Wie geht es der Bestattungsbranche in der Pandemie, Stefan Atz?
Anfang November eröffnete mit Benu der erste „digitale Bestatter“ Österreichs seine Pforten im siebten Wiener Gemeindebezirk. Kurz darauf kam erst der „Lockdown light“, dann der zweite Lockdown – mitsamt starker Übersterblichkeit einzelner Altersgruppen und traurigen Rekorden bei den Totenzahlen. Wie wirkt sich das für Bestattungsunternehmen aus?
Das wollten wir von Stefan Atz, dem CEO von Benu, wissen. „Wie für viele andere Lebensbereiche auch, hat die globale Pandemie viele Herausforderungen für die Bestattungsbranche gebracht und auch einiges verändert“, erklärt er im Gespräch mit Trending Topics. Was genau?
Trending Topics: Wie wirkt sich die Übersterblichkeit bei Personen mit 65+ Jahren auf die Bestattungsbranche aus?
Stefan Atz: Im Unterschied zu anderen Ländern – wie beispielsweise Italien – hatte Österreich im ersten Lockdown – Gott sei Dank – mit keiner Übersterblichkeit zu kämpfen. Im Herbst 2020 und insbesondere während des zweiten Lockdowns zeigt sich jedoch leider eine klare Übersterblichkeit bei Personen über 65 Jahren in Österreich. Dies attestiert auch offiziell das europäische Mortalitätsmonitoring. Die derzeitige Übersterblichkeit ist in der Bestattungsbranche auch klar zu spüren.
Bei Benu verzeichnen wir im November etwa 50 bis 60 Prozent mehr Sterbefälle als in den Vormonaten. Diese Steigerung ist aber nicht ausschließlich auf die angesprochene Übersterblichkeit zurückzuführen, sondern hat auch damit zu tun, dass wir als moderner Bestatter mit unseren digitalen Prozessen in der jetzigen Zeit der sozialen Distanzierung besonders passende Kundenprozesse anbieten können. So ist es über unseren Online-Konfigurator möglich, eine ganze Bestattung von zu Hause aus zu organisieren. Persönliche Beratungsgespräche sind selbstverständlich in unserem Concept Store möglich, aber keinesfalls eine Notwendigkeit, weil wir unsere Kunden 24 Stunden täglich komplett telefonisch beraten können.
Wie ist es, wenn jemand an oder mit Covid-19 verstirbt?
Besondere Herausforderungen bringt Covid-19 bei Abholungen von Verstorbenen und der Versorgung von Leichnamen mit sich. So ist es Vorschrift, dass eine an Covid verstorbene Person in einen sogenannten Karboleinschlag gehüllt wird. Diesen Einschlag kann man sich wie ein großes weißes Leintuch vorstellen, das in einer Desinfektionsflüssigkeit getränkt wird und dann um den Leichnam geschlagen wird. Danach kommt der Verstorbene in einen sogenannten Bodybag. Das ist ein verschließbarer Leichensack. Sobald die verstorbene Person in den Sarg gelegt wird, wird der Sarg verkittet und verschraubt. Danach kann er nicht mehr geöffnet werden. Eine Folge dieser Vorschriften ist auch, dass an Covid verstorbene Menschen nicht gewaschen und speziell in eigener Kleidung angekleidet werden können. Unser Bestattungspersonal schützt sich bei der Abholung von an Corona verstorbenen Menschen durch einen Pandemie-Anzug, Schürze, FFP2-Maske, Schutzbrille und Handschuhe.
Für Trauergäste hat Corona auch Auswirkungen. So sind – zusätzlich zu den allgemeinen Regeln, wie Maskenpflicht oder Abstandhalten – maximal 50 Personen bei Trauerfeiern und Beisetzungen erlaubt.
Wie geht ihr mit etwaigen Überlastungen um?
Als Bestatter sind wir und unsere Bestattungspartner für die erhöhte Anzahl an Bestattungen gut gerüstet. Unser geschultes Personal kommt mit den hygienischen Herausforderungen bei der Abholung von Covid-Verstorbenen gut zurecht. Klar müssen wir aber auch sagen, dass das gesamte Team auf Hochtouren arbeitet, wir aber aufgrund unseres Wissens und unserer Routine mit der Überbelastung sehr gut umgehen können.
Welche generellen Herausforderungen bringt die Pandemie für eure Branche mit? Wie haben sich Bestattungen in/mit der Krise verändert?
