Robotik

Inside Amazon: Ballett der Roboter

Ein Amazon-Roboter im Logistikzentrum in Italien © Amazon
Ein Amazon-Roboter im Logistikzentrum in Italien © Amazon
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Gigantische Hallen voller Fließbänder, so weit das Auge reicht. Riesige Greifarme, die Pakete mit Saugnäpfen heben, transportieren oder Etikette anbringen. Und automatische Regale, die sich in einer Art Ballett umeinander herumbewegen. So sieht ein Logistikzentrum vom E-Commerce-Giganten Amazon aus. Wir waren zu Gast am Standort in Novara, nahe bei Mailand, um die hochkomplexen und durch topmoderne Robotik unterstützten Logistikprozesse zu begutachten.

Ebenfalls haben wir das Innovation Lab (im DACH-Raum „Entwicklungszentrum für Logistik“ genannt) im auch in der Nähe von Mailand gelegenen Vercelli besucht, in dem Amazon all diese Lösungen entwickelt und testet. Hierbei handelt es sich um eines von nur drei solchen Zentren, die anderen beiden befinden sich in den USA.

Logistikzentrum braucht Robotik für komplexe Prozesse

Vor einem Jahr waren wir bereits zu Gast im größten Amazon-Verteilzentrum Österreichs in Wien und haben die komplexen Prozesse beobachtet, die nötig sind, um Lieferungen an die Kund:innen zu bringen. Damals fiel vor allem auf, dass trotz modernster Technologie immer noch viel Handarbeit nötig ist (wir berichteten). Doch wie wichtig die Unterstützung durch Roboter ist, um die schnellen Lieferzeiten des E-Commerce-Riesen zu stemmen, zeigt sich erst im Logistikzentrum.

Zur Übersicht: Amazon-Lieferungen laufen in der Regel entlang einer Lieferkette mit mehreren Stationen ab. Zunächst liefern die Partner des Konzerns ihre Waren an ein sogenanntes „Inbound Cross Dock“. Dabei handelt es sich um ein Warenhaus, von dem aus die Güter zu den „Fulfillment Centers“, also den Logistikzentren, wandern. In Österreich gibt es derzeit noch kein solches Logistikzentrum, die Waren kommen aus Standorten in den Nachbarländern, darunter auch dem bei Mailand. Von den Logistikzentren wandern die Waren dann zu den Sortierzentren, dann weiter zu den Verteilzentren, wie dem  im 23. Bezirk Wiens. Von dort aus findet schließlich die Last-Mile-Delivery an die Kund:innen statt.

© Amazon
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Amazon hat weltweit mehr als 750.000 mobile Roboter

Die Waren gehen also einen weiten Weg und an jeder Station ist ein komplexes System dafür verantwortlich, dass sie nicht verloren gehen. Das Logistikzentrum in Italien, das wir besucht haben, steht also in der Reihenfolge deutlich vor den Verteilzentren. Hier landen wesentlich größere Mengen an Gütern, weshalb, das was wir dort gesehen haben, alles, was in Wien zu sehen war, komplett in den Schatten stellt. Das Amazon Logistikzentrum in Novara umfasst eine Fläche von 60.000 Quadratmetern und es gibt dort rund 1.000 Dauerarbeitsplätze.

Riesige Standorte wie der in Novara erfordern wesentlich mehr Robotik, um wirklich funktionieren zu können. Amazon hat nach eigenen Angaben an 300 Standorten weltweit aktuell mehr als 750.000 mobile Roboter sowie zusätzlich Tausende von anderen Robotersystemen, die helfen, Bestellungen zu bewegen, zu sortieren, zu identifizieren und zu verpacken. 75 Prozent aller Bestellungen weltweit werden mit Hilfe von Robotern ausgeliefert. Allein im Jahr 2024 will der Konzern 120 neue Automatisierungslösungen im gesamten europäischen Netzwerk implementieren.

