welche Strategie verfolgt i5invest?

Den Grundstein für das erfolgreiche Jahr 2017 haben wir eigentlich schon 2015 gelegt, weil solche Projekte ein bis drei Jahre laufen. Wir haben uns zwölf Bereiche erarbeitet, auf die wir fokussieren, das geht von AgTech über eCommerce bis hin zu Cyber Security. Diese Themen gehen wir pro Vertikal und sehr strukturiert europaweit und international an, bauen ein breites Industrie-Netzwerk mit den Branchengrößen und –experten auf, verstärken das Team mit Serien-Unternehmern aus diesem Bereichen und sind weltweit auf den wichtigsten Events präsent.

i5invest ist kein Fonds wie Speedinvest, keine Beteiligungsgesellschaft, kein Netzwerk aus Business Angels wie startup300 – wie kann man euch klassifizieren?

Unser Fokus hat sich geändert. Wir fokussieren auf die Post-Acceleration-Phase. Das durchschnittliche Unternehmen, das wir betreuen, hat 20 bis 50 Mitarbeiter, zwei bis fünf Millionen Euro Umsatz und ist kein klassisches Startup mehr. Da sind die Fragestellungen anders, es geht um HR, Internationalisierung, strategisches Business Development, Partnerschaften. In so einer Phase muss man jedes Jahr beweisen, dass man wächst. Das ist am Anfang leichter, weil die Ausgangsbasis geringer ist, aber wenn man schon zwei, drei Millionen Umsatz macht, dann ist eine Steigerung von Jahr zu Jahr eine Herausforderung.

Wir versuchen, unsere Portfolio-Firmen ganzheitlich zu betreuen. Immer dabei ist Sales und Business Development, manchmal helfen wir beim Fundraising, manchmal geht es um Investments von strategischen Partnern, und manchmal eben um den Exit.

Trotzdem macht i5invest weiterhin selbst Investments.

Ja, in ganz ausgewählten Fällen. Wir haben derzeit einen Fokus auf den Energiesektor. Deswegen haben wir etwa in Grid Singularity, die sich mit Blockchain in der Energiebranche (Trending Topics berichtete) beschäftigen, und in has.to.be (Lösung für Ladestationen, Anm., Trending Topics berichtete) investiert. Wir beschränken uns aber auf zwei bis drei Investments pro Jahr, Investments sind sicher nicht unser Hauptgeschäft.

Wenn wir aber sehen, dass wir in einem Bereich sehr viel beitragen können, dann sind wir dabei. So unterstützen wir auch WeAreDevelopers (Trending Topics berichtete) und weXelerate, weil sie für den Technologiestandort eine zentrale Rolle spielen. Niemand bekommt mehr Software-Developer im Inland – WeAreDevelopers bietet hier Lösungen an – und die österreichische Technologie-Szene wird international nicht wahrgenommen. weXelerate unterstützt hier als eine der Drehscheiben im In- und Ausland.

i5invest hat Standorte in Europa, aber auch einen im Silicon Valley. Welche Stärken hat Europa, das sich zwischen den USA und Asien sehr schwer tut?

Es gibt bestimmte Bereiche, in denen die USA stark sind und die Konkurrenz aus Asien auch immer besser wird. Alles, was Hardware angeht, vor allem im großvolumigen Consumer-Electronic-Bereich, ist sehr schwer. Im Automobilbereich würde ich die deutschen Autobauer, auch wenn viel geredet und gehypt wird, nicht abschreiben. Natürlich sind sie keine Datenfirmen, da haben andere Startvorteile. Selbes bei Industry 4.0.

Aber im Cyber-Security-Bereich gibt es viele tolle Opportunities. Das sind zwar keine riesigen Firmen, aber durchaus relevante Player. Getrieben wird das durch den oft sehr starken Datenschutz und die GDPR (General Data Protection Regulation, Anm.) der EU. Die Lösungen sind durch diese Vorgaben oft sehr gut. Aus der vermeintlichen Schwäche Europas ergibt sich eine Stärke. Wenn man in dem schwierigen Umfeld in Europa bestehen kann, dann kann man auch in den USA bestehen. Tolle  Firmen gibt es hier etwa in Tschechien, Großbritannien und den Niederlanden.

Es gibt sehr viel Know-how und sehr gute Technologie in Europa, es mangelt aber häufig an der internationalen Präsenz und Vernetzung. Genau hier setzt i5invest in Europa und i5growth in den USA an.

i5invest-CEO Herwig Springer. © Tamás Künsztler
i5invest-CEO Herwig Springer. © Tamás Künsztler

Mit Grid Singularity hat i5invest in ein Blockchain-Startup investiert. Wie sehen Sie Blockchain? Manche Investoren sind zurückhaltend, andere wie startup300 setzen sehr stark auf das Thema.

