Krieg

Wie Israels Startup-Sektor trotz des Krieges weiter funktioniert

Soldat:innen der Israeli Defense Forces. © IDF
Soldat:innen der Israeli Defense Forces. © IDF
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Etwa drei Wochen nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober auf Israel hat die israelische Armee damit begonnen, mit Bodentruppen immer weiter in den Gazastreifen vorzudringen. Unter den Soldat:innen sind auch viele, die vor kurzem noch am Laptop in coolen Coworking Spaces an neuen Tech-Innovationen für ihre Startups gearbeitet haben. Die Israel Defense Forces (IDF) haben in Reaktion auf den Hamas-Angriff etwa 360.000 Reservist:innen mobilisiert und werden viele von ihnen in die Bodenoffensive führen.

„Wir schätzen, dass etwa 15 Prozent der Belegschaft von Startups zum Reservedienst eingezogen wurden“, sagt Dror Bin, CEO der Israel Innovation Authority, in einem Informationsgespräch zur Lage der „Startup-Nation Israel“. Nach dem Silicon Valley und New York ist Israel und insbesondere Tel Aviv der drittgrößte Hotspot für Startups weltweit, mit etwa 9.000 aktiven Jungfirmen in der Branche. Im Schnitt wurde nun etwa jedes sechste Startup-Team-Mitglied von der Armee eingezogen – während die Jungfirmen aber weiter Fundraising, Produktentwicklung und Kundenbetreuung machen müssen.

25 Mio. Dollar Hilfs-Fonds für den wichtigen Startup-Sektor

Israels Startups sind ein ganz wesentlicher Wirtschaftsfaktor. „Knapp 12 Prozent der israelischen Arbeitskräfte arbeiten in der israelischen Hochtechnologie, was etwa 18 % des BIP entspricht. Nur zum Vergleich: In den USA sind es etwa acht oder neun, in Europa sind es fünf oder sechs Prozent. Daraus können Sie die Bedeutung für die israelische Wirtschaft ablesen: 30 % der Einkommenssteuer und etwa 50 % der Exporte entfallen auf High-Tech-Güter und -Dienstleistungen“, so Dror Bin weiter. Schon bisher hätten es Startups nicht leicht gehabt, Fundraising und Kundengewinnung waren im aktuellen weltweiten wirtschaftlichen Abschwung schon schwierig. Nun kommt der neuerliche Krieg mit der Hamas dazu.

Der israelische Staat weiß um die Wichtigkeit des Startup-Sektors und hat deswegen innerhalb kürzester Zeit einen Hilfsfonds eingerichtet. „Viele der Unternehmen befanden sich mitten in einer Finanzierungsrunde. Seit der Krieg ausgebrochen ist, sind einige Investoren zögerlicher geworden. Einige Leute aus den Unternehmen selbst stehen weniger zur Verfügung, um sich um die Mittelbeschaffung zu kümmern. Wir wollen sicherstellen, dass kein gutes Unternehmen mit einer vielversprechenden Technologie und einem vielversprechenden Marktpotenzial wegen mangelnder Finanzierung untergeht“, so Bin weiter.

Deswegen hat seine Behörde einen neuen Bridge-Finanzierungsfonds namens „Fast Track“ mit 25 Millionen Dollar für die nächsten 90 Tage bereitgestellt, bei Bedarf sollen weitere Millionen dazukommen. Dieses Geld, so hofft man, soll doppelt oder mehr Privatinvestitionen hebeln. „Die Gesamtinvestition dürfte sich also auf 50 bis 75 Millionen Dollar belaufen“, sagt Bin.

Die Startup-Nation Israel zieht in den Krieg

„Israelische Hightech-Branche schneidet selbst während Konflikten besser ab als ihre Konkurrenten“

Wer die Israelis und insbesondere ihre Gründer:innen kennt, der weiß auch: Selbst der schreckliche Hamas-Angriff und die nun folgende Offensive der Streitkräfte wird sie nicht unterkriegen. „In den vergangenen 20 Jahren gab es einige Konflikte mit dem Gazastreifen, mit dem Libanon usw. Dabei hat die israelische Hightech-Branche ihre Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt und das Vertrauen der weltweiten Investorengemeinschaft und ihrer Kunden gewonnen. Und wir sehen, dass dies auch hier der Fall ist. Allerdings ist dies ein anderes Ereignis als die, die wir bisher erlebt haben“, sagt Avi Hasson, CEO von Startup Nation Central – einer Organisation, die sich um die Anliegen der israelischen Tech-Jungfirmen bemüht.