© Amazon
Universal Robotic Labeller © Amazon

Maschinen befestigen Etikette und sortieren Pakete

Und die Roboter, die hier zum Einsatz kommen, sind extrem spannend. Da gibt es zunächst den sogenannten „Universal Robotic Labeller“ (URL). Hierbei handelt es sich um eine Maschine, die das automatische Anbringen von Etiketten und die Platzierung auf ungleichmäßigen Oberflächen ermöglicht. Laut Amazon ist es damit möglich, kleinere Etikette zu verwenden, was zu kleineren Verpackungen und dadurch wiederum zu einer Einsparung von Verpackungsmaterial führt.

Dann gibt es den „Universal Item Sorter“ (UIS). Dieser Roboter sorgt für eine effiziente Sortierung der Pakete. Das System nutzt drahtlose Technologie, um individuelle Transport-Plattformen, so genannte „iBOTs“, zu bewegen, die die Artikel in verschiedene Richtungen transportieren und sie jeweils an eine Transportwanne liefern, die bereits auf den endgültigen Bestimmungsort abgestimmt ist. Dadurch will Amazon sicherstellen, dass der richtige Artikel mit der entsprechenden Transportwanne verbunden ist. Der UIS kann dem Konzern zufolge auf einer kompakten Grundfläche in bis zu 96 Transportwannen sortieren, die mit unterschiedlichen Zielorten verknüpft sind.

Durch den UIS soll es möglich sein, die Abmessungen der Gebäude zu reduzieren und damit sowohl Platzbedarf als auch Energieverbrauch zu verringern. Außerdem soll das System die Ergonomie und Sicherheit für Mitarbeiter:innen erhöhen, da es die Anzahl der Schritte verringert. In Europa waren in den Logistikzentren bis Ende 2023 insgesamt 196 UIS-Maschinen in Deutschland, Spanien, Frankreich, Polen und Großbritannien in Betrieb.

© Amazon
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Roboter sollen Hebearbeiten für Mitarbeiter:innen reduzieren

Eine weitere Maschine ist der „Automated Tote Retriever“ (ATR). Dieser Roboter ergänzt den UIS, indem er die Prozesse optimiert. Ein mit dem UIS verbundener Schlitten bewegt sich auf einer Schiene über die gesamte Länge der UIS-Wand und wird benachrichtigt, wenn eine Transportwanne („Tote“) voll ist. Daraufhin fährt der Schlitten zu der vollen Transportwanne und ersetzt sie mit einem speziellen Greifer durch eine leeren Transportwanne. Sobald der Austausch abgeschlossen ist, setzt der UIS die Auslieferung von Artikeln an diese Stelle fort und wiederholt den Prozess nahtlos. Das soll den manuellen Aufwand reduzieren und zu weniger Hebearbeiten für die Mitarbeiter:innen führen.

Dann gibt es noch den „Bag Containerization Matrix Sorter“ (BCMS). Dieser optimiert die Sortierkapazitäten, indem er Pakete mit demselben Endziel identifiziert und gruppiert. Das System kategorisiert Pakete in Transporttaschen, die für die Zustellung auf der letzten Meile bereit sind. Dadurch will man vermeiden, dass ein und dasselbe Paket in einem Logistikzentrum und in einem Sortierzentrum doppelt verarbeitet wird.

Automated Guiding Cart © Amazon
Automated Guiding Cart © Amazon

Komplexer Tanz der autonomen Regale

Besonders spannend ist der „Automated Guided Cart“ (AGC). Dabei handelt es sich um einen flachen, autonomen Roboter auf Rädern, der unter Transportwägen, auf denen leere Transportwannen gestapelt sind, gleitet und diese automatisch durch die Logistikzentren fährt. Sensoren an der Unterseite des AGC lesen ein Magnetband auf den Böden, wodurch er sich selbst navigieren kann. Außerdem erkennen Sicherheitsscanner, ob sich Personen oder Hindernisse im Weg des AGC befinden, so dass er abbremsen oder anhalten kann, bis der Weg frei ist.

