Ideologischer Streit bremst österreichischen Klimaschutz
Weltweit geht zu wenig beim Thema Klimaschutz weiter. Der UN-Weltklimarat hat kürzlich gewarnt, dass die Erderwärmung von 1,5 Grad Celsius mittlerweile kaum noch aufzuhalten ist (wir berichteten). Forschende am Institut für Höhere Studien (IHS) wollten in einer Studie herausfinden, wieso speziell in Österreich Maßnahmen zum Klimaschutz zu langsam voranschreiten. Dabei hat sich gezeigt, dass bremsende, treibende und auch „zweifelnde“ Kräfte in einem Konflikt miteinander sind, der echte Verbesserungen aufhält. In einer „Klimawandel-Landkarte“ für Österreich zeigt das IHS, wer in der Klimakrise welche Position einnimmt und wie viel Macht die Akteure dabei haben.
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ÖVP ist „zweifelnder“ und mächtiger Player
Für die Studie haben die Forschenden 89 Expert:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Behörden und NGOs befragt. Sie sollten beurteilten, welche Interessen und Möglichkeiten 43 Stakeholder, darunter Parteien, Institutionen, Vereine, Organisationen und Unternehmen, im Klimaschutz haben. Vor allem der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Umstieg auf erneuerbare Energien lagen dabei im Fokus. Dabei zeigte sich die EU als besonders engagierter und mächtiger Player für mehr Umweltschutz. Weniger positiv fällt dagegen das Fazit zur Kanzlerpartei ÖVP aus.
Die ÖVP sei zwar kein bremsender Faktor, jedoch sehr wohl ein „zweifelnder“ und gleichzeitig mächtiger Akteur. Der Wille zu mehr Klimaschutz sei „nicht so groß, wie man vermuten würde“, sagt Katharina Gangl vom IHS. Sowohl beim Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel wie auch bei erneuerbaren Energien stuft die Studie die ÖVP, das Bundeskanzleramt sowie das türkise Finanz- und Wirtschaftsministerium als relativ wenig engagiert ein.
Ölkonzerne und Wirtschaftskammer bremsen Klimaschutz
Bei der Analyse mussten die befragten Stakeholder die Positionen zu den Klimaschutzthemen mit einer Bewertung zwischen eins und fünf Punkten einschätzen. Das Interesse der Grünen bei der Öffi-Frage und bei den Erneuerbaren liegt bei 4,67 beziehungsweise 4,71 Punkten. Unter allen bewerteten Playern gilt die Regierungspartei damit als am engagiertesten. Bei der ÖVP liegt das Interesse dagegen nur bei jeweils 2,31 und 2,61 Punkten. Laut Gangl ist es nicht möglich, zu dem Punkt zu kommen, wo man echte Schritte machen könne, „solange nur ideologisch gestritten wird.“
Bremsende Akteure mit viel Macht sind unter anderem die Wirtschaftskammer, Ölkonzerne wie die OMV und Autohersteller. Neben den Expert:innen hat das IHS auch repräsentativ 1.000 Österreicher:innen befragt. Sie wurden gebeten, einzuschätzen, warum der Klimaschutz in Österreich nur so schleppend vorangeht. Am häufigsten nannten die Umfrageteilnehmer:innen den verkannte Ernst der Lage, gefolgt vom fehlenden politischen Willen. Aus Sicht der Bevölkerung mangelt es nicht am notwendigen Geld. Auch um ihre Arbeitsplätze fürchten sie nicht.
Kampf gegen „psychologische Barrieren“
Die Expert:innen sehen vor allem Interventionen von Lobbyisten als bremsenden Faktor für den Klimaschutz. Gangl kritisiert, dass die Klima-Debatte zu sehr auf ideologischen Grundwerten und gegenseitigen Schuldzuschiebungen basiert. Es gäbe zu wenig faktenbasierte Diskussion. „Es geht im Kampf gegen den Klimawandel um psychologische Barrieren. Gerade verhaltensökonomische Instrumente hätten großes Potenzial, hier etwas zu bewegen – derzeit fehlt dafür aber noch das Bewusstsein“, sagt die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin, die ebenfalls an der Studie beteiligt war.