Hintergrund

Wie die Investitionskontrolle Startup-Deals in Österreich torpediert

© Joshua Hoehne on Unsplash
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Eigentlich ist es ja ein Ritterschlag. Behaupten zu können, dass das eigene Startup nun zur kritisches Infrastruktur eines Landes zählt, klingt eigentlich ungemein wichtig. Im Falle Österreichs ist aber genau das ziemlich hinderlich. Denn Jungfirmen in großen Zukunftsbereichen wie EnergyTech, AI, Fintech, Robotics oder ganz einfach Datenverarbeitung oder speicherung fallen unter das seit 2020 in Kraft stehende Investitionskontrollgesetz – auch bekannt unter dem Namen „FDI-Screening„. Und das kann bei internationalen Investments zum Dealbreaker werden.

So etwa fast geschehen beim Wiener HealthTech XUND. Das Team rund um CEO und Mitgründer Tamas Petrovics arbeitet an einer Datenschnittstelle, mit deren Hilfe Versicherungen, Krankenhäuser oder andere HealthTechs digitale Gesundheitsassistenten bauen können. Ähnlich einem Chatbot kann man damit Web-Dienste oder Apps erstellen, in denen Nutzer:innen durch Dateneingabe zu einer Ersteinschätzung möglicher Erkrankungen kommen. Im Hintergrund analysiert eine KI Millionen von medizinischen Publikationen, um quasi in Echtzeit Antworten zu liefern. Für den Ausbau hat XUND kürzlich sechs Millionen Euro Investment erhalten, unter anderem von MassMutual Ventures aus Boston und MMC Ventures aus UK.

XUND: Wiener HealthTech holt 6 Mio. Euro in der Seed-Runde

„Finanzierungsrunde ist fast an den bürokratischen Hürden gescheitert“

Klingt nicht sonderlich systemkritisch, oder? Ist es aber laut Investitionskontrollgesetz (InvKG). Dieses besagt, dass der Gesetzgeber Übernahmen oder Beteiligungen ausländischer Personen an österreichischen Unternehmen untersagen oder an Auflagen und Bedingungen zu knüpfen kann, „wenn der Erwerb möglicherweise die Sicherheit oder öffentlichen Ordnung einschließlich der Krisen- und Daseinsvorsorge gefährdet“. Ausnahmen gibt es nur für Startups mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von unter zwei Millionen Euro.

„Unsere Finanzierungsrunde ist fast an den bürokratischen Hürden gescheitert“, so XUND-CEO Tamas Petrovics zu Trending Topics. „Als Medizinproduktehersteller fallen wir nämlich in die Kategorie der kritischen Infrastruktur. Es gibt zwar Ausnahmen, aber: Welches Startup mit weniger als zehn Mitarbeiter:innen schafft es, internationale VCs im Medtech-Bereich an Land zu ziehen? Das führt bei Investoren zu einigem Erstaunen. Bei allem Optimismus und bei allen Visionen kann man heute nicht sagen, dass wir kritische Infrastruktur sind, so wie es ein Flughafen ist.“ Er wünsche sich, dass solche hinderlichen Rahmenbedingungen in Österreich verbessert werden.

„Unsere jüngste Erfahrung mit dem FDI-Screening ist eher durchwachsen. Es gibt glücklicherweise einen Fast Track bzw. eine Ausnahmeregelung für Startups, aber der Prozess dauert trotzdem noch mehrere Wochen bis Monate“, sagt Sebastian Wiener, Investment Director bei Peak Pride Management aus Wien, ebenfalls bei XUND investiert. „Daraus entsteht in der Praxis eine echte Zitterpartie speziell für das Startup, denn der Freigabeprozess sorgt bei ausländischen Investoren für Stirnrunzeln und der lange Prozess führt im schnelllebigen VC-Geschäft im schlechtesten Fall zu einem Rückzieher durch den Investor.“

FDI-Screenings: „Wir entkoppeln unsere Startups von wichtigem Kapital“

Bekannt ist bis heute, dass im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten des InvKG „rund 70 nationale Prüfverfahren“ durchgeführt wurden (Trending Topics berichtete). Im März 2022 war im Parlament von einem „sprunghaften Anstieg“ dieser Kontrollen die Rede. Durch die Ausweitung von Startup-Aktivitäten in immer mehr Feldern wie HealthTech, AI oder Energie bei gleichzeitiger Notwendigkeit, Investments aus dem Ausland holen zu müssen (ab Series A der Standard) ist mit einem weiteren Ansteigen dieser Prüfverfahren zu rechnen.

Denn angesichts der Bereiche, die bei Investitionen durch den österreichischen Staat kontrolliert und ggf. blockiert werden können, kann man sich heute fragen, welche Startups überhaupt noch nicht mehr als „kritisch“ einzustufen wären. Hier der Überblick, was unter das Investitionskontrollgesetz fällt. Denn welches Tech-Startup hat denn nicht am Ende mit „Datenverarbeitung oder -speicherung“ zu tun?

Besonders sensible Bereiche:

  • Verteidigungsgüter und -technologien
  • Betreiben kritischer Energieinfrastruktur
  • Betreiben kritischer digitaler Infrastruktur, insbesondere von 5G Infrastruktur
  • Wasser
  • Betreiben von Systemen, die die Datensouveränität der Republik Österreich gewährleisten
  • Forschung und Entwicklung in den Bereichen Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persönliche Schutzausrüstung

Kritische Infrastruktur:

  1. Energie
  2. Informationstechnik
  3. Verkehr und Transport
  4. Gesundheit
  5. Lebensmittel
  6. Telekommunikation
  7. Datenverarbeitung oder -speicherung
  8. Verteidigung
  9. verfassungsmäßige Einrichtungen
  10. Finanzen
  11. Forschungseinrichtungen
  12. Sozial- und Verteilungssysteme
  13. chemische Industrie
  14. Investitionen in Grundstücke und Immobilien, die für die Nutzung der unter 1.1. bis 1.13. genannten Infrastrukturen von entscheidender Bedeutung sind

Kritische Technologien und Güter mit doppeltem Verwendungszweck:

  • künstliche Intelligenz
  • Robotik
  • Halbleiter
  • Cybersicherheit
  • Verteidigungstechnologien
  • Quanten- und Nukleartechnologien
  • Nanotechnologien
  • Biotechnologien

Sicherheit der Versorgung mit kritischen Ressourcen, einschließlich

  • Energieversorgung
  • Rohstoffversorgung
  • Lebensmittelversorgung
  • Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen, Medizinprodukten und persönlicher Schutzausrüstung einschließlich Forschung und Entwicklung in diesen Bereichen
  • Zugang zu sensiblen Informationen, einschließlich personenbezogener Daten, oder die Fähigkeit, solche Informationen zu kontrollieren
  • Freiheit und Pluralität der Medien
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