Impact-Hub-Chef Matthias Reisinger: „Im Coworking Space sitzen ist lustig, aber man muss raus“
Unten eine große Fläche mit Veranstaltungsraum, Bibliothek und kleinen Glaskobeln für Meetings. Zwei Stöcke darüber ein offener Space, in dem sich Mitglieder stunden- oder tageweise einquartieren. Und schließlich das neue Stockwerk, in dem sich kleine Firmen eingemietet haben und eine Gemeinschaftsküche teilen.
Der Wiener Impact Hub kann Mitgliedern seit kurzem ganze 1.800 Quadratmeter Coworking Space mit allen Anehmlichkeiten bieten, die man sich als angehender Social Entrepreneur so vorstellt. Damit ist die Einrichtung, die 2010 startete, zu einer Institution der Wiener Startup-Szene gewachsen, an der man heute in der Szene kaum vorbeikommt. Nach dem Aus des sektor5 ist zuletzt das Team von AustrianStartups in den Impact Hub in der Lindengasse gezogen.
Mit Geschäftsführer Matthias Reisinger, der den Impact Hub mitgründete, hat Trending Topics über die Partnerschaften mit Corporates, über die Gefahr einer Blasenbildung und den neuen Wettbewerb in der Stadt gesprochen.
Trending Topics: Der Coworking Space wurde ausgebaut, es gibt neue Programme mit großen Partnern am laufenden Band. Warum boomt der Impact Hub derzeit so?
Matthias Reisinger: Ja, wir spüren jetzt Ende des Jahres noch einmal einen zusätzlichen Aufschwung. Ich glaube, das ist das Resultat von einem langen, gesunden organischen Wachstum, der jetzt Früchte trägt. Wir haben 2010 aufgesperrt, damals haben nur ganz wenige über Unternehmertum und Startups gesprochen. Wir haben mit 400 Quadratmetern begonnen, dann auf 1.200 ausgebaut und jetzt noch einmal 400 Quadratmeter dazu entwickelt. Mit dem neuen Stock bieten wir jetzt ganzen Teams die Möglichkeit, sich einzumieten. Da gibt es jetzt Firmen mit bis zu elf Mitarbeitern.
Ihr seid trotz des Booms selektiv, wer sich im Impact Hub ansiedeln kann. Was sind die Auswahlkriterien?
Impact ist für uns das große Überthema. Für uns ist wichtig, dass das Team in einem herausfordernden Gebiet eine Veränderung herbeiführen will. Vor einigen Wochen wurden bei „Österreich kann“ in ORF zehn Projekte vorgestellt, und sechs davon waren Impact Hub Mitglieder. Da waren etwa Helioz, Velobike oder Refugees:Code dabei. Das sind alles Paradebeispiele für uns. In unseren 12 Inkubations-Programmen im Jahr 2016 haben wir insgesamt 96 Startups unterstützt, und dieses Jahr sind es noch einmal mehr geworden.
Welche Programme laufen derzeit?
Gemeinsam mit der Uniqa suchen wir derzeit Startups, die sich dem Thema des sicheren, besseren und längeren Lebens widmen (Trending Topics berichtete), mit Deloitte arbeiten wir mit Startups, die Flüchtlingen bei der Integration in den Arbeitsmarkt helfen wollen (Trending Topics berichtete), oder beim Programm “innovate4nature” geht es gemeinsam mit WWF, dem Landwirtschaftsministerium und Spar um Startups, die zur Biodiversität beitragen. Da gibt es immer strenge Kriterien mit einer Jury, die den Impact bewerten.
Wie wichtig sind diese Programme mit Corporates für den Umsatz? Oder macht die Vermietung noch den Hauptumsatz?
Die meiste Energie fließt mittlerweile in die Programme, die wir gemeinsam mit Partnern machen. Natürlich ist aber auch der Anteil, den wir mit der Community machen, sehr groß. Wir haben über 500 Mitglieder, und ganz viele davon nutzen regelmäßig die Räumlichkeiten.
Der Wiener Impact Hub ist in ein internationales Netzwerk eingebettet. Kommen viele Mitglieder aus dem Ausland her zum arbeiten, und nutzen viele österreichische Mitglieder die Hubs im Ausland?
