Gastbeitrag

Jakob Detering vom Social Impact Award: „Möchte ungeschöpfte Potenziale ans Tageslicht bringen“

Jakob Deternig vom Social Impact Award. © SIA
Jakob Deternig vom Social Impact Award. © SIA
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Jakob Detering ist Direktor des Social Impact Award, einer global wachsenden Community für Social Entrepreneurship, die 2009 in Wien gegründet wurde. Der Social Impact Award organisiert Bildungs- und Inkubationsprogramme in mehr als 20 Ländern in Europa, Afrika und Asien, um angehende SozialunternehmerInnen bei der Entwicklung und Umsetzung innovativer Geschäftsideen zur Lösung zentraler gesellschaftlicher Herausforderungen zu unterstützen. In 2017 konnten so mehr als 6.000 junge Menschen in 250 Events und Workshops unterstützt werden. Die vielversprechendsten 170 Ventures wurden im Sommer inkubiert, die besten 55 anschließend mit dem Social Impact Award ausgezeichnet.

Jakobs Vision ist es, der Generation der unter 30-Jährigen die nötigen Werkzeuge mit auf den Weg zu geben, die sie brauchen, um frische Ideen zur Überwindung unserer diverses sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Probleme zu finden. Vor seiner jetzigen Tätigkeit für den Social Impact Award war er mehrere Jahre im Stiftungssektor aktiv. Er ist außerdem selbst Sozialunternehmer und leitete für fünf Jahre das rumänische Social Business SOMARO, das Sozialmärkte zur Reduktion von Lebensmittelabfällen und zur Unterstützung armutsgefährdeter Menschen in Rumänien betreibt.

Was treibt dich im Leben an?

Ein zentraler Antrieb ist für mich die Frage, wie wir all die ungeschöpften Potentiale, die in uns schlummern, ans Tageslicht bringen können. Ich hatte das große Glück, in meinem Leben schon sehr oft Momente erleben zu dürfen, in denen Menschen so ein Aha-Erlebnis hatten – eine Erfahrung oder Erkenntnis, die sie hat wachsen lassen. Es sind diese kleinen Ermutigungen, die wir brauchen, um Dinge neu denken zu können und ins Tun zu kommen. Mich treibt an, möglichst oft solche Momente zu erzeugen, sei es für mich persönlich oder für die Menschen für und mit denen ich arbeite.

Wie hast du die Welt der Social Entrepreneure für dich entdeckt?

Das ist eine ungewöhnliche Geschichte. Und zwar habe ich mich nach meinem Abitur in Deutschland entschlossen, meinen Zivildienst im Ausland zu leisten. Über viel Zufälle, die eine eigene Geschichte füllen könnten, bin ich schlussendlich in Rumänien gelandet und habe für zwölf Monate in Bukarest mit Straßenkindern gelebt und gearbeitet. All das Leid, aber auch und vor allem die Lebensfreude derer, mit denen es das Schicksal wirklich nicht gut meinte, waren eine sehr prägende Erfahrung für mich. So begeisterte ich mich für das Soziale. Das Unternehmerische kam dann tatsächlich durch den Social Impact Award dazu, den ich 2010 als Student selbst gewann. Da wurde ich quasi über Nacht zum Sozialunternehmer, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Du bist ja an führender Stelle unterwegs. Was reizt dich bei dieser Aufgabe?

Für mich persönlich ist das Gefühl der Selbstwirksamkeit entscheidend. Was kann ich mit meinem täglichen Tun konkret bewegen? Ich habe das große Privileg, mit unglaublich talentierten und passionieren Menschen überall auf der Welt zusammenarbeiten zu dürfen. Dieses internationale Team zu führen und dabei zu unterstützen, die nächste Generation von SozialunternehmerInnen mit dem nötigen Rüstzeug auszustatten – das ist jeden Morgen ein guter Grund, aus dem Bett zu kommen.

In deiner Tätigkeit bist du in verschiedensten Ländern unterwegs. Gibt es Unterschiede, die du spürst?

Kulturell sind die Unterschiede natürlich enorm. Das merken wir ganz besonders in unserer Didaktik, zum Beispiel, wenn wir neue Workshop-Formate entwickeln. In Russland erwarten sich unsere TeilnehmerInnen sehr klare Handlungsanweisungen und Richtlinien durch unsere Workshop-Leiter. Wenn wir mit demselben Ansatz, sagen wir, in Tunesien arbeiten würden, würde das nicht funktionieren. Dort kannst du die jungen Menschen nur mit Gemeinschaftsgefühl und durch die praktische Erfahrung begeistern. Auf der anderen Seite sind die einzelnen Menschen über all die Kulturen hinweg wiederum überraschend ähnlich gestrickt. Wir hatten neulich unser jährliches Summit in Belgrad, wo all unsere 55 Gewinnerteams aus diesem Jahr zusammenkamen. Die merken schnell, dass sie sich alle im Grunde doch sehr ähnlich sind – gleiche Ängste haben, gleiche Sehnsüchte. Und schon sind alle kulturellen Unterschiede nebensächlich und der einzelne Mensch steht im Mittelpunkt.

