„Influencer wissen selbst am besten, was auf ihren Kanälen für ihre Zielgruppe funktioniert“
Die Fotografin, Instagramerin und Reisebloggerin Marion Vicenta Payr und Thomas Meyer vom Social-Software-Unternehmen „Die Socialisten“ (swat.io, walls.io) beleuchten in einer Artikelserie das Thema „Influencer Marketing“ und das Zusammenspiel zwischen Influencern, Marketern und Agenturen:
Im dritten Teil unserer Kolumne machen wir eine kleine Reise – und zwar stilecht – mit Thomas Cook Reisen #keineWerbung 😉
Interview mit dem Head of Social Media Continental Europe
Via Skype unterhielt ich mich mit Martin Widenka, Head of Social Media Continental Europe bei Thomas Cook, über seine Erfahrungen mit Influencermarketing und versuchte gemeinsam mit ihm ein paar Fragen abseits von „Wie geil findest du Influencer Marketing?“ und „Was waren eure größten Erfolge?“ zu klären.
Wenn Influencer selbst Marketer werden
Wer ist Martin Widenka? Auf seinem persönlichen respektablen Instagram-Account (72K Follower) finde ich folgende, zur Vorstellung perfekt geeignete Bio:
„Nach meinen Stationen in der Werbe- und Brandingbranche hat es mich 2012 in die Touristik verschlagen. Seit Juli 2012 verantworte ich die Social Media Kanäle von Thomas Cook und Neckermann Reisen. Zudem bin ich seit Januar 2017 Head of Social Media Continental Europe bei Thomas Cook.“
Lernen von den Großen
Mir war es wichtig zu evaluieren, wie es „die Großen“ machen. Nicht damit wir sie abfeiern können, sondern um zu versuchen, Empfehlungen für kleinere oder auch unerfahrenere Unternehmen abzuleiten.
Der Generationenwechsel in der Werbung
In der ersten Frage ging es primär um die aktuell so stark polarisierende Grundstimmung gegenüber Influencer Marketing. Martin, selbst erfolgreich auf Instagram aktiv, kennt beide Seiten und bezieht sich sehr stark auf das Thema „Generationenwechsel“ und der „um es neutral zu halten, günstigeren Variante von Werbung“.
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Wenn Eltern von ihren Kindern lernen
Mit dem Generationenwechsel spricht er – seiner Meinung nach – oftmals unterschätzte Faktoren an, die nicht sofort erkennbar sind – zum Beispiel die Elternschaft vieler aktueller EntscheidungsträgerInnen. Sie sehen am Online-Verhalten ihrer Kinder, welch enorme Relevanz InfluencerInnen, denen ihre Kinder folgen, für ihre Entscheidungen und Meinungen haben. Natürlich hat dies Auswirkungen auf die Denkart ihrer Eltern und öffnet somit auch betriebsinterne Wege für neue Marketingmaßnahmen.
Andererseits spricht er die oftmals leider nur vordergründige Wahrnehmung an, dass hier günstig Reichweite „gekauft“ werden kann. Die kritischen Geister zum Thema Influencer Marketing ergeben sich laut Martin „natürlicherweise aus FalschspielerInnen, die mit Bots oder anderen sehr fragwürdigen Tools, künstlich Reichweite generieren und somit betrügen.“
Warum manuelle Influencer-Selektion ein Muss ist
In meiner nächsten Frage ging es schon in Richtung Praxis. Und zwar wollte ich wissen, wie der konkrete Ablauf bei deren Kampagnen aussieht – beginnend bei der Auswahl, der Durchführung und hin bis zur Erfolgsmessung.
„In unserem Fall werden wir meist direkt angeschrieben – wir sind also in der reaktiven Position. Wir achten darauf, ob wir, also mein Team und ich, der Person bereits folgen bzw. ob wir sie bereits kennen.“
Martin spricht hier einen meiner Meinung nach sehr wichtigen Punkt an: Expertise und Affinität im Unternehmen. Je affiner meine Mitarbeiterinnen und KollegInnen mit dem Thema sind, desto besser wird das Gespür für „was geht und was nicht“. Was bedeutet das für Unternehmen? Überlegt, inwiefern ihr persönliche Social Media Affinität – und zwar nicht nur aus Marketingsicht, sondern privat – in euren Bewerbungsprozess einfließen lasst. Beziehungsweise, ob es nicht sinnvoll wäre, deren private Aktivitäten aktiver zu fördern. #justsayin
„Danach entscheiden wir, ob der oder die InfluencerIn für uns interessant ist – und dies vorwiegend auf Basis der Einzigartigkeit des Accounts. Uns ist ein Wiedererkennungswert wichtig. Der Kanal soll besonders sein und herausstechen. Danach wird Kontakt aufgenommen und man lernt sich kennen. Mir ist es wichtig, persönlichen Kontakt zu der Person herzustellen und Zeit in das Kennenlernen zu investieren. Danach folgt das konkrete Angebot.“
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Influencer-Verträge sind die Basis der Zusammenarbeit
Mich interessierte noch, ob sie a) mit Verträgen arbeiten und b) inwiefern sie Vorgaben machen – inhaltlich und operativ.