Blockchain ist eine horizontale Technologie, die für uns dann spannend wird, wenn es konkrete Anwendungsfälle in unseren Verticals gibt. Im Energiebereich glauben wir, dass diese Technologie eine wichtige Rolle bei dezentraler Energieerzeugung und -verbrauch spielen wird. Es wird sicher viel Blockchain-basierten Energiehandel geben.

Wie sehen Sie ICOs?

Mich interessiert daran, dass ein ICO ein großes Fundraising oder einen IPO ablösen kann. Wenn man fünf bis zehn Millionen aufstellen will und dazu eine breite Masse ansprechen muss, dann kann das schon interessant werden. Auch weil die Transaktionskosten viel geringer sind. Beim IPO zahlt man eine Investment-Bank und so weiter. Aber wenn der Bereich sinnvoll reguliert wird, dann könnte der ICO eine Alternative zu einem kleinen IPO werden.

Um noch ein Buzzword zu bemühen – AI steht auch auf der Einkaufsliste?

So wie bei Blockchain schauen wir uns AI auch nicht als horizontale Technologie an, sondern immer spezifisch für unsere Verticals. Sonst wird das unübersichtlich und wir haben den Anspruch absolute Experten in den Bereichen zu sein in denen wir tätig sind. Konkret wichtig ist Künstliche Intelligenz im Security-Bereich. Dort gibt es AI schon lange, eine Firewall verfügt mittlerweile im Grunde auch über einen lernenden Algorithmus. Mit noch mehr Daten kann man Gefahren früher erkennen, und das wird schon konkret angewandt, das Gleiche gilt für alle anderen Verticals in denen wir tätig sind.

Virtual Reality und Chatbots, können Sie diese Begriffe noch hören?

Virtual Reality ist im vierten oder fünften Hype Cycle. Im Gaming-Bereich und Entertainmentcontent liegt die Technologie auf der Hand, und mit Oculus gibt es eine richtige Plattform dafür. Auch im Bildungsbereich sehe ich Potenzial für VR, etwa dann, wenn man teure Ausbildungen nachstellen kann. Breiter ist sicherlich AR. Das ist aber technologisch komplexer und dauert deshalb etwas länger um massentauglich zu werden, aber es kommt 100-prozentig.

Das Thema Chatbots flaut wieder etwas ab, da waren unfassbar viele Spielereien dabei und vieles funktionierte nicht richtig. Ich glaube aber, dass es wieder kommt, vielleicht aber eher als virtuelle Assistenten mit Sprachsteuerung. In allen Bereichen gibt es sehr spannende Firmen in Europa, auch in Österreich.

Gerade Amazon und Google wollen die Sprachassistenten über Smart-Home-Geräte in die Haushalte bringen. Wird das ein wichtiger Trend?

In dem Bereich sprachgesteuerte Assistenz tut sich viel. Amazon Echo und Google Home sind noch nicht so richtig in der breiten Masse angekommen, aber das wird sich rasch ändern, und Apple und Samsung werden auch bald mitmischen. Wir im Startup-Bereich wissen schon, was das ist, aber für Menschen im Mainstream ist das noch ganz weit weg. Was viele abschreckt, ist, dass das Gerät zu Hause steht und jederzeit mithören kann.

Wir glauben auch sehr an „Voice-First“ Services, vor allem die entstehenden Ökosysteme rund um Amazon Alexa, Google Voice Assistant und Microsoft Cortana sowie bei Apple und Samsung sind sehr spannend.

i5invest ist frisch in den Startup-Hub weXelerate eingezogen. Begibt man sich da in eine Blase hinein, wenn man mit hunderten Gleichgesinnten im selben Gebäude sitzt?

Nein. Aus Überzeugung, dass das Ecosystem in Österreich so ein Leuchtturmprojekt mit vielen neuen Akteuren braucht, haben wir dieses Projekt sehr früh als Gründungsgesellschafter mitgestaltet. In Österreich denkt man oft zu klein. In allen Technologie-Zentren weltweit gibt es eine Unzahl vergleichbarer Projekte.

Es hat einen Riesenvorteil, weil alles in Gehweite ist. Die Nähe ist super, und das macht auch andere Ökosysteme aus. Aber keine Frage, man muss auch regelmäßig raus. Viele unserer Projekte sind sowieso im Ausland, da müssen wir sowieso agil bleiben. Es braucht also beides, keine Frage.

Wir bemühen uns, viele internationale Geschäftspartner nach Österreich zu bringen, da hilft so ein Cluster sehr, die Dynamik und das Potenzial darzustellen. Für viele Gründer ist es außerdem eine ideale Station, um beim Aufbau des Unternehmens Hilfe zu bekommen, und für Corporates die Adresse, um den eigenen digitalen Transformationsprozess voranzutreiben.

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