Web Summit

Jimmy Wales: „Bin froh, dass ChatGPT Wikipedia liest und nicht nur Elon Musks Twitter“

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales. © Piaras Ó Mídheach/Web Summit via Sportsfile (CC BY 2.0 DEED)
Wikipedia Founder Jimmy Wales. © Piaras Ó Mídheach/Web Summit via Sportsfile (CC BY 2.0 DEED)
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„ChatGPT ist eine tolle Sache, um damit zu spielen und so weiter. Aber wenn man anfängt, es wirklich zu benutzen, stellt man fest, dass das, was zunächst fantastisch erscheint, ziemlich schlecht ist.“ Wikipedia-Gründer Jimmy Wales ließ im Rahmen eines Eröffnungsgesprächs am Web Summit in Lissabon kaum ein gutes Haar an ChatGPT und dem aktuellen Trend zu generativer AI. Wales gilt als eine der wichtigsten Stimmen im Netz zu den Themen Open Source und verlässliche Informationen – und muss sich wieder jede:r andere heute auch mit dem Boom der generativen Künstlichen Intelligenz beschäftigen.

Am Web Summit trifft sich diese Woche die – vorwiegend europäische – Tech-Branche mit tausenden Gründer:innen und hunderten Investor:innen. Das dominierende Thema: AI. Wales als gewichtige Stimme des offenen Internet spricht aus, was sich viele mitten in dem Hype denken: „Man bekommt viel zu oft plausibel klingenden Blödsinn zu hören. Das ist mit GPT-4 zwar besser geworden. Und ich denke, es wird weiter besser werden. Aber ich glaube, wir sind immer noch weit davon entfernt, dass ChatGPT eine verlässliche Quelle ist“, sagte Wales. Viele Startup-Gründer:innen am Web Summit bauen ihre digitalen Produkte derzeit auf den APIs von ChatGPT-Macher OpenAI auf – und setzen sich damit auch der Gefahr aus, dass über diese APIs falsche Informationen in ihre Produkte gelangen.

Eines der Grundprobleme der GPT-Modelle sieht Wales in den Daten, mit denen es trainiert wurde. „Für bestimmte Dinge, wie das Lesen von Reddit und Twitter, ist es wirklich gut, um zu lernen, wie die Leute sich unterhalten und so weiter. Aber wenn man wirklich Fakten erfahren will, ist es problematisch“, so Wales. Auch die Wikipedia wurde für das Training von ChatGPT und Co herangezogen, prinzipiell kein Problem für Wales.

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„Google hat versucht, ethisch und vorsichtig zu sein“

„Die gesamte Philosophie von Wikipedia stammt aus der Welt der freien Software und des Open-Source-Ethos. Alles in Wikipedia ist frei lizenziert. Sie können es kopieren, verändern, modifizierte Versionen weitergeben, kommerziell oder nicht kommerziell. Und wir sind wirklich glücklich und stolz darauf. Bei großen Sprachmodellen bin ich ziemlich froh, dass sie Wikipedia lesen und nicht nur Elon Musks Twitter. Das ist nicht wirklich eine gute Quelle der Wahrheit“, so Wales mit einem Seitenhieb auf den Inhaber der Social-Media-Plattform X/Twitter. Von dessen eigenem AI-Chatbot Grok, der kürzlich gelauncht wurde, will Wales übrigens noch nichts gehört haben.

Dass der Aufstieg von OpenAI mit Microsoft im Rücken ein großes Problem für Google ist, sieht Wales auch. Freunde bei Google hätten ihm schon vor fünf Jahren erzählt, dass generative AI eine große Sache werden würde, aber dann sei eben Google als Vorreiter bei Künstlicher Intelligenz zwischenzeitlich von OpenAI mit der Veröffentlichung von ChatGPT in den Schatten gestellt worden. „Ich glaube, sie haben versucht, ethisch und vorsichtig zu sein, und ich glaube, das war die richtige Antwort, aber plötzlich, wenn es erst einmal draußen ist, bedeutet das nicht, dass die Leute einen Freibrief haben, unethisch zu sein, aber es bedeutet, dass sie sich ein bisschen schneller bewegen müssen“, so Wales. „Man kann nicht sagen, oh, wir werden 10 Jahre darüber nachdenken. Die Konkurrenz ist schon da und erfolgreich, und so denke ich, dass wir eine Menge schneller Verbesserungen sehen werden und eine Menge Probleme daraus entstehen werden.“

„Neue Technologien führten immer zu Panikmache“

Für Wikipedia selbst sieht Wales auch Einsatzmöglichkeiten für generative AI. Zwar nicht für das Schreiben von Artikeln (das sollen weiter zehntausende freiwillige Wikipedianer:innen machen), aber um bestehende Artikel zu ergänzen. Eine AI könnte Quellen finden, in denen Informationen stehen, die in einem Wikipedia-Eintrag ergänzt werden sollten. „Ich könnte die KI bitten, mir einige Aussagen zu suchen, die in diesen 10 Artikeln stehen, die in diesem Wikipedia-Eintrag stehen sollten, aber bisher nicht stehen. Und ich glaube, das kann sie ziemlich gut. Und wenn sie nur zu 70 % richtig liegt, kann das immer noch ein Produktivitätsschub sein“, so Wales.

Dass es derzeit so viel Aufregung um ChatGPT gibt, liegt im Wesen des Internet begründet, glaubt Wales. „Eines der Dinge, die wir immer und immer wieder beobachten, ist, dass eine neue Technologie auf den Markt kommt und es zu einer Art leichtfertiger Panikmache kommen kann. Ich erinnere mich an die Anfänge von eBay, als es hieß: Oh nein, jemand verkauft eine Waffe bei eBay. Oh nein, da verkauft jemand sein Baby auf eBay“, so Wales. „Nach einer Weile haben wir dann herausgefunden, dass man bei eBay einstellen kann, was man will, aber die Leute wurden angezeigt. Es ist eigentlich nicht so aufregend. Niemand hat je die Seele seines Babys bei eBay verkauft.“

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