Rumänische Urwälder

Ikea-Eröffnung in Wien: Proteste und Holzschlag-Vorwürfe begleiten den Start

Sitzender Protest bei Ikea-Eröffnung. © Tech & Nature
Sitzender Protest bei Ikea-Eröffnung. © Tech & Nature
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Heute ist es soweit, ein neuer Ikea eröffnet in Wien. Dieser soll ganz besonders sein. Dieser Ikea ist – für das schwedische Möbelhaus ungewöhnlich – im dicht verbauten Stadtgebiet positioniert, kommt ohne eigene Kundengarage aus und die Fassade ist ein Wald. Insgesamt 160 Bäume hat das Unternehmen den eigenen Angaben nach in speziellen Trögen an allen Seiten der Fassade des Gebäudes befestigt. Diese sollen Heimat für Vogelnester und Bienenstöcke sein. Damit ist das Gebäude für den Konzern ein ganz neuer Ansatz. Nicht neu sind allerdings die Vorwürfe einiger Umweltschutzorganisationen, welche anlässlich der Eröffnung wieder laut werden. Der  Vorwurf: In Millionen Ikea-Möbel würde Holz aus illegal gerodeten Urwäldern in Rumänien stecken.

Bei der Eröffnung des City-Ikea beim Wiener Westbahnhof haben etwa 50 Demonstrant:innen rund um die Bürgerinitiative Lieferkettengesetz (begleitet von einem etwa ebenso großen Polizeiaufgebot) mit Transparenten und sitzend vor dem neuen Standort protestiert. „Wir sind hier, weil wir aufzeigen wollen, was tatsächlich hinter der grünen Fassade von Ikea steht. Konzerne müssen Verantwortung übernehmen, wie Produkte produziert werden“, so die Sprecherin der Bürgerinitiative Lieferkettengesetz, Veronika Bohrn Mena, bei der angekündigten Demonstration. Die Demonstrant:innen berufen sich auf einen Report der rumänischen Umweltschutzorganisation Agent Green.

Gefordert wird von Ikea, dass auf den Möbeln stehen solle, woher sie kommen, wie sie transportiert und verarbeitet wurden und wie nachhaltig sie sind. Und: Der Konzern und der CEO sollten für Umweltzerstörung und Wasserverschmutzung haften. Gemäß dem Namen der Bürgerinitiative wird viel Potenzial im Lieferkettengesetz gesehen, mit dem die Probleme in den Griff zu bekommen seien. In Deutschland gibt es ein solches Gesetz bereits, in Österreich noch nicht.

Die Vorwürfe gegen Ikea

Ikea besitzt Wald und das jede Menge. Der Konzern ist der größte Waldbesitzer in Rumänien. In diesen verstoße der Konzern bei der Bewirtschaftung gegen Forst- und Umweltgesetze, lautet der Vorwurf der rumänischen Umweltschutzorganisation Agent Green. Diese haben die Waldgebiete von Ikea den eigenen Aussagen nach ein Jahr beobachtet und sehen das Verhalten des Unternehmens in diesen in Kontrast stehend zu denen in der Öffentlichkeit kommunizierten nachhaltigen Bemühungen. Die Organisationen Bürgerinitiative für ein Lieferkettengesetz, Agent Green, Extinction Rebellion und Fridays for Future protestieren daher zeitgleich zu der Eröffnung der Wiener Westbahnhof Ikea-Filiale gegen den Konzern.

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Ein Jahr Observierung in den Urwäldern

„Ein Jahr lang hat Agent Green die Waldgebiete Ikeas beobacht. Dabei haben sie dokumentiert wie Bäume geschlagen werden, welche unter Schutz stehen“, so die Sprecherin der Bürgerinitiative Lieferkettengesetz, Veronika Bohrn Mena gegenüber Tech & Nature. Laut dem Bericht, der Tech & Nature vorliegt, soll das auch Bäume betreffen, welche sich in oder in der Nähe von Natura-2000-Gebieten befinden. Mit den Natura 2000-Schutzgebieten soll der Erhalt von natürlichen Lebensräumen in Europa gesichert werden.

Dafür hat die Europäische Union eine Vogelschutzrichtlinie sowie die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie herausgegeben. Die nationale Umsetzung und Überwachung obliegt allerdings den jeweiligen EU-Staaten selbst. Bereits in der Vergangenheit kritisierten Umweltschützer:innen, dass die rumänischen Behörden nicht gegen illegale Rodungen vorgehen würden. Anfang 2020 leitete die Europäische Kommission daher bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien ein.