Was sind die größten Herausforderungen mit denen du konfrontiert wirst?

Das Kernanliegen des Social Impact Award selbst, also die Potentialentfaltung von jungen Menschen, ist selbstredend eine ständige und wirklich komplexe Herausforderungen. Da lernen wir als Organisation und ich persönlich jeden Tag dazu. Ansonsten ist die Finanzierung unserer Tätigkeiten natürlich eine zentrale Herausforderung. Es ist uns wichtig, unsere Angebote – egal ob Beratung, Inkubation, Workshops oder Events – für junge Menschen kostenlos anbieten zu können. Deshalb finanzieren wir uns zu 100% aus Sponsorings und Förderungen. Wir haben zahlreiche großartige Partner, die uns im In- und Ausland fördern und ich bin für diese Unterstützung sehr dankbar. Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass unsere Tätigkeit bei Stiftungen, Unternehmen und öffentlichen Institutionen noch mehr Beachtung findet. Als Innovationslabor für zentrale gesellschaftliche Anliegen füllen wir für Wirtschaft und Politik eine wichtige Funktion aus. Nur mit Leidenschaft und Schweiß lässt sich das nicht stemmen.

Welche Rolle spielt das Impact Hub bei Deiner Aufgabe?

Das Impact Hub spielt in zweierlei Hinsicht eine entscheidende Rolle. Zum einen fungiert das Impact Hub Vienna seit 2013 als „Host“ des Social Impact Award und hat es insbesondere in Phasen, in denen die Finanzierung schwierig war, großartig unterstützt und zu dem gemacht, was es heute ist. Zum anderen arbeiten wir in vielen Ländern, in denen wir aktiv sind, mit den lokalen Impact Hubs zusammen – von Genf bis Tiflis, von Athen bis Prag. Neben dem Impact Hub möchte ich außerdem die WU Wien hervorheben, auf der der Social Impact Award 2009 von Peter Vandor gegründet wurde und die noch heute als akademischer Partner, beispielsweise bei unserer Wirkungsmessung, ein entscheidender Unterstützer ist.

Wie gelingt es Dir so verschiedene Länder, so verschiedenen Menschen, so verschiedene Ideen miteinander zu verknüpfen?

Wie gesagt, die Ideen und Menschen sind gar nicht so unterschiedlich, wie man glauben mag. Die Länder und ihre diversen Mentalitäten natürlich schon. Bei uns im Social Impact Award Team, das global verteilt ist, habe ich in den vergangenen Jahren auf zwei Dinge großen Wert gelegt: Zum einen die Schaffung klarer Strukturen. Das beginnt mit der Entwicklung und Vermittlung einer gemeinsamen Vision und setzt sich zum Beispiel mit der Kodifizierung unseres Curriculums fort. Zum anderen ging es mir vor allem darum, dass jedes Teammitglied des Social Impact Awards sich in dieser Vision und in diesem Tun auch wieder findet und so ein Gemeinschaftsgefühl entsteht. Das ist entscheidend, wenn man Berge versetzen und wirklich Veränderung voranbringen will. Im Grunde gelten sehr ähnliche Prinzipien auch für die SozialunternehmerInnen, die wir fördern: Wenn man klare Strukturen mit emotionalem Leben füllt, wird Diversität zu einer unglaublich innovativen und kreativen Kraft.

Gibt´s von Dir geheime Projekte die irgendwo in einer Schublade versteckt sind?

Für die Arbeit am Social Impact Award? Dutzende! Für eigene sozialunternehmerische Projekte? Nicht wirklich. Es gibt vage Ideen, auch was ein Berufsleben in anderen Sektoren betrifft. Aber ich habe für mich persönlich noch nie langfristige Pläne geschmiedet. Die Gegenwart ist auch viel zu spannend, um Träumen der Zukunft nachzuhängen.

Hast Du einen Wunsch?