Es ist noch zu früh, um zu beurteilen, wie sich diese spezielle Kriegshandlung entfaltet, ob sie ausgeweitet wird oder nicht und so weiter. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch, dass die israelische Hightech-Branche selbst während des Konflikts besser abgeschnitten hat als ihre Konkurrenten, sich schneller erholte und einige der besten Unternehmen in Israel, die später an die Börse gingen oder übernommen wurden, im dritten und vierten Quartal 2014 gegründet wurden, während einer unserer früheren Konfliktrunden mit Gaza“, so Hasson weiter.

Internationale Unterstützung, vor allem aus dem Westen, gibt es für Israels Startups. Mehr als 75 Führungskräfte multinationaler Unternehmen haben Unterstützungserklärungen für Israel abgegeben, auch etwa 500 Risikokapitalfirmen und Investmenthäuser haben ähnliche Erklärungen abgegeben.

Investor: „Es ist weitgehend Business as usual“

„Es mag seltsam klingen, aber es ist weitgehend Business as usual. Ich sage das, weil Israel, wie bereits erwähnt, eine unglaublich widerstandsfähige und agile Gesellschaft ist. Wir bewegen uns schnell. Es ist nicht nur diese Startup-Kultur, diese Startup-Nation. Das gilt für alles, wie das Land funktioniert, besonders in Situationen wie dieser. Das ist sehr vorteilhaft. Als Land, als Wirtschaft, haben wir oft mit Widrigkeiten zu kämpfen gehabt“, sagt Adam Fisher, General Partner bei Bessemer Venture Partners. Bessemer ist seit 18 Jahren in Israel tätig, hat eigenen Angaben zufolge etwa anderthalb Milliarden Dollar in 60 bis 70 Startups investiert. Das aktuelle Portfolio umfasst etwa 40 Unternehmen.

Was Fisher im eigenen Portfolio sieht: „Es stimmt, dass der Krieg eine Ablenkung ist, aber die Arbeit selbst ist auch eine sehr positive Ablenkung. Viele Menschen haben sich wirklich in die Arbeit gestürzt, weil sie gebraucht werden. Wir haben vielleicht weniger Stunden am Tag zu arbeiten, aber es sind viel mehr produktive Stunden.“ Trotz des Krieges gebe es weiter Produkt-Launches. Und es gibt noch einen interessanten, finanziellen Faktor. „Seit Anfang des Jahres ist der Schekel gegenüber dem Dollar um etwa 20 % schwächer geworden. Das ist wichtig, denn während unsere Einnahmen in Dollar und Euro anfallen, werden unsere Gehälter und Mieten hier in Schekel bezahlt. Es ist also ein wenig ironisch, aber die Kosten der israelischen High-Tech-Unternehmen sinken“, verrät der Investor.

Gründerin: „Sicherstellen, dass die Unternehmen stark bleiben“

„Glaube ich, dass alles genau nach Plan läuft und wir alle Ziele für dieses Quartal erreichen werden? Nein, aber ich denke, dass es letztendlich kein großer Schlag sein wird. Und ich denke, wenn wir die Leute jetzt unterstützen, werden wir das im nächsten Quartal ausgleichen können. Wir müssen das also langfristig betrachten und nicht versuchen, kurzfristig zu gewinnen“, sagt Eynat Guez, Co-Founder und CEO von Papaya Global, einem auf Payrolls spezialisierten SaaS-Startup. „Und um ganz ehrlich zu sein, denke ich, dass jeder in der Tech-Industrie versteht, dass der größte Gewinn, den wir derzeit haben werden, darin besteht, sicherzustellen, dass die Unternehmen stark bleiben, dass wir die Geschäfte wie gewohnt weiterführen.“

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