Ganz viele unserer Projekte wachsen über dieses Netzwerk ins Ausland hinaus. Dort finden sie schnelleren Zugang zu Märkten, Communities, lokalen Experten oder Investoren. Es gibt mittlerweile mehr als 100 Impact Hubs, und das Headquarter ist seit 2011 in Wien. Zu uns kommen weniger, als jene, die nach außen gehen. Da haben wir in Österreich noch Aufholbedarf, wenn es darum geht, noch mehr Startups ins Land zu bringen.
Wie funktioniert das Netzwerk, das Wien als Zentrale hat?
Das Netzwerk gehört sich selbst, ohne großen Investor drinnen, der nur darauf schaut, wie er Geld daraus abschöpfen kann. Wir profitieren stark davon: Die Programme, die hier entwickelt wurden, werden mittlerweile in ganz vielen anderen Ländern eingesetzt. Der “Social Impact Award” etwa wurde 2009 gemeinsam mit der WU Wien gegründet, und heuer hat er in 18 Ländern stattgefunden. Oder umgekehrt gibt es Programme, die anderswo entwickelt wurden und bei uns eingesetzt werden. Da gibt es viel Wissenstransfer zwischen den Eigentümern der einzelnen Hubs.
Am Markt für Coworking Spaces tut sich viel. Der sektor5 musste zusperren, weXelerate und factory300 haben dieses Jahr aufgesperrt. Wie lautet Ihre Marktanalyse?
Da tut sich einiges. Der Markt wird sich auch weiter konsolidieren. Langfristig werden nur die Anbieter florieren, die wirklich einen Wert schaffen und das mit einem nachhaltigen Modell abbilden können. wir freuen uns über jeden zusätzlichen Player in dem Ökosystem. weXelerate steht noch ganz am Anfang, die müssen ihre Schäfchen noch ins Trockene bringen. Ob deren Programme wirkungsvoll sind, wird sich zeigen. Es wird sehr viel Geld investiert, und es gibt hoch gesteckte Ziele. Es wäre gut fürs österreichische Ökosystem, wenn es funktioniert.
Und das Aus für den sektor5?
Ich finde das sehr schade, weil das Team immer mit vollem Herz dabei war. Denen ging es nicht darum, einen Hype abzugreifen. Aber im frühphasigen Bereich ist es einfach schwer, sich nachhaltig aufzustellen.
Der Impact Hub profitiert ein wenig vom Ende vom sektor5. AustrianStartups war vorher dort und ist jetzt einer eurer neuen Mieter.
Das ehrt uns sehr, dass das größte österreichische Netzwerk für österreichische Startups zu uns gekommen ist. Grundsätzlich muss sich jeder Gründer selbst überlegen, wo es für ihn am sinnvollsten ist zu sitzen. Hier bei uns sitzt man neben Gründern wie Ali Mahlodji. Mal schauen, wie sich der Markt entwickeln wird.
International macht WeWork mit riesigen Investmentsummen (mehr dazu hier) und einem großen Netzwerk an Coworking Spaces von sich Reden. Wie geht man mit solchen großen Rivalen um, die auch nach Wien kommen könnten?
Es gibt viele Städte, wo WeWork und Impact Hub gut nebeneinander auskommen, weil jeder spezielle Zielgruppen anspricht. Es gibt sicher Leute, die sich von fancy Namen und großem Marketing beeindrucken lassen. Am Ende des Tages gibt es viele, die etwas Authentisches wollen, wo die lokale Community zusammen kommt. Ich glaube, derzeit tun sich viele internationale Player schwer, den österreichischen Markt einzuschätzen, weil sich gerade so viel tut. Uns gibt es seit sieben Jahren, wir haben viele kommen und gehen sehen. Aber jeder zusätzliche Player mit einer positiven Intention bereichert den Markt.
WeWork hat wie McDonald´s ein Design, das sich global durchzieht. Wie geht man beim Impact Hub mit diesem Thema um?
Jeder Impact Hub schaut anders aus und bietet eine andere Art der Unterstützung. Der Hub ist in San Francisco anders als in Tokio oder in Südafrika. Die Unterstützung richtet sich immer nach dem lokalen Bedarf, es gibt nicht dieses “One fits all”, mit dem über alle drüber gefahren wird.
AustrianStartups zieht in den Impact Hub. Noch sind deren Szene und jene der Social Entrepreneurs noch nicht wirklich vernetzt. Soll sich das so ändern?
Basierend auf den Gesprächen mit Markus Raunig (AustrianStartups-Geschäftsführer, Anm.) gehe ich davon aus, dass sie den Kreis, den sie adressieren, ausweiten wollen. Wir werden schauen, dass wir in Kooperation mit AustrianStartups das Impact-Thema noch stärker forcieren.