Ich hab nur einen Wunsch frei? Schwierig, dann muss ich den Wunsch, dass Deutschland nächsten Sommer wieder Fußball-Weltmeister wird, wohl hinten anstellen. (lacht) Aber im Ernst: Was ich mir wirklich von Herzen wünschen würde, ist ein stärkerer und tiefgründigerer Dialog über die verschiedenen Silos unserer Gesellschaft hinweg. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen – politisch, ökonomisch, ökologisch, sozial und kulturell – können wir nur überwinden, wenn wir aufhören, in unserem eigenen Saft zu schmoren und ins Gespräch mit Menschen kommen, die nicht in unserer Facebook-Timeline aufscheinen oder die uns im Büro nicht gegenüber sitzen.

Ist Österreich ein Startup-freundliches Land?

Bei der Frage denkt man natürlich zuerst an politische Forderungen, von denen auch ich einige hätte. Aber ich finde es ein bisschen zu einfach, für alles, was noch nicht so klappt, die Politik zu verantworten. Zuallererst sind wir es als SozialunternehmerInnen selbst, die wirkungsvolle und nachhaltige Ventures aufziehen müssen, um Forderungen gegenüber anderen zu legitimieren. Wir sind hier auf einem guten Weg, es gibt immer mehr Erfolgsbeispiele, aber wir müssen noch besser darin werden, die volkswirtschaftlichen Vorzüge von Social Entrepreneurship zu verdeutlichen. Und wenn ich die Situation in Österreich mit den allermeisten Ländern, in denen wir mit dem Social Impact Award aktiv sind, vergleiche, sind wir hier trotz aller Verbesserungsmöglichkeiten wirklich in einer komfortablen Situation. Ich war kürzlich in Rwanda und Uganda unterwegs, um dort den Social Impact Award aufzubauen. Dort bauen junge Menschen Sozialunternehmen unter den widrigsten Umständen auf und sind damit sehr erfolgreich. Das sollten wir in der österreichischen Diskussion nie vergessen.

Was braucht es insgesamt an Unterstützung für vielfältiges Unternehmertum?

Vielfalt entsteht durch Dialog. Wenn wir es schaffen, die Mauern zwischen den vielen Silos langsam abzubauen, dann würde das dem unternehmerischen Spirit Österreichs sehr gut tun. Ein konkretes Beispiel: Ich hatte neulich ein langes Gespräch mit Philipp Stangl, Managing Director von Pioneers Venture, und wir waren uns beide einig, dass es geradezu absurd ist, wie wenig die „klassische“ Startup-Szene und die Social-Entrepreneurship-Szene in Österreich miteinander verbunden sind. Abgesehen von sporadischen Berührungspunkten sind das quasi zwei verschiedene Welten. Dabei eint uns bei genauerem Hinsehen extrem viel, gerade in Bereichen wie Health, Edutech oder Greentech.

Was würde der Welt abgehen, wenn es dich nicht geben würde?

Ein fanatischer Fußballfan, ein Menschenfreund, ein Reisender, und einer, der das Leben sehr zu schätzen weiß, ohne zu vergessen, dass sich die Welt auch ohne ihn weiterdrehen wird.

Wer baut dich auf, wenn es einmal nicht so klappt?

Meine Freunde. Ich habe wenige wirklich enge Freunde, die sind dafür umso mehr für mich da, wenn ich sie brauche. Meine Dankbarkeit dafür ist unermesslich.

Was sagen eigentlich deine Freunde, dein Umfeld, deine Familie zu diesem Engagement?

Tendenziell finden die das gut. Sie sehen, dass mir die Arbeit Freude bereitet und dass ich etwas bewegen kann. Auf der anderen Seite ist der Job auch sehr fordernd und so bleibt wenig Zeit für Freunde und Familie. Das schmerzt oft, aber in der aktuellen Lebensphase ist es eine bewusste Entscheidung von mir, viel Energie ins Berufliche zu stecken. Das wird sich wieder ändern.

Hast Du für unsere LeserInnen eine Buchempfehlung, einen Web-Tipp, einen Tipp für einen inspirierenden Platz, …?

Ich ziehe viel Inspiration aus der Lektüre von Biographien. Es gibt so unglaubliche Lebensgeschichten, die zeigen, wie vielfältig das Leben sein kann. Die beste Biographie, die ich je gelesen habe, ist die Autobiographie von Nelsen Mandela, „Der lange Weg zur Freiheit“. Einen bestimmten Ort für Inspiration hab ich nicht, aber wir sollten alle mehr vor die Tür gehen. Ein Spaziergang ist die beste Inspirationsquelle!

Way to Passion“ ist ein Projekt von Reinhard Herok und Thomas Peham. Ihr Ziel ist es, mit Interviews aufzuzeigen, wie leidenschaftliche Menschen einen Beitrag für eine bessere Welt leisten können. „Way to Passion“ stellt TrendingTopics.at ausgewählte Inhalte zur Zweitveröffentlichung zur Verfügung, vielen Dank dafür!

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