Japan: Radioaktiv belastetes Fukushima-Kühlwasser wird in Pazifik gepumpt
Gestern wurde bekannt, dass die japanische Regierung ab diesen Donnerstag schrittweise 1,3 Milliarden Liter radioaktiv kontaminiertes Kühlwasser aus dem AKW Fukushima Daiichi in den Pazifik ablassen wird. Die japanische Regierung hat bereits Anfang des Jahres angekündigt, „noch in diesem Jahr“ mit der Wasserfreigabe beginnen zu wollen. Nun ist es so weit. Nicht nur NGOs kritisieren diese Entscheidung lauthals, sondern auch Japans Nachbarländer.
Kühlwasser enthält Tritium und hochkrebserregende Radionuklide
Die meisten werden sich bestimmt daran erinnern: Durch das Erdbeben und den Tsunami im März 2011 kollabierten mehrere Kühlsysteme im japanischen Atomkraftwerk Fukushima. Es kam es in vier der sechs Reaktoren zu Super-GAUs. Seitdem wird kontinuierlich Wasser zur Notkühlung der geschmolzenen Reaktorkerne und Brennelemente in die Ruinen gepumpt.
Es handelt sich dabei um rund 1,34 Millionen Tonnen Wasser, das entspricht mehr als 500 olympischen Schwimmbecken. Das in über tausend Tanks gelagerte Kühlwasser soll deutlich von den gesetzlichen Grenzwerten abweichen. Sogar nach der fehleranfälligen Filterung durch das „Advanced Liquid Processing System“ (ALPS) soll das Kühlwasser, laut NGOs wie Global 2000, nicht nur Tritium, sondern auch hochkrebserregende langlebige Radionuklide wie Strontium und Cäsium enthalten, die bis zu 19.909-fach über den erlaubten Werten liegen.
Global 2000: TEPCO und japanischen Regierung „verharmlosen und vertuschen“
Trotz Widerständen von Fischer:innen, Umweltorganisationen und benachbarten Ländern gab die japanische Regierung schon im Jahr 2021 grünes Licht für den Ende August geplanten Einleitungsprozess gereinigten Kühlwassers ins Meer. Hierfür wurde eine Infrastruktur aus Pumpen und Tunneln errichtet, die etwa einen Kilometer vor der Küste endet und das Wasser im offenen Ozean verteilt.
Hinter dem Ganzen Plan steckt übrigens der Anlagenbetreiber TEPCO. Er gab an, dass der Platz angesichts der mittlerweile rund 1.000 vollen Stahltanks knapp geworden sei und nun schrittweise damit begonnen werden müsse, das Wasser über ein ein Kilometer langes Unterwasserrohr in den Pazifik abzuleiten.
„Jede Freisetzung von Radioaktivität in die Umwelt hat negative Auswirkungen auf Flora, Fauna und Menschen, wie die wissenschaftliche Gemeinschaft in den letzten Jahrzehnten vielfach bestätigt hat“, meint Reinhard Uhrig, Anti-Atom-Sprecher von Global 2000, dazu. Er fügt hinzu: „Das Ablassen von über einer Milliarde Liter radioaktivem Kühlwasser in den Pazifik hat natürlich negative Folgen, die vom Betreiberkonzern TEPCO und der japanischen Regierung verharmlost und vertuscht werden.“
Japan soll internationalen Standards nicht folgen
Die japanische Regierung hätte gemäß internationaler Standards dem Betreiberkonzern eine grenzüberschreitende Umweltprüfung (UVP) nach UN-Espoo- und Aarhus-Konvention durchführen müssen. Diese erfordert eine detaillierte Folgenabschätzung, die von Expert:innen und der Zivilgesellschaft analysiert und korrigiert werden kann.
Japan hat diese UN-Konventionen nicht unterzeichnet und folgt dem international vorgesehenen Vorgaben dementsprechend nicht. Die japanische Regierung kündigte den Plan zur Einleitung des Wassers im April 2021 an und wollte erst auf Druck von Nachbarstaaten eine Folgenabschätzung von TEPCO, die sieben Monate später veröffentlicht wurde. Diese von Fachleuten kritisierte Abschätzung gilt als „unzureichend, verzögert und zu optimistisch“.
Aber: Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) gab dem Vorhaben letzten Monat dennoch grünes Licht und erklärte, dass die Auswirkungen der Wasserfreisetzung auf Mensch und Umwelt „vernachlässigbar“ seien.
China, Hongkong und Südkorea besorgt
Trotz dieser Zusicherung löste die Aussicht, dass mehr als eine Million Tonnen Wasser aus dem Kernkraftwerk der Tokyo Electric Power Company in den Pazifik gepumpt werden, in Südkorea und China Alarm aus. Japan verbrachte dementsprechend die letzten Monate damit, die öffentliche Meinung im In- und Ausland für sich zu gewinnen, angefangen bei Livestreaming von Fischen, die im aufbereiteten Wasser leben, bis hin zu Bemühungen, „Online-Desinformation“ entgegenzuwirken.
China, ein bedeutender Absatzmarkt für japanische Meeresfrüchte, hat die Einfuhr von Produkten aus mittlerweile zehn japanischen Präfekturen untersagt und verschärfte Kontrollen für Importe aus anderen Nationen eingeführt. Diese gründlichen Überprüfungen sollen zu einem Rückgang von 30 Prozent bei den japanischen Meeresfrüchteimporten nach China geführt haben. Gleichzeitig drohte auch Hongkong, ein bedeutendes Ziel für japanische Meeresfrüchteexporte, mit möglichen Beschränkungen.
Auch Südkorea gibt es nach wie vor erhebliche öffentliche Bedenken. Fischereiverbände gehören zu den lautstärksten Gegnern des umstrittenen Plans. „Unsere Industrie ist auf dem besten Weg, vernichtenden Schaden zu erleiden, allein aufgrund der Besorgnis der Menschen über eine mögliche radioaktive Kontamination von Meeresprodukten“, so eine Koalition aus 25 Fischereiorganisationen letzten Monat in einem schriftlichen Protest an die japanische Botschaft.