Insolvenzen in Österreich 2024 um 22 Prozent auf 6.550 Fälle gestiegen
2024 wird Österreich laut KSV1870 bis zum Jahresende 6.550 Insolvenzen verzeichnen. Das entspricht einer Steigerung von rund 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Am stärksten betroffen sind dabei die Bereiche Handel, Bauwirtschaft sowie Gastronomie und Beherbergung. Als Sorgenkind in diesem Jahr positioniert sich die Industrie, die für ein Drittel des österreichischen Bruttoinlandsprodukts verantwortlich ist. Ihre weitere Entwicklung wird auch vom Österreichischen Kreditschutzverband mit Sorge betrachtet.
Dritthöchstes Insolvenzjahr seit 2005
Die Hochrechnung des KSV zeigt einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen in ganz Österreich. Fisker, KTM, Kika und Leiner – sie alle sind dieses Jahr in die Insolvenz geschlittert. 2024 wird laut KSV1870 mit seinen 6.550 Firmenpleiten das dritthöchste Insolvenzjahr seit 2005 – damals wurden 7.056 Insolvenzen verzeichnet, 2009 waren es 6.902. Dazu kämen „rund 2.400 (40 Prozent) nicht eröffnete Insolvenzen, weil nicht mehr genügend Masse da ist und man nicht einmal mehr 4.000 Euro hat, um die Kosten für das Verfahren zu decken“, so Götze.
Mit einem Blick auf die Bundesländer zeigt sich: Wien führt mit 2.467 Insolvenzen (+27,6 Prozent), gefolgt von Niederösterreich mit 1.104 Fällen (+7 Prozent). Das Burgenland verzeichnete 2024 den stärksten prozentualen Zuwachs mit +52,1 Prozent, bleibt mit 321 Insolvenzen aber insgesamt auf niedrigem Niveau.
Vergleicht man die Insolvenzen mit jenen aus dem Jahr 2019, das gerne als Vergleichsjahr aus Vor-Corona-Zeiten herangezogen wird, so wird sogar ein Insolvenzanstieg von mehr als 30 Prozent ersichtlich, wie Karl-Heinz Götze, Leiter der KSV1870 Insolvenzabteilung, mitteilte.
Gesamtschulden: 18,3 Milliarden Euro
Die österreichische Wirtschaft habe außerdem mit einem Rekordjahr in Bezug auf die Passiva zu kämpfen. Zu tun habe dies mit der hohen Zahl an Großinsolvenzen, die maßgeblich dafür verantwortlich waren, dass sich die Gesamtschulden der insolventen Unternehmen um 30,8 Prozent auf 18,3 Milliarden Euro erhöht haben. Dabei sei der Kreditschutzverband bereits 2023 von den „höchsten Passiva in unserer Wirtschaftsgeschichte mit rund 14 Milliarden ausgegangen“.
Insolvenztreiber: Handel, Bauwirtschaft sowie Gastronomie
Als stärkster Insolvenztreiber 2024 entpuppt sich der Handel (+16 Prozent) – dies läge am massiv gestiegenen E-Commerce-Verhalten der in Österreich lebenden Menschen. Vor Corona hätten viele noch im stationären Handel eingekauft, mittlerweile „haben sich alle an ihr Versandpackerl gewöhnt“. Die Insolvenzen in der Bauwirtschaft (+15 Prozent) betreffen weniger den Tiefbau, dafür umso mehr den Hochbau und das Baunebengewerbe. Besonders betroffen waren 2024 das Grundstücks- und Wohnungswesen – also primär Immobilienentwickler, die Grundstücke kaufen, darauf bauen und vermieten (+76 Prozent).
In der Gastronomie und Beherbergungsbranche wurde ein Anstieg der Insolvenzen um 16 Prozent verzeichnet, wobei laut KSV1870 insbesondere die Gastronomie betroffen war.
Privatinsolvenzen und Startup-Szene
Die KSV1870 erklärte, dass Privatinsolvenzen in der Regel mit einer Verzögerung von zwei bis drei Jahren im Vergleich zu Unternehmensinsolvenzen auftreten. Besonders betroffen seien ehemalige Selbstständige, die ihre Unternehmensgründung durch persönliche Sicherheiten abgesichert haben. 2024 wird es hochgerechnet 8.920 Privatinsolvenzen mit einer Steigerung der Passiva um rund 8,5 Prozent geben – insgesamt um 0,8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Im Bereich der Startups sieht Götze das große Problem der Folgefinanzierung. Auch wenn die erste und zweite Finanzierungsrunde ganz gut laufen, brauche es auch im weiteren Verlauf Wachstumsfinanzierungen für die Jungunternehmen.
„Was ich von vielen höre – einerseits von Startups, aber auch von Fonds, ist, dass sie selbst darauf achten müssen, diese Firmen aktuell stützen zu können. Das wird nicht immer gelingen, und ich fürchte, dass sich das 2025 noch fortsetzen wird, in der Hoffnung, dass wir 2026 wieder bessere Bedingungen für die Startups erleben“, so KSV1870-Insolvenzabteilungsleiter Götze.
Was bleibt zu tun
Laut dem KSV-Chef Ricardo José Vybiral braucht Österreich Momentum, einen Zukunftsoptimismus, denn derzeit ziehe sich ein großer Pessimismus durch die österreichische Wirtschaft: „Die Aufgabe der neuen Bundesregierung wird sein, die Fluggeschwindigkeit in der Wirtschaft zu erhöhen und neue Impulse zu setzen. Acht aus zehn Österreicher:innen lassen das Geld knapp sitzen. Wie kann das gelingen? Maßnahmen, die auf Bürokratieabbau und eine sinnvolle Eindämmung der überbordenden Regulation abzielen, sind zentrale Hebel, um der heimischen Wirtschaft wieder Leben einzuhauchen.“
Vybiral geht weniger von großen Steuerreduktionen aus. Er glaube allerdings daran, dass sich regulatorische Eingriffe erleichtern ließen. Zwar sei Regulatorik gut, aber nur in einem gewissen Rahmen und in Grenzen. Um es den österreichischen Unternehmer:innen zu erleichtern “könnte man einiges davon ausstauben und rausbekommen.“
Als Beispiel nennt der KSV1879-CEO die Gemengelage von DORA (Digital Operational Resilience Act), NIS (Network and Information Systems Directive), ESG-Rahmenbedingungen für Klein- und Mittelunternehmer:innen. Viele von ihnen seien in seinen Augen “mittlerweile überfordert, all diese Anforderungen zu dokumentieren“.
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