Welche Akzente wird der Impact Hub 2018 selbst setzen?
Wir sehen, dass immer mehr Unternehmen zu uns kommen und meinen, dass es keine Innovatoren unter ihren Mitarbeitern gibt und das ändern möchten. Wir meinen, dass es die schon gibt, nur verstecken sie sich. Wir machen mit Corporates mehr Formate, wo Mitarbeiter ihr unternehmerisches Potenzial mehr einbringen können. Gerade junge Mitarbeiter wollen an etwas arbeiten, woran sie glauben, und nicht nur ein kleines Rädchen im großen System sein. Auch der Vorstand will, dass die Jungen kreativ bleiben und das kreative Potenzial nicht verkümmert. Die Formate gehen von Hackathons über Learning Journeys bis hin zu Startup-Programmen. Das wird nächstes Jahr sicher ein zentrales Thema. Bisher gab es auf Corporate-Seite schon einige Bestrebungen, aber das war immer eher Innovations-Theater. Der Benchmark für ein Unternehmen aber sollte sein: Was kommt wirklich unterm Strich nach der Intervention und dem Investment heraus. Einfach nur lustig irgendwas mit Startups machen wird wieder aus der Mode kommen.
Ist Österreich noch zu konservativ in dem Bereich?
Dieses “geht nicht, gibt´s nicht” wollen wir nicht akzeptieren. Österreich ist sehr wohl ein innovationsfreudiges Land, und es geht darum, die Rahmenbedingungen und die Umfelder noch besser zu machen, damit großartige Unternehmen entstehen können.
Was sind die größten Erfolge des Impact Hub?
Ali Mahlodji hat hier die Idee zu whatchado das erste Mal öffentlich präsentiert, und die ist zu einem großen Unternehmen gewachsen. Helioz ist eines von ganz wenigen Unternehmen, das die WHO offiziell unterstützt. Die Vernetzungs-Plattform FragNebenan gibt es mittlerweile österreichweit, oder nimm` GoStudent und SchoolFox, die stark beim Thema EduTech sind.
Welche Herausforderungen haben Sie selbst als Chef?
Die größte Herausforderung ist immer noch dieser österreichische Mindset. Gründer hier hören nach wie vor, dass ihre Idee nicht funktionieren kann. Wenn wir es schaffen, dass einmal mehr als nur ein Prozent der Studierenden ihre Idee realisieren wollen, dann können wir wirklich mal zu dem Innovationsführer werden, der wir sein wollen.
Gibt es die Gefahr, dass man sich bei Coworking Spaces in eine Wohlfühl-Blase hineinsetzt, in der alle die selbe Meinung teilen, aber den Draht zur Außenwelt verlieren?
Eine der wichtigsten Lektionen, die wir den Unternehmern mitgeben: Sehr bald rausgehen auf die Straße, mit den Kunden, mit der Zielgruppe reden. Im Coworking Space sitzen ist lustig, aber man muss raus. Trotzdem braucht man dieses Umfeld. Wenn du zu Hause sitzt und dich der Möglichkeit beraubst, mit anderen zu interagieren, die ähnliche Probleme schon gelöst haben, dann wird es schwierig. Hier findet man die Leute, die man bei einem Kaffee fragen kann. Hier sitzt eben ein Investor, mit dem man über sein Business-Modell reden kann. Da hilft es wahnsinnig, wenn man einfach zwei Tische weitergehen kann. Gerade in einem Land, wo unternehmerische Kultur ihre Renaissance erlebt.
Was hat Sie dazu bewegt, den Impact Hub zu gründen?
Jeder im Gründungs-Team hat einen wirtschaftlichen Hintergrund, und wir haben uns an der Uni kennen gelernt. Ich war fasziniert davon, mit wirtschaftlichen Werkzeugen neue Ideen realisieren zu können. Für mich war dabei zentral, dass es wirklich etwas bewirkt. Das nächste “Candy Crush” ist sicher lustig und bringt Kohle, aber das ist nicht das, was mich begeistert. Es war kein vorgegebener Karrierepfad, und als wir das Impact-Hub-Netzwerk kennen gelernt haben, da wollten wir dann so einen Raum schaffen, in dem Ideen sprießen können. Wir dachten: Wenn wir so einen Raum brauchen, dann gibt es sicher ganz viele andere, die ihn genauso brauchen.