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Ikea: Der schwedische Möbelgigant und der ewige Kampf mit der Lieferkette

Die die Ikea Supply Sustainability Manager von der IKEA Supply AG, Christina Niemelä Ström über die Nachhaltigkeit des Konzerns @Ikea/ Montage Trending Topics
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Der Möbelkonzern Ikea und die liebe Nachhaltigkeit – auch wenn einen die Thematik sowohl in der Außenkommunikation, als auch in den stationären Niederlassungen förmlich ins Gesicht springt, werden immer wieder Vorwürfe laut, in welchen gegenteiliges Handeln seitens Ikea oder mit ihnen verbundenen Lieferant:innen kritisiert wird. Die Eröffnung des neuen City Ikeas in der Wiener Innenstadt im August 2021 machte das wieder deutlich. Begleitet wurde diese von Protesten von Umweltschützer:innen verschiedener Vereinigungen. Diese forderten von dem Konzern, dass auf den Möbeln stehen solle, woher sie kommen, wie sie transportiert und verarbeitet wurden und wie nachhaltig sie sind. Und: Der Konzern und der CEO sollten für Umweltzerstörung und Wasserverschmutzung haften.

Kreislaufunternehmen bis 2030

Der Konzern gelobt indes Besserung. Bis 2030 will Ikea ein „Kreislaufunternehmen“ sein, sprich: es sollen nur noch erneuerbare oder recycelte Materialien verwendet werden. Laut dem Nachhaltigkeitsbericht zum Geschäftsjahr 2021 läge der aktuelle Anteil bei 73 Prozent. Als großes übergeordnetes Ziel, will Ikea bis 2030 „People & Planet Positive“ werden. Das bedeute etwa, die negativen Auswirkungen der eigenen Tätigkeit auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten, gleichzeitig aber auch weiter zu wachsen, so Ikea in einer Mitteilung dazu aus 2018.

Nicht nur klimaneutral, sondern klimapositiv ist das Ziel, bedeutet: Es sollen mehr Treibhausgasemissionen reduziert, als produziert werden. Dafür braucht es ein entsprechendes Tracking der bisher emittierten Emissionen. Dem ist sich der Konzern, den eigenen Angaben nach, bewusst: „Wenn wir heute unseren Klima-Fußabdruck messen,  inkludiert das die gesamte Wertschöpfungskette, von den Materialien bis hin zum Haus der Kund:innen, bis über das Ende einer Produktlebensdauer hinaus”, so die Ikea Supply Sustainability Manager von der IKEA Supply AG, Christina Niemelä Ström im Gespräch mit Tech & Nature. 

Die meisten CO2-Emissionen würden durch die Materialien und die Produktion verursacht werden, so Niemelä Ström. Ein kleiner Anteil des CO2-Fußabdruckes stamme zudem aus dem Transportsektor. “Wir müssen an all diesen Dingen arbeiten. Es reicht nicht aus, sich auf einen Bereich zu beschränken”, ist die Ikea Supply Sustainability Managerin überzeugt.  

So entschlossen sich Niemelä Ström in dem Gespräch auch zeigt, so ausbaufähig ist dann aber doch die Umsetzung. So zumindest das Ergebnis einer Analyse des NewClimate Institute in Zusammenarbeit mit Carbon Market Watch. Diese haben für den  Corporate Climate Responsibility Monitor  25 globale Konzerne auf die Transparenz und die Integrität ihrer Klimazusagen untersucht. Auch Ikea war mit dabei und erhielt dabei in puncto „Transparenz“ zwar die zweitbeste von insgesamt fünf Einstufungen, bei Integrität allerdings nur ein „Low“, die zweitschlechteste Bewertung.

Analyse: Viel heiße Luft hinter den Netto-Null-Zielen der 25 größten Unternehmen

Wahrung von nachhaltigen Standards

Laut eigenen Angaben im „Klimabericht zum Geschäftsjahr 2021“ hat Ikea seinen CO2-Fußabdruck im Vergleich zum Geschäftsjahr 2016 um 5,8 Prozent reduziert, während Rekordumsätze erreicht wurden. Diese führen diese Werte auf ein „energieeffizienteres IKEA Sortiment, mehr erneuerbare Energien in der Produktion und einen höheren Umsatzanteil von Lebensmitteln auf pflanzlicher Basis“ zurück.

Allerdings – nicht nur die Reduktion der Emissionen ist eine Hürde, mit welcher Ikea zu kämpfen hat. Immer wieder werden Vorwürfe laut, dass sich illegal geschlagenes Holz in Ikea-Möbeln befände. Zuletzt im Sommer 2021 von der Umweltschutzorganisation „Agent Green“, wir berichteten. Fälle, wie der Agent Green-Bericht thematisieren immer wieder das Fehlen der Wahrung von ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsstandards entlang der Lieferkette.