Dann gibt es noch „Amazon Robotics“ (AR), das Herzstück eines Logistikzentrums. Tausende Roboter ermöglichen hier die Lagerung und Kommissionierung von Millionen von Artikeln. Konkret transportiert Amazon Robotics Regalfächer mit den bestellten Artikeln direkt zu den Arbeitsstationen, wo die Bestellungen von Mitarbeiter:innen kommissioniert und in den nachfolgenden Stationen für den Versand an die Kund:innen verpackt werden.

In der Praxis ergibt sich so ein regelrechter Tanz der Regale umeinander herum. Bei unserem Besuch hat ein Mitarbeiter gezeigt, wie er sich durch die Regale manövrieren kann. Mit einem Kindle, das er als Tablet nutzte, konnte er auf einer Karte einen Pfad durch die Regale zeichnen. Die AGC bildeten daraufhin automatisch eine Gasse, durch die sich der Mitarbeiter sicher bewegen konnte.

Amazon Robotics © Amazon
Amazon Robotics © Amazon

Ein weiterer Roboter ist der „Flat Sorter Robotic Induct“ (FSRI). Dieses Gerät sorgt dafür, dass Pakete reibungslos, gleichmäßig und geordnet durch das Logistikzentrum transportiert werden. Konkret erledigt FSRI das Vereinzeln von Paketen und Zuführen auf ein Förderband. Hierfür werden dem FSRI ungeordnete Stapel von unterschiedlichen Paketen auf einem Förderband zugeführt. Dank hochentwickelter Bildsensoren identifiziert FSRI einzelne Pakete auf dem Förderband und kann diese mittels eines mit Saugnäpfen ausgestatteten Roboterarms greifen und in einer bestimmten Orientierung auf dem abtransportierenden Förderband ablegen. Das System kann je nach Paketgröße und -form erkennen, wie viele der Saugnäpfe es einsetzen muss.

Der „Robotic Tote Palletizer“ (RTP) besteht aus zwei Roboterarmen, die mehrere Transportwannen zu sauberen, doppelt gestapelten Paletten zusammenfassen. Der erste Arm stapelt drei oder vier Lagen von Transportwannen auf einer Palette, während der zweite Arm zwei Paletten übereinanderstapelt, sodass eine einzige Einheit entsteht. Der RTP bindet alles sicher zusammen und versieht den Palettenstapel mit einem Versandetikett. In weiterer Folge wird der Palettenstapel von eine:r Mitarbeiter:in in einen Anhänger bewegt, der schlussendlich zur Verladerampe befördert wird.

Automated Packaging © Amazon
Automated Packaging Technology © Amazon

„Automated Packaging Technology“ verpackt Pakete in Sekundenschnelle

Soviel also zu den Robotern, die für Transport und Prozessierung zum Einsatz kommen. Doch auch für die Verpackung hat Amazon einen spannenden Apparat entwickelt, nämlich die „Automated Packaging Technology“. Diese stellt passgenaue Papierverpackungen her, indem sie Artikel scannt und die richtige Menge an Papier berechnet, die für eine schnelle und genaue Verpackung nötig sind.

Bei unserem Besuch im Innovation Lab durften wir diese Technologie, die bislang noch bei Plastikverpackungen in Nordamerika zum Einsatz kam, selbst ausprobieren. Hierbei muss man nur das Produkt in eine vorgeformte Papiertasche legen und einen Knopf drücken. Daraufhin schneidet die Maschine die Papiertasche auf die passende Länge des Artikels zu. Eine Heißsiegeltechnik verschließt dabei das Paket. In nur wenigen Sekunden entsteht somit ein versiegeltes, an die Form des Produktes angepasste Verpackung. Das Papier ist zu 100 Prozent recycelbar und es kommen weder Polsterungen noch Klebstoff zum Einsatz. Dadurch soll diese neue Methode besonders nachhaltig sein, laut Amazon lassen sich so im Durchschnitt mehr als 26 Gramm Verpackung pro Sendung vermeiden. Die Maschine kommt bereits in Logistikzentren in Deutschland und Großbritannien zum Einsatz.

