Johannes Mansbart von chatarmin: Venture Capital ist ein „Sucker’s Game“
Bootstrapping: Eine Finanzierungsform, vor der viele Startups zurückschrecken. Hier müssen sich Jungfirmen komplett ohne Fremdfinanzierung durchschlagen. Soll heißen: Keine Investor:innen, keine Förderungen, das Geld kommt nur aus dem operativen Geschäft. Ein gewagter Schritt, den nur wenige Startups in Österreich machen wollen. Doch diejenigen, die sich dazu entscheiden und damit Erfolg haben, schwören Stein und Bein auf das Bootstrapping. Einer von ihnen ist Johannes Mansbart, Gründer von chatarmin. Der Founder sieht die Venture Capital-Szene sogar als „Sucker’s Game“.
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„Viele sind mit Investor:innen nicht glücklich“
„Sucker“ ist ein englischer Ausdruck, die Personen beschreibt, die leichtgläubig und naiv sind und sich leicht in die Irre lassen. „Sucker“ fallen schnell auf Tricks und Betrügereien herein. Ganz schön harte Worte also, die Johannes Mansbart für ein Finanzierungsmodell hat, das ein Schlüsselelement im Aufstieg der Startup-Szene ist. Doch Mansbart hält seine Kritik am Wagniskapitalmodell für fair. Ihm zufolge ist das VC-Feld eine Brutstätte für Unehrlichkeit und hält Startups außerdem eher zurück als dass es ihnen hilft.
„Investor:innen wollen Wachstum um des Wachstums willen sehen. Venture Capital ist in meiner Erfahrung ohnehin keine gute Investmentklasse. Deswegen leiten Investor:innen nur einen kleinen Teil ihrer Anlagen an Startups weiter. Doch die Erwartungshaltung der Geldgeber:innen bedeuten, dass Startups oft Zahlen vorlegen müssen, die geschönt oder einfach nicht richtig sind. Aber auch Investor:innen sind oft sehr unehrlich. Viele Gründer:innen, die ich kenne, nicht glücklich mit ihren Investor:innen, denn durch sie entstehen Abhängigkeiten und Druck. Deswegen ist es uns lieber, keine VCs im Nacken zu haben“, erklärt Mansbart. Sein Startup chatarmin setzt lieber auf Bootstrapping.
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Bootstrapping-Startups sind in der Minderheit
Das Wiener Jungunternehmen bietet ein WhatsApp-Marketing-Tool für Unternehmen an. Für viele Firmen außerhalb der EU ist es heute bereits üblich, die Anwendung als Tool zur Kommunikation mit Kund:innen zu nutzen. Doch in der EU ist das noch weniger verbreitet, vor allem aufgrund der datenschutzrechtlichen Regulierungen. chatarmin dagegen verspricht, komplett DSGVO-konform zu sein. Das im Jahr 2022 gestartete Jungunternehmen, das nach Mansbarts Cofounder Armin Daryabegi benannt ist, hat in den ersten zwölf Monaten einen Umsatz in Höhe von 100.000 Euro gemacht. Zu den Kunden zählen beispielsweise Neoh, Froots oder Waterdrop.
Mansbart ist sich im Klaren, dass er mit seinem Bootstrapping-Modell in der Minderheit ist. „Wir wollten immer unabhängig sein. Wir sind keine WU Executive Academy-MBAs, die drei Jahre Consultancy bei Deloitte machen und dann ‚managen‘ wollen. Es geht uns nicht darum, zu verwalten und Powerpoint-Präsentationen für Investor:innen zu machen, wir wollen machen und gestalten. Wenn es hart auf hart kommt, trinken wir halt drei Jahre lang nur Wasser und essen Brot, ohne Revenue zu machen. Die meisten Founder könnten das niemals durchstehen“, meint der chatarmin-Gründer.
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VCs wollen oft nur „Narzissmus ausleben“
Für Mansbart sind viele Investoren nur „alte Herren im Anzug, die in Startups einsteigen, um dort ihren Narzissmus ausleben zu können.“ Jedoch verdammt Mansbart nicht alle Venture Capitalists, es gebe auch welche, die viel Wert in Unternehmen mitbringen können. Konkret nennt er beispielsweise Günther Helm, den ehemaligen Hofer-Chef, oder Unimarkt-Chef Andreas Haider als solche seltenen Exemplare. Er ist auch dem Konzept einer Finanzierung nicht völlig abgeneigt, doch hier müsste alles perfekt zusammenpassen.
Eine weitere Kritik richtet Mansbart auch an die Art, wie in Österreich über Startups berichtet wird. „Man hört in den Medien immer nur über die Erfolgsstorys oder die Konkurse, aber nie über alles, was dazwischen liegt. Doch genau findet der Großteil der Startup-Szene statt, und genau das ist das Suckers‘ Game“, so der Gründer.
chatarmin setzt auf realistische Ziele
Ihm zufolge setzt sich chatarmin dagegen keine übertriebenen Ziele, die nur dazu da sind, Schlagzeilen zu machen oder Investor:innen zu gewinnen. Man wolle derzeit nur bis Ende 2023 rund 100 Kunden angesammelt haben. chatarmin ist zwar ein gutes Beispiel für ein Bootstrapping-Startup, wird aber voraussichtlich auch in Zukunft eine Ausnahme sein. Obwohl sich viele Founder sicher Mansbarts Unabhängigkeit wünschen, ist das Konzept immer noch ein großes Risiko, besonders in unsicheren Zeiten für die Wirtschaft.
Korrektur: In der ursprünglichen Version des Artikels wurde das Gründungsjahr von chatarmin mit 2019 betitelt, die Gründung war aber im Jahr 2022. Ein Zitat, in dem von der Anzahl der Startups, die auf VC-Finanzierungen setzt, die Rede war, war nicht korrekt und wurde deshalb entfernt.