“Wir legen Wert auf eine verantwortungsvolle Beschaffung und wollen dabei auch immer weiter in der Wertschöpfungskette zurückgehen. Wir haben sehr klare und verbindliche Anforderungen”, so Christina Niemelä Ström im Gespräch.

Das hat allerdings in der Vergangenheit nicht immer geklappt. In punkto Holz spielt dabei das FSC-Gütesiegel eine große Rolle. So seien laut einer Mitteilung aus Mai 2021 zu dem Zeitpunkt 98 Prozent des verwendeten Holzes entweder FSC-zertifiziert oder recycelt. FSC steht für „Forest Stewardship Council“ und ist ein internationales Zertifizierungssystem, das bereits 1993 gegründet. Das damit älteste Siegel für nachhaltige Holznutzung baut auf der Grundlage von zehn weltweit gültigen Prinzipien von Zertifizierungsverfahren auf.

Ikea-Eröffnung in Wien: Proteste und Holzschlag-Vorwürfe begleiten den Start

“Wir wissen, woher das Holz in unseren Produkten kommt.” 

Trotzdem steht der FSC immer wieder unter Kritik. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat 2018 die Mitgliedschaft beim FSC aufgelöst, mit der Begründung, dass der FSC gezielte Entnahmen von Holz aus Urwäldern erlaube, statt einen konsequenten Schutz und der Verhinderung einer Abholzung. Zudem stellte eine Studie der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde im Auftrag des WWF fest, dass das FSC-Siegel in Nordwestrussland keine positiven ökologischen Effekte auf die Waldbewirtschaftung hatte. Trotzdem gilt das Ziegel im Moment noch international als das stärkste Gütesiegel im Holzhandel.

Die Zusammenarbeit mit Drittanbietern hält Niemelä Ström in der globalen Zusammenarbeit für unerlässlich. Zudem arbeite Ikea mit einem eigenen Code of Conduct, welcher verbindliche Anforderungen in puncto Umweltschutz, Tierschutz und soziale Bedingungen enthält, so Niemelä Ström. “Wir verlassen uns also nicht nur auf den FSC, sondern der FSC ist ein zusätzlicher Maßstab.” Zusätzlich zu den Anforderungen der von ihnen verwendeten Gütesiegel, wie dem FSC, würden sie ihren Lieferant:innen eigene zu erfüllende Anforderungen stellen, so die Schwedin. “Im Bereich Holz beispielsweise bitten wir alle unsere holzverarbeitenden Lieferant:innen, uns den Jahresplan für die Holzbeschaffung zu geben.” Anhand von diesen entscheide der Konzern über die Einkäufe. “Wir wissen, woher das Holz in unseren Produkten kommt.” 

Ikea`s Nachhaltigkeitsbericht 2020 – Brett vorm Kopf, aber das Brett ist zertifiziert

Lieferkette als Problem

In regelmäßigen Audits, angemeldet und nicht angemeldet, würden sie zudem vor Ort, die Arbeitsbedingungen bei all ihren Lieferant:innen überprüfen. Sollten Verstöße in diesen festgestellt werden, hätten die betroffenen Unternehmen die Möglichkeit, innerhalb einer zeitlich begrenzten Frist, diese auszubessern.  

Angesprochen auf Subunternehmer:innen gibt sie an, dass alle Lieferant:innen jährlich ihre Lieferketten offenlegen müssen, um etwaige kritische Punkte zu identifizieren. Laut dem aktuellem Standard, nehmen sie Kontakt zu ihren Lieferante:innen und kritischen Unterhändlern auf. Danach müssten die Händler:innen dem selber nachgehen, ob die Auflagen eingehalten werden oder eben nicht.

Den kompletten Überblick bedeutet das also nicht. Zukünftig will Ikea da aber selber mehr Einblick haben. So würden sie sich bei den meisten Materialien jetzt einarbeiten, so die Schwedin, um teils bis hinunter zur Rohmaterialebene die Einhaltung der Standards zu garantieren. Sie hätten gesehen, dass sie in dieser Richtung vorgehen müssen, gibt sie zu.

Erst kürzlich sprach sich Ikea gemeinsam mit mehr als 100 anderen europäischen Unternehmen für ein EU-Lieferkettengesetz aus. Nachdem die Europäische Kommission das Vorhaben 2021 einige Male verschoben hatte, soll das EU-Lieferkettengesetz während der Sitzung am 23. Februar besprochen werden. Vorgelegt wurde die Stellungnahme im Business and Human Rights Resource Centre. Die österreichische Initiative für ein Lieferkettengesetz, welche auch den Eingangs erwähnten Protest zur Eröffnung des City-Ikeas organisiert hat, sprach in einer Aussendung von einer Zustimmung die „für Verwunderung“ sorge.

So gehen diese davon aus, dass, wenn die unterstützten Forderungen  nach zivilrechtlichen Haftungsbestimmungen sowie Sorgfaltspflichten, die sich über die gesamte Lieferkette erstrecken, umgesetzt würden, diese Ikea selbst „große juristische Probleme“ bereiten könnten.