„Ja, wir haben im Lauf der Zeit damit angefangen, Verträge aufzusetzen und sie als Basis für die Zusammenarbeit zu betrachten. Bezüglich Vorgaben ist meine Meinung, dass die InfluencerInnen selbst am besten wissen, was auf ihren Kanälen für ihre Zielgruppe funktioniert. Ich möchte mich in die Kreation selbst nicht einmischen. Aber wir haben Guidelines, die für uns wichtige Punkte enthalten. Es gibt Vorgaben bezüglich Qualität, Hashtag-Verwendung und anderer unternehmensinterner Eigenheiten.“
Martin spricht hier einen sehr wichtigen, viel zu selten wahrgenommenen, Punkt an – Guidelines. Ich persönlich sehe eine absolute Notwendigkeit interner, spezifizierter Social Media Guidelines. Jedes Unternehmen hat einen eigenen Aufbau, unterschiedliche Ziele, unterschiedliche Zielgruppen und eine eigene Philosophie. Um die Kommunikation nach außen einheitlich zu gestalten, sollten in der Ausarbeitung der Richtlinien auch sämtliche außenwirksame Abteilungen des Unternehmens hinzugezogen werden (Marketing, PR, Vertrieb, Support, Geschäftsführung etc.)
Awareness, Branding & Emotion
Um auf meine Frage bezüglich des Ablaufs zurückzukommen:
„Natürlich definieren wir für unsere Kampagnen Strategien und entsprechende Kennzahlen – basierend auf den Kennzahlen, die wir uns vorher bei den entsprechenden InfluencerInnen bereits angesehen haben. Da wir das tun, gibt es auch kaum Überraschungen. Je besser man im Vorfeld auswählt, desto sicherer ist dir der Erfolg der Kampagne. Bei uns steht Awareness, Branding und der Sympathie-Faktor im Vordergrund und mit einem von uns verwendetet Multi-Channel-Tracking können wir auch messen, von welchen Kanälen aus konkrete Conversions erfolgen.“
Damit stieß er bei mir natürlich auf offene Ohren. All das, was er im Überblick beschrieben hat, deutet auf einen hohen Grad der Professionalisierung hin. Influencer-Marketing als Prozess – als durchgeplante Methode mit allen nötigen Schritten: Planung, Evaluierung der richtigen Partner hinsichtlich der Zielgruppe, Vertragsverhandlungen inkl. Guidelines, Monitoring und Messung.
Werbekennzeichnung ist ein Muss
Meine nächste Frage bezog sich auf ein Thema, das ich nicht unbesprochen lassen konnte: die Kennzeichnung. Die Antwort, wenig überraschend: „Ja, wir kennzeichnen. Ich persönlich auf meinen Kanälen und auch wir als Unternehmen verlangen die Kennzeichnung als Werbung.“ Er führte weiter aus:“ Werde ich persönlich gebucht, egal ob von einer Marke oder einer Agentur, und das Thema wird nicht angesprochen, frage ich proaktiv nach, wie sie es mit der Kennzeichnung handhaben. Aber ja, ich finde es gut und wichtig, dass gekennzeichnet wird.“
Weiter sprach er einen Punkt an, der mir persönlich noch relativ neu war, aber absolut diskussionswürdig ist: „Was mir jedoch immer klarer wird ist, dass wir hier im Bezug auf Kennzeichnung von zwei Generationen sprechen. Unabhängig vom rechtlichen Rahmen wird Werbung von der jungen Zielgruppe ganz anders wahrgenommen. Product Placements, die uns aktiv auffallen, werden von der jungen Zielgruppe oft ganz anders aufgenommen.“
Unabhängig vom rechtlichen Rahmen ist das ein spannender Ansatz, über den man sicher nachdenken sollte.
Finger weg von Influencer-Datenbanken
Meine letzte Frage bezog sich auf den Einsatz von Influencer-Agenturen. Oft ist es eben nicht der Fall, dass im Unternehmen selbst das notwendige Know-How vorhanden ist, aber monetäre Ressourcen zur Verfügung stehen.
„Ja, wir haben bereits mit Agenturen zusammengearbeitet. Ich privat und wir als Unternehmen. Natürlich kann der Einsatz von einer Agentur für Ressourcen-arme und unerfahrene Unternehmen Sinn machen. Ich habe nur zwei wichtige Tipps: Meiner Erfahrung nach ist die Arbeit mit Agenturen, die selbst InfluencerInnen beschäftigen, deutlich professioneller, näher am Markt und erfolgsversprechender. Also schaut euch an, wer in den Agenturen arbeitet und wie stark die Mitarbeiter mit dem Thema vertraut sind. Zweitens vermeidet Datenbanken oder dergleichen. Die reine Eingabe von Wunschreichweiten oder anderer quantitativen Kennzahlen und das automatisierte Ausgeben von Accountnamen ist meiner Meinung nach der falsche Ansatz. Das geht ja schon fast in Richtung Displaywerbung. Wichtig ist, dass der Content zum Produkt oder Unternehmen passt.“
Ich sag an dieser Stelle schon mal Danke an dich Martin.
Das Fazit
Klar, Thomas Cook ist ein sehr großer Konzern und klar, hier gibt es mit Sicherheit die nötigen Ressourcen (monetär und personell). ABER: von Martin werden Dinge angesprochen (Guidelines, strukturierter Prozess, Affinität unter den eigenen MitarbeiterInnen und Tipps zur Agenturauswahl), die Unternehmen jeder Größe hilfreich sein könnten.