© Amazon
© Amazon

Menschliche Angestellte für Amazon immer noch unverzichtbar

Trotz all dieser Roboter betont Amazon, dass menschliche Arbeit immer noch unverzichtbar ist. Die Bedienung und Wartung der Maschinen schaffe vielmehr neue Jobs, die ein hohes Maß an Qualifizierung erfordern, die der Konzern mit einem intensiven Bildungsprogramm erreichen will. „Die Roboter sollen Menschen nicht die Jobs wegnehmen, sondern repetitive und körperlich anstrengende Arbeiten übernehmen“, sagte Richard Zeger, Leiter des Amazon Entwicklungszentrums für Logistik in Vercelli. Bei unserem Besuch zeigte sich, dass immer noch viele menschliche Mitarbeiter:innen nötig sind, um das System am Laufen zu halten. In den letzten zehn Jahren seien in Europa so mehr als 50.000 Arbeitsplätze entstanden.

Sowohl in Italien als auch in Österreich werden Mitarbeiter:innen gemäß dem geltenden Kollektivvertrag entlohnt. In Österreich beläuft sich dieser aktuell auf 12,58 Euro pro Stunde (Stand 01.10.2023). Sortiermitarbeiter, die in der Nachtschicht arbeiten, erhalten zusätzlich einen Nachtschichtzuschlag von 50%. Dazu kommt ein Paket an Zusatzleistungen aus Versicherungen und Altersvorsorge. Das Einstiegsgehalt in Italien beläuft sich aktuell auf 1.765 Euro brutto pro Monat. Dazu kommen Zusatzleitstungen wie ein täglicher Essensgutschein im Wert von 7 Euro.

All diese Robotik will natürlich erst entwickelt und getestet werden. Dafür gibt es Amazons Entwicklungszentrum für Logistik, das Innovation Lab. Wie erwähnt gibt es davon weltweit nur drei Exemplare. Eines davon befindet sich in Seattle, der Heimatstadt des Konzerns, eines in Boston und das einzige Lab außerhalb der USA in Vercelli in Italien. Hier entwickelt und erprobt Amazon Technologien, um die Arbeit von Mitarbeiter:innen einfacher und sicherer zu machen, Kundenerfahrungen zu verbessern und Verpackungen nachhaltiger zu gestalten.

© Amazon
© Amazon

Amazon Innovation Lab als Nährboden für neue Ideen

Das Lab dient als europäische Drehscheibe für Amazons globales Team für Mechatronics & Sustainable Packaging (Mechatronik & nachhaltige Verpackung). Bis Ende 2024 wird dieses Team aus Ingenieur:innen und Wissenschaftler:innen für die Implementierung von über 1.000 neuen Robotik- und KI-gestützten Innovationen in Amazons europäischem Logistiknetzwerk verantwortlich sein. Das entspricht dem Konzern zufolge einer Investition von über 700 Millionen Euro in den letzten fünf Jahren. Hier befindet sich auch das Schulungszentrum für Mitarbeiter:innen, die mit den dort entwickelten Technologien arbeiten.

Amazon baut in dem Innovation Lab die Maschinen in einer kontrollierten Umgebung auf. Die riesige Halle bietet dabei die Möglichkeit, diese Stationen nach Belieben auf- und abzubauen. Mit der Technologie, die im Innovation Lab entsteht, will Amazon in Zukunft seinen Service weiter verbessern. „Unser Ziel ist es hierbei immer, uns an die entsprechenden Bedürfnisse der Kund:innen anzupassen. Unsere Mitarbeiter:innen sind durch das Innovation Lab auf jeden Fall top-motiviert und kommen ständig mit neuen Ideen zu uns. Somit sind unserem Innovationsgeist keine Grenzen gesetzt“, so Stefano La Rovere, Director Global Robotics – Mechatronics (Advanced Technology) & Sustainable Packaging bei Amazon.

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