Jan Koum: WhatsApp-Gründer verlässt Facebook wegen Streit um Umgang mit Nutzerdaten
Immer wieder hat er beteuert, dass WhatsApp möglichst unabhängig von Facebook bleiben wird und die aktuell rund 1,5 Milliarden Nutzer keine Werbung in der Messaging-App zu sehen bekommen werden. Doch einen Tag vor der großen Facebook-Konferenz F8 hat WhatsApp-Mitgründer Jan Koum sich zurückgezogen und legt seine Funktionen sowohl bei der Facebook-Tochter (WhatsApp wurde 2014 um 19 Milliarden Dollar übernommen) als auch im Vorstand von Facebook zurück.
Im offiziellen Posting von Koum auf Facebook und in einer Antwort von Mark Zuckerberg ist über die Gründe des Austritts nichts zu erfahren. Der 42-jährige WhatsApp-Gründer schreibt, dass es eine „amazing journey“ gewesen sein und er sich jetzt auf „collecting rare air-cooled Porsches, working on my cars and playing ultimate frisbee“ fokussieren wolle. Zuckerberg schrieb, dass Verschlüsselung, wie er es von Koum gelernt hätte, immer im Zentrum von WhatsApp bleiben würde. Koum, der in der Ukraine geboren wurde und in der UDSSR aufwuchs, wird jedoch ab sofort keinen Einfluss mehr darauf haben, wie die Messaging-App, die er gemeinsam mit Brian Acton im Silicon Valley gründete, sich weiter entwickelt.
Streit über Nutzerdaten
Hinter den Kulissen dürfte es zwischen Koum und dem Facebook-Management zum Streit darüber gekommen sein, wie mit den Nutzerdaten umgegangen wird. Die Washington Post berichtet, dass es in mehreren Punkten zu Uneinigkeiten über die Business-Strategie von WhatsApp gekommen sei. So will dem Bericht zufolge das Facebook-Management etwa die Verschlüsselung der Nachrichten für „WhatsApp Business“ aufweichen. Das würde es erlauben, dass Machine-Learning-Technologien die Messages mitlesen, um automatisierte Antworten bereitstellen zu können. Auch wegen einem Mobile-Payments-System für Nutzer in Indien soll es zu Streitereien gekommen sein.
Dass Koum kurz nach dem Cambridge-Analytica-Skandal und vor der F8-Konferenz aus dem Unternehmen austritt, zeigt, dass er mit der weiteren Entwicklung von WhatsApp nichts zu tun haben will. Er wolle sich nun Dingen widmen, die nichts mit Technologie zu tun haben. Sein ehemaliger Mitgründer Acton, der sich 2016 von Facebook verabschiedete, ist da viel aktiver. Er trug wesentlich zur „#DeleteFacebook“-Welle mit einem Tweet bei und spendete außerdem 50 Millionen Dollar an die Signal Foundation. Deren Macher – ein Team rund um Verschlüsselungs-Experte Moxie Marlinspike – wiederum haben ein Verschlüsselungs-Protokoll für Messaging-Apps entwickelt, das bei WhatsApp zum Einsatz kommt.
„No Games, No Ads, No Gimmicks“?
Koum und Acton wollten ihre Messaging-App immer unter dem Mantra „No Games, No Ads, No Gimmicks“ weiter entwickeln. Privatsphäre und Datenschutz war den beiden, die sich bei Yahoo kennen lernten, immer ein hohes Anliegen. Nach der Übernahme durch den Werberiesen Facebook kamen in den Medien und bei Nutzern erhebliche Zweifel auf, ob das so weiterhin bleiben würde. Koum schrieb damals:
„Ich wurde in der Ukraine geboren und bin in der USSR der 1980er aufgewachsen. Eine meiner stärksten Erinnerungen aus dieser Zeit ist ein Satz, den ich regelmässig von meiner Mutter gehört habe, wenn sie mit jemandem am telefonieren war: „Das ist keine Unterhaltung für das Telefon, ich erzähle dir das, wenn wir uns sehen.“ Die Tatsache, dass wir nicht frei sprechen konnten, ohne davor Angst zu haben, dass unsere Kommunikation vom KGB belauscht wird, ist einer der Gründe, warum wir in die USA ausgewandert sind, als ich ein Teenager war.
[…]
Du musst uns weder deinen Namen nennen, noch brauchen wir deine E-Mail-Adresse. Wir kennen deinen Geburtstag nicht. Wir kennen deine Adresse nicht. Wir wissen nicht, wo du arbeitest. Wir wissen nicht, was du magst oder, was du im Internet suchst. Wir sammeln auch keine GPS-Daten von dir. Keine dieser Daten wurden jemals gesammelt und bei WhatsApp gespeichert und wir haben auch keine Pläne, das zu ändern.“
Doch er musste offenbar immer wieder einlenken. Facebook führte eine Funktion ein, mit der Werbetreibende Handynummern zwischen Facebook- und WhatsApp-Profilen abgleichen konnten. „Indem deine Telefonnummer mit den Facebook-Systemen verbunden wird, kann Facebook dir besser Freunde vorschlagen und dir passendere Werbung anzeigen, falls du einen Account dort haben solltest“, hieß es seitens WhatsApp. „Du könntest z. B. Werbung von einem Unternehmen sehen, mit dem du bereits in Kontakt standest, anstatt eines vorgeschlagen zu bekommen, von dem du noch nie gehört hast.“ (Trending Topics berichtete)
EU strafte Facebook bereits ab
Diese Zusammenführung von Nutzerdaten brachte wiederum die EU-Kommission auf den Plan, die Facebook zu einer Strafe von 110 Millionen Euro wegen „irreführender Angaben“ bei WhatsApp-Übernahme verdonnerte. Das Social Network gab bei dem Deal 2014 an, dass es technisch nicht möglich sei, Accounts zusammen zu führen – einige Zeit später wurde es dann doch gemacht (Trending Topics berichtete).
Dass Facebook mit WhatsApp Geld verdienen möchte, ist klar. Als man die kleine Firma 2014 um 19 Milliarden Dollar kaufte, machte diese gerade einmal 20 Millionen Dollar Umsatz. Seither wird die App nicht wirklich monetarisiert, seit Anfang 2016 ist sie sogar komplett kostenlos (zuvor 99 Cent pro Jahr, Trending Topics berichtete). Ziel war seither, von Unternehmen, die mit Kunden via WhatsApp kommunizieren wollen, Geld zu verlangen – eingeführt wurde das bisher noch nicht. Währenddessen wurden Werbeanzeigen in der Schwester-App von WhatsApp, Messenger, eingeführt (Trending Topics berichtete).
Spannend wird, was Facebook heute Abend auf der F8-Konferenz präsentieren wird. Gerüchten und dem Zeitplan des Events zufolge sollen VR und AR Schwerpunkthemen sein.