IPCC: Die österreichische Perspektive auf den Weltklimareport
Als „Totenglocke für die fossilen Brennstoffe“, als „Weckruf“ und „Alarmsignal Rot“ wurde der aktuell veröffentlichte Bericht des UN-Weltklimarats (IPCC) bezeichnet. Die Schlüsselerkenntnisse aus diesem sind eindeutig und spätestens jetzt mit dem aktuell veröffentlichten Bericht auch unbestreitbar: 1. Die Erwärmung des Klimas ist auf den menschlichen Einfluss zurückzuführen, 2. Extreme Wetterereignisse stehen eindeutig in Zusammenhang mit der Klimakrise, 3. Die Erderwärmung schreitet schneller voran als bisher angenommen, 4. Keine Weltregion ist von den Folgen der Klimakrise ausgeschlossen und 5. Mit einer signifikanten Reduktion der ausgestoßenen Emissionen kann der Klimakrise noch entgegen gewirkt werden.
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Weckruf oder Stillstand
Für einige bekannte Gesichter des Klimaaktivismuses kamen diese Erkenntnisse wenig überraschend. So schrieb Greta Thunberg als Reaktion auf den Bericht auf Twitter und Instagram: „Der neue IPCC-Bericht enthält keine wirklichen Überraschungen. Er bestätigt, was wir schon aus Tausenden vorherigen Studien und Berichten wissen – dass wir uns in einem Notfall befinden.“ Der britische Premierminister Boris Johnson hofft hingegen, dass der aktuelle IPCC-Report ein „Weckruf für die Welt“ sei. Das hoffen auch die Mitgliedsländer der Alliance of Small Island States (Aosis), zu der unter anderem Kuba, Jamaika und die Malediven gehören. Nachdem diese unmittelbar von den Folgen der Klimakrise, wie dem steigenden Meeresspiegel und häufigeren Klimakrisen, betroffen sind, fordern diese die internationale Gemeinschaft in einer schriftlichen Reaktion zum Handeln auf.
Für die Vertreter:innen anderer Nationen bietet der Bericht hingegen wenig Anlass, an den eigenen Plänen etwas zu verändern. So haben sowohl China, als auch Australien bekannt gegeben, nichts an ihren bisherigen Klimaschutzplänen ändern zu wollen. China hat 2019 erstmals mehr CO2 ausgestoßen, als alle anderen Industriestaaten gemeinsam. Die Tendenz ist weiter steigend. Australien verzeichnet hingegen einen der vorderen Plätze beim größten CO2-Ausstoß pro Kopf weltweit und exportiert dazu riesige Mengen an Kohle.
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Österreichische Klimafolgen
Auch in Österreich sind als Reaktion auf den IPCC-Klimareport einige Forderungen laut geworden. Das ist auch kein Wunder, immerhin machen die Folgen der Klimakrise auch vor Österreich keinen Halt. So veröffentlichte die österreichische Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) anlässlich des IPCC-Reportes eine lokale Klimaprognose. Laut dieser hat die Temperatur in Österreich seit Beginn der Industrialisierung bereits um rund 2 Grad zugenommen. Bis 2100 könnte die Temperatur bereits mindestens 5 Grad höher sein, wenn es bei den aktuellen Emissionswerten bleibt. Weiterhin drohen in den nächsten Jahrzehnten immer größer werdende Schwankungen der Niederschlagsmengen im Alpenraum, wodurch die Gefahr von Dürren steigt. Das wiederum hätte auch Auswirkungen auf die Vegetation. Neben der drohenden Unterversorgung von Wasser, verlängert ein wärmeres Klima die Vegetationsperiode und die Pflanzen entnehmen über einen längeren Zeitraum Wasser aus den Böden, was wiederum den Bedarf nach mehr Wasser ansteigen lässt.
Natürlich hätte eine höhere Durchschnittstemperatur auch Auswirkungen auf die Schneefälle im Land. So haben die Tage mit einer Schneedecke in Wien, Innsbruck und Graz in den letzten rund 90 Jahren bereits jetzt um etwa 30 Prozent abgenommen, so die ZAMG. Wenn es bei den gleichen Mengen an Treibhausgasemissionen bleibt, prognostizieren die Meteorolog:innen daher, dass die Schneedeckendauer bis 2100 in Lagen unterhalb von etwa 400 Meter Seehöhe um rund 90 Prozent abnimmt und in Lagen um 1500 Meter Seehöhe um etwas mehr als 50 Prozent. In tieferen Lagen wird es hingegen mehr regnen.