Wie für viele andere Lebensbereiche auch, hat die globale Pandemie viele Herausforderungen für die Bestattungsbranche gebracht und auch einiges verändert. Als eine Branche mit verhältnismäßig geringem Digitalisierungsgrad, hat die Bestattungsbranche bisher recht wenig auf digitale Informations- bzw. Kundenberatungsprozesse gesetzt. Bisher war es für traditionelle Bestatter der ganz normale Prozess, dass Trauerfamilien im Rahmen langer Trauergespräche im Bestattungsbüro beraten werden. In der jetzigen Zeit sind diese Gespräche oft nicht möglich beziehungsweise von Kunden auch gar nicht gewünscht, um das „Social Distancing“ sicherzustellen.
Wir bei Benu haben uns als moderner Bestatter von Anfang an darauf konzentriert, möglichst umfangreiche und qualitativ-hochwertige Information zum Thema „Bestattungen“ online zur Verfügung zu stellen. So ist es bei uns möglich, eine gesamte Bestattung online zu planen und sofort auch einen absolut transparenten Kostenvoranschlag zu bekommen. Wir haben in Zeiten der Pandemie gemerkt, dass diese Kombination aus digitaler Information/Planung und persönlichem Service am Telefon bei Kunden besonders gut ankommt und in diesen schwierigen Zeiten insbesondere passend ist.
Klar kann man auch feststellen, dass sich in den jetzigen Zeiten immer mehr Leute online zum Thema „Bestattung“ informieren. So haben wir seit dem Anfang der Pandemie eine Vervierfachung unseres Online-Traffics von etwa 450 durchschnittliche Nutzer pro Tag auf über durchschnittlich 2000 Ende November.
Wie verändert die Pandemie Trauerfeiern? Können Angehörige ordentlich Abschied nehmen?
In der jetzigen Phase hat die Pandemie auf den Ablauf bzw. den Aufbau von Trauerfeiern kaum Auswirkungen. Lediglich ist die Anzahl der möglichen Trauergäste auf maximal 50 Personen beschränkt.
Während des ersten Lockdowns im Frühjahr waren die Auswirkungen auf Trauerfeiern wesentlich gravierender. Damals waren nur maximal fünf Trauergäste zulässig. Dies war für viele Familien eine enorme Einschränkung und hat auch das Abschiednehmen massiv beeinträchtigt. Wir haben damals als Bestatter versucht Abhilfe zu schaffen und haben beispielsweise kostenlos Online-Streamings von Trauerfeiern angeboten, so dass die Teilnahme eines größeren Personenkreises an der Trauerfeier zumindest über das Internet möglich war.
Besondere Einschränkungen bei der Abschiednahme hat die Pandemie bei an Covid verstorbenen Personen. Aufgrund der hygienischen Erfordernisse ist zum Beispiel eine rituelle Waschung oder eine Verabschiedung am offenen Sarg nicht möglich, was für einige Kulturkreise und Religionsgemeinschaften eine gravierende Einschränkung darstellt.
Benu verfolgt einen sehr modernen Ansatz. Kann Digitalisierung auch „alte“ Branchen verbessern – und wenn ja, wie zeigt sich das?
Unser moderner Kundenbetreungsansatz aus digitaler Bestattungsplanung und persönlicher Betreuung am Telefon hat sich während der Pandemie als besonders passend herausgestellt. Moderne Konsumenten sind es gewohnt, in wenigen Mausklick alle relevanten Informationen zu einem Thema zu erhalten und auch sofort absolute Transparenz zu Preisen und Leistungen zu erhalten. Dies ermöglichen wir mit Benu. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Ansatz auch in anderen „alten“ Branchen erfolgreich sein kann. Der Anspruch sollte dabei immer sein, den Kauf einer Dienstleistung oder eines komplexen Produktes (Bestattung, Einbauküche, Versicherung) so einfach und transparent wie die Buchung eines Fluges, das Bestellen eines Mietautos oder das finden eines passenden Hotels im Internet sein. Ich finde, dass die Reisebranche hier oft besonders passende Analogien (booking.com, airbnb.com, etc.) liefert. Wieso soll denn die Organisation der letzten Reise nicht so einfach und transparent funktionieren, wie die Buchung anderer Reisen?
Haben Konzepte wie Benu nicht vor allem mehr Zulauf, weil ihr die Kontaktaufnahme bzw. die Planung digitalisiert? Persönlicher Kontakt mit dem Bestatter ist derzeit ja schwierig.
Ja, durch unsere digitale Herangehensweise verzeichnen wir in der jetzigen, schwierigen Zeit auf jeden Fall mehr Zulauf. Kunden schätzen die nutzerfreundliche Bestattungsplanung über das Internet und können trotzdem die persönliche Beratung über das Telefon wahrnehmen. Das reduziert die Notwendigkeit von persönlichen Terminen, schafft Transparenz und stellt gleichzeitig auch sicher, dass sich Kunden kompetent und professionell betreut fühlen.
+++Wiener Startup Benu wickelt Bestattungen online ab – mit einem entscheidenden Vorteil+++