In ihrem Bericht gibt die Umweltschutzorganisation Agent Green an, den Waldbewirtschaftungsplan von Ikea im Natura 2000-Gebiet Penteleu analysiert zu haben. In diesem soll angegeben sein, dass ein „Großteil der Waldparzellen mit alten Wäldern, die zwischen 120 und 180 Jahre alt sind, vorrangig als ‚dringliche Angelegenheit‘ abgeholzt werden sollen.“ Laut Agent Green sollen diese Abholzungen dem Waldbewirtschaftungsplan zufolge mit einer „Verjüngungsdringlichkeit“, begründet werden. Die Umweltschutzorganisation fordert Ikea zu einem Stopp der Abholzungen in den Schutzgebieten und der Wahrung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung auf.

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Ikea: „Akzeptieren unter keinen Umständen illegal geschlagenes Holz“

Auf Anfrage von Tech & Nature wollte Ikea sich aktuell nicht zu den genannten Vorwürfen oder dem Bericht im Detail äußern. In einer schriftlichen Reaktion verwies man aber auf die Wertschätzung für die Ressource Holz: „Wir bei Ikea lieben Holz und wir lieben Wälder – Holz ist ein wunderschönes, erneuerbares und recycelbares Material und rund 60 Prozent unseres Umsatzes entfallen auf holzbasierte Produkte. Genau deshalb akzeptiert Ikea unter keinen Umständen illegal geschlagenes Holz. Wir arbeiten aktiv daran, dass solches Holz auf keinen Fall in unseren Produkten verwendet wird. Es liegt in unserer Verantwortung als Unternehmen, die Legalität des gesamten Holzes, das in unsere Lieferketten gelangt, sicherzustellen. Wenn wir Unregelmäßigkeiten feststellen, ergreifen wir sofortige Maßnahmen.“

Außerdem verweist der Unternehmenssprecher von Ikea Österreich Uwe Blümel darauf, dass das Unternehmen bereits einen Vorschlag für ein Gesprächstermin an die Initiatorin des aktuellen Protestes, Veronika Bohrn Mena von der Bürgerinitiative für ein Lieferkettengesetz, gesandt hat. 

Forderung nach Lieferkettengesetz

Das bestätigt Bohrn Mena gegenüber Tech & Nature. Der Termin sei für Anfang September geplant. Diese sieht aber das eigentliche Problem nicht nur bei Ikea. „Ikea ist nur eines der Beispiele dafür, dass es ein Lieferkettengesetz braucht.“ Die Initiative will sich für die Verabschiedung eines solchen sowohl in Österreich, als auch auf europäischer Ebene einsetzen und startet für die dafür benötigte Öffentlichkeitsarbeit aktuell ein Crowdfunding. Für ein österreichweites Lieferkettengesetz hat Bohrn Mena den eigenen Aussagen nach bereits mit allen grünen Politiker:innen gesprochen und von diesen die Unterstützung zugesprochen bekommen. Nun stehen Gespräche mit der ÖVP an.

Auch Politiker melden sich nun in der Sache zu Wort. Thomas Waitz, EU-Abgeordneter und Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei erklärt in einem Statement: „Ich war vor einiger Zeit selbst in Rumänien, um mir ein Bild der Lage zu machen. Es ist erschreckend, dass IKEA der größte private Waldeigentümer in Rumänien mit ca. 50.000 Hektar ist und die damit verbundene ökologische Verantwortung nicht wahrnimmt. Nach außen gibt sich das Unternehmen als modern und verantwortungsvoll, die zerstörerische Waldwirtschaft und die Missachtung der Europäischen Wald- und Biodiversitätsstrategien sind aber der lebende Beweis für Marketing der Green-Washing-Klasse.“

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Diese könnten auch Auswirkungen auf europäischer Ebene haben. So fordert die Initiative auch die Durchsetzung eines europäischen Lieferkettengesetz. Das ist bereits in der Ausarbeitung, ein Gesetzesvorschlag erwart die Initiatorin für November 2021. Ob dieser dann auch angenommen wird, wird sich zeigen. Bohrn Mena „sieht die Probleme bei der ÖVP“ und befürchtet, dass „Österreich sich dadurch auf europäischer Ebene querstellen könnte.“ Aber selbst wenn der Gesetzesvorschlag angenommen wird, braucht es voraussichtlich Jahre, bis dieser dann alle parlamentarischen Prozesse durchlaufen hat. So lange können die Urwälder in Rumänien allerdings nicht warten. Somit bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse das Gespräch zwischen der Bürgerinitiative für ein Lieferkettengesetz und Ikea Österreich bringt. 

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