Währenddessen könnte die Anzahl der Hitzetage, also Tage mit über 30 Grad, deutlich steigen und 2100 bei 40 Tagen durchschnittlich und 60 bis 80 Tagen in Rekordjahren liegen, so die Befürchtung der Forschenden. All diese Folgen könnten aber durch das Einhalten der Pariser Klimaziele deutlich reduziert werden, plädieren diese. Das ist auch eine der Kernaussagen der internationalen Forschungsgemeinschaft des IPCC.
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Österreichische Reaktionen zum IPCC-Weltklimareport
Aus der Regierung
Werner Kogler (Die Grünen), Vizekanzler
Für den österreichischen Vizekanzler braucht es jetzt ein Handeln. Ansonsten gebe man „das Heft aus der Hand“. Dadurch fürchtet er zahlreiche irreversible Konsequenzen, wie dem globalen Temperaturanstieg, einem steigenden Meeresspiegel und Extremwettern. Diese würden wiederum „dramatische soziale Folgen“ bedeuten, so Kogler.
Leonore Gewessler (Die Grünen), Ministerin für Klimaschutz und Umwelt
Die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Die Grünen) twitterte, dass die Ergebnisse des Reports deutlich machen, dass das Weitermachen wie bisher keine Option sei, jetzt gehandelt werden müsse und es dafür engagierte Klimapolitik bräuchte. Dabei verwies sie auf einige aktuelle Projekte in Österreich, wie das 1-2-3-Ticket, und der Notwendigkeit von klaren Klimazielen.
Staatssekretär Magnus Brunner
Der österreichische Staatssekretär Magnus Brunner fordert mehr Tempo, Taten und Maßnahmen für die Energiewende in einer entsprechenden Aussendung. Dafür brauche es laut Brunner schnellere Genehmigungsverfahren in Österreich. Außerdem brauche es zum Erreichen der österreichischen Klimaziele „Anreize anstatt Verbote“ und „Investitionen, Innovation und Zusammenarbeit.“
ÖVP, Bundespartei
Ähnlich äußert sich auch der ÖVP-Umweltsprecher Johannes Schmuckenschlager in einer Aussendung. Laut ihm hebe der Bericht des Weltklimarats die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen hervor. Die Partei sehe den Bericht daher als „Auftrag, Erneuerbare-Energie-Projekte umzusetzen und zu verwirklichen“. „Mit dem Beschluss des EAG – des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes – vor wenigen Wochen sind wir am richtigen Weg. Jetzt geht es um die rasche Umsetzung – wir brauchen keine Verzögerung von Verfahren“, so Schmuckenschlager.
Die Grünen, Bundespartei
In einer Redaktion der Grünen auf den Bericht, bezeichnet der Klimaschutzsprecher der Grünen und Vorsitzender des Umweltausschusses, Lukas Hammer die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen als historische Verantwortung um eine weitere Erhitzung und in der weiteren Folge eine „komplette Katastrophe“ zu verhindern. Er plädiert für die konsequente Einhaltung des Regierungsprogramms für das Ziel österreichische Klimaneutralität 2040 und für ein Lösen von der „steinzeitlichen Politik der fossilen Vergangenheit“.
Aus der Opposition
SPÖ, Bundespartei
Die SPÖ-Umweltsprecherin, Julia Herr macht in einer Aussendung auf den Bedarf von „branchenübergreifenden Lösungen statt Einzelmaßnahmen“ aufmerksam. Es brauche einen „gesamtheitlichen Fahrplan, der am sozialen Auge nicht blind ist“ um die Veränderungen bewirken zu können, so Herr. Sie fordert ein Klimaschutzgesetz, das gesetzliche Klimaziele definiert, ein gesetzliches Klimaziel für das aktuelle Jahr 2021, einen „Transformationsfonds“ in Höhe von 20 Milliarden Euro und kritisiert, dass es bisher keine konkrete Reduktionsziele für einzelne Branchen gebe. Außerdem macht sie darauf aufmerksam, dass „während international alle Alarmglocken schrillen“ sich Türkis und Grün einander wechselseitig seit Tagen ausrichten würden, wer jetzt realitätsfremder sei.
NEOS, Bundespartei
Der NEOS-Klima- und Umweltsprecher Michael Bernhard spricht sich ebenfalls für „ambitionierte und nachhaltige Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen in allen Sektoren“ aus und klaren Maßnahmen hierzulande, statt andere Länder zu kritisieren. Es sei unfassbar unverantwortlich, dass „weite Teile der österreichischen Politik die Dringlichkeit und Verantwortung nicht verstehen und so getan wird, als sei man nicht betroffen oder nicht imstande, etwas zu ändern“, so Bernhard. Als „wichtigen ersten Schritt“ fordert er eine „Ökologisierung des Steuersystems“, durch welche nicht nachhaltige Maßnahmen teuerer werden. Außerdem müssen umweltschädliche Subventionen abgeschafft werden, so Bernhard. Die Wirtschaft und gerade nachhaltige und innovative österreichische Unternehmen sollten hingegen in ihren Anstrengungen unterstützt werden, so Bernhard.