Auf Nachfrage von Tech & Nature, äußert sich die Sprecherin der Bürgerinitiative, Veronika Borhn Mena eher kritisch zu einer möglichen Einflussnahme durch die Unternehmen  auf die Ausformulierung des Gesetzes : „Es besteht generell die Sorge, dass diese 100  Unternehmen pro aktiv Einfluss nehmen wollen.“ Speziell bei Ikea bemängelt sie zudem die bisherige Transparenz in Bezug auf die Lieferkette: „Bisher macht Ikea weniger als andere Weltkonzerne, wie Apple und Adidas, deren Lieferkette transparenter ist.“ Eine solche transparente Lieferkette fehle bei Ikea und sei eine deutliche Schwäche, bemängelt Borhn Mena. 

 

Auch in Österreich gefordert: Lieferkettengesetz in Deutschland ist fix

Konsumrausch als Konzept

Doch auch die Zustimmung zu einem europäischen Lieferkettengesetz ändert nichts daran, dass allein das Verkaufskonzept von Ikea einem nachhaltigen und bewussten Konsum widerspricht. Darauf angesprochen gibt die Schwedin an, dass auch diesbezüglich Maßnahmen getroffen werden sollen. Das allerdings nicht zwangsläufig in Form von weniger Konsum, sondern eher darum, nachhaltiger zu produzieren. 

“Ikea muss auf eine gute Art und Weise produzieren. Wir sind nicht dafür da, den Menschen, die schon alles haben, noch mehr zu verkaufen. Wir sind da, um den Menschen Dinge geben zu können, die sich bisher nicht leisten konnten. Das macht es auch zu einer kontinuierlichen Aufgabe, auch einige dringend notwendige Entscheidungen zu treffen, wie z.B., dass wir Einwegplastik aus dem Verkehr ziehen werden. Zudem müssen wir  sicherstellen, dass wir auf zu 100 Prozent erneuerbare oder recycelte Materialien umsteigen, sodass der Kauf von diesen Dingen eine verantwortungsvolle und ethische Entscheidung ist.”

 

Florian Thalheimer im IKEA Vösendorf ©IKEA/Johannes Brunnbauer
Florian Thalheimer im IKEA Vösendorf ©IKEA/Johannes Brunnbauer

Daneben gibt Florian Thalheimer, Country Sustainability Manager von Ikea Österreich im Gespräch an, dass der Konzern auch auf Produkte verzichten würde: „Die Einwegbatterien waren oft ein Spontankauf von vielen Kund:innen, während des Wartens in der Kassenschlange, ein Verkaufsschlager sozusagen. Trotzdem gehen wir jetzt dazu über, nur noch wiederaufladbare Batterien anzubieten. Durch Aktionen wie diese nehmen wir einige kurzfristige Verluste in Kauf. Aber ich denke es ist der richtige Weg. Von diesen Schritten werden noch viele weitere kommen.“ Zudem würden global auch verschiedene andere Möglichkeiten ausprobiert, wie Sharing oder Leasingmodelle – wo die Menschen die Produkte nicht kaufen, sondern nur leihen.´

Ikea will ab Oktober 2021 keine Einwegbatterien mehr anbieten

Ikea sieht sich in globaler Verantwortung

Grundsätzlich hat Ikea laut der Supply Sustainability Managerin und auch dem Country Sustainability Manager allerdings auch über den eigenen Unternehmenszweck hinaus eine weitreichende Verantwortung zu einer nachhaltigeren Lebensweise: “Wir als großes Unternehmen haben eine Verpflichtung und eine Chance. Wir wollen ein Teil davon sein und darüber sprechen”, so Niemelä Ström. 

Als Beispiel nennt sie den Aufbau eines Recyclingkreislaufes und dem Stärken des Bewusstseins dafür, gerade in Teilen der Welt, in welchen diese Gedanken bisher nicht relevant waren. Recycling müsse für die Kund:innen so einfach wie möglich gemacht werden, auch in Beachtung der verschiedenen globalen Ausgangslagen. “Ich denke, wir haben auch die Verantwortung, eine führende Rolle bei dieser globalen Transformation zu spielen“, so die Schwedin. Das sieht auch Thalheimer so: „In der Vergangenheit wurden wir als Händler von Fast-Furniture angesehen. Aber jetzt nehmen wir eine starke Haltung dagegen ein. Wir laden die Menschen ein, über Second Life nachzudenken.“

Das ist tatsächlich, sowohl in der Außenkommunikation, als auch in den Filialen selbst, stetig zu bemerken. Bleibt abzuwarten, ob das kommende EU-Lieferkettengesetz dann wiederum Ikea dazu einlädt, weiter über die eigene Lieferkette verstärkt nachzudenken und entsprechend zu handeln. Allein die anderen zu mehr Nachhaltigkeit zu motivieren, reicht dafür nämlich nicht. 

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