FPÖ, Bundespartei
„Der heute präsentierte Bericht des Weltklimarates ist eine Warnung. Panik und Hysterie sind aber in der Klimapolitik ein schlechter Ratgeber“, so FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch in einer schriftlichen Reaktion am Montag. Damit kritisiert er auch die Regierung. Rauch zufolge, brauche es Anreize und Hausverstand, statt Verbote und Belastungen für einen effektiven Umweltschutz. Als zwei Möglichkeiten dafür nennt er die Einführung einer Zweckbindung von NoVA und Mineralölsteuer und die Einführung eines Bundesreparaturbonus in Höhe von 1.000 Euro. Auch sollte der Meinung der Partei nach, die EU mehr Einfluss gegenüber klimaschädlichen Maßnahmen in Asien nehmen.
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Aus der Wirtschaft
Wirtschaftskammer Österreich (WKO)
Auch die WKO thematisiert in einer Aussendung die Dringlichkeit von raschen Maßnahmen im Energie-Sektor. Es brauche so rasch wie möglich die nötigen Investitionen und entsprechende Grundvoraussetzungen für den Ausbau von notwendigen Stromleitungen und Speichermöglichkeiten, so Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich. Außerdem benötige es der WKO zufolge raschere Genehmigungsverfahren, Technologieoffenheit und Anreize für klimaschonende Investitionen.
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Aus dem Klimaaktivismus und von Umweltschutzorganisationen
Fridays for Future Vienna
Auch für die Aktivist:innen der FFF-Bewegung macht der Bericht die Notwendigkeit eines sofortigen umfassenden Handelns in der Klimakrise deutlich. Schülerin und FFF-Aktivistin Ida Ploner: „Als Jugendliche macht mir der neue Bericht große Angst. Er prophezeit eine Zukunft, vor der man sich fürchten muss. Und trotzdem bleibt die Politik untätig. Mir wird immer klarer, dass wir noch viel lauter und wütender die Untätigkeit der Politik aufzeigen müssen, damit Österreich endlich auf Klimakurs kommt.” Laut ihr stehen insbesondere das Fehlen eines nationalen Klimaschutzgesetzes, das Fehlen einer Liste mit allen klimaschädlichen Subventionen und das „Vorantreiben“ von Autobahnprojekten im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Klimawissenschaft.
Global 2000
Auch die Umweltschutzorganisation Global 2000 bezeichnet den Bericht als „Weckruf an die Politik“. Laut Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000 brauche es einen österreichischen „Green Deal“, welcher ein Milliarden-Investitionspaket für ein klimafittes Österreich beinhalte, die Festlegung einer öko-sozialen Steuerreform und einen rechtlich verbindlichen Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle. Auch Global 2000 bemängelt das bisherige Fehlen einer Liste mit allen klimaschädlichen Subventionen.
WWF
Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich bezeichnet den IPCC-Bericht in einer schriftlichen Reaktion als einen “alarmierenden Notruf der Klimawissenschaft”. Von der Politik fordern sie einen „Klima-Rettungsplan mit ganzheitlichem Ansatz“ und das Österreich sich für eine Klimaneutralit der EU bis 2040 einsetze. Auch sie nennen die Einführung einer ökologisch und sozial gerechten Steuerreform, die Streichung umweltschädlicher Subventionen, eine Mobilitäts- und Ernährungswende, einen Schutz der Natur und den naturverträglichen Ausbau von Erneuerbaren Energien als unabdingbare Klimaschutzmaßnahmen.
Greenpeace
„Wir sehen die bereits heute verheerenden Auswirkungen der Klimakrise. Der Bericht warnt aber vor noch drastischeren Zukunftsszenarien“, so Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich in einer schriftlichen Meldung. Von der EU-Komission fordert Greenpeace daher, dass “’Fit-for-55′-Paket schleunigst in ein ‚Fit-for-65‘-Paket zu schnüren“, da es mindestens eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 65 Prozent brauche. Auf österreichischer Ebene schließen sie sich den Forderungen nach einem „umfassenden und ambitionierten Klimaschutzgesetz sowie einer sozial abgefederten ökosozialen Steuerreform“ an.