Jokr: So sieht ein Dark Store des neuen Blitz-Lieferdienstes aus
Lieferdienste, die durch Fahrradkuriere innerhalb von wenigen Minuten Lebensmittel ausliefern, liegen zunehmend im Trend. Das Paradebeispiel ist das kontroverse Berliner Unicorn Gorillas. Noch ist die Jungfirma nicht in Wien angekommen, doch es gibt in der hiesigen Hauptstadt bereits einen ähnlichen Anbieter: Jokr. Das Unternehmen kommt ursprünglich aus New York und hat neben mehreren Ländern in Südamerika jetzt auch in Polen und Österreich seinen Start hingelegt. Wie Gorillas liefert Jokr aus sogenannten „Dark Stores“, also Mikro-Lager für Produkte, die möglichst nah an Kund:innen liegen.
Doch wie funktioniert so ein Dark Store? Trending Topics war beim Jokr-Standort in der Rufgasse im neunten Bezirk zu Besuch. Der Standort fällt auf den ersten Blick kaum auf, er ist nicht speziell gekennzeichnet. Im Geschäft sieht man zuerst einen kleinen Pausenbereich mit einem großen Tisch und einer Couch. Dahinter sind die Regale zu sehen, in denen die Produkte gelagert sind. Was schnell auffällt, ist, dass sich eine Station für Fahrräder im Store befindet. Ansonsten sieht der Dark Store im Prinzip wie ein gewöhnlicher Supermarkt aus. In Regalen und Kühlschränken befinden sich verschiedene Produkte, von Lebensmitteln bis zu Drogerieartikeln.
Kund:innen bestellen oft große Mengen an Produkten
Nur befindet sich vor den Regalen keine Kassa, denn direkt einkaufen können Kund:innen dort nicht. Stattdessen steht hier eine Station zum Verpacken der Lieferungen. Hier arbeiten die sogenannten „Picker“. Ihr Job ist es, die Bestellungen, die digital hereinkommen, zu verpacken. Dafür nutzen sie einen kleinen Wagen. Sie verstauen die Produkte dann in einem Rucksack oder einer Tasche. Dann übernehmen die „Rider“, also die Fahrradkuriere. Sie nehmen auf mit Navigationssystemen ausgestatteten E-Bikes die Lieferungen mit und machen sich auf den Weg. Bei Normalbetrieb sind meistens ein Picker und zwei Rider im Einsatz, jedoch gibt es auch intensivere Tage, an denen mehr Leute gefragt sind.
Manche Bestellungen sind durchaus herausfordernd, beispielsweise gab es beim Besuch von Trending Topics eine Order einer großen Menge Bier. In diesem Fall mussten sogar zwei Rider für eine Lieferung herhalten. Auch wenn es keinen Aufzug gibt, tragen die Lieferant:innen die Produkte bis zur Wohnungstür. Auch gab es in kurzer Zeit zwei Bestellungen an die gleiche Adresse. Vergessen Kund:innen etwas, können sich die Lieferungen häufen.
Jokr verspricht Lieferzeit von 15 Minuten
Jokr verspricht, anders als Gorillas, eine Lieferzeit von 15 statt zehn Minuten. Das Unternehmen hat seinen Wien-Start erst im Mai hingelegt. Momentan liefert die Firma hauptsächlich entlang des Gürtels. „Bis September wollen wir in ganz Wien aktiv sein. Je mehr Dark Stores wir haben, desto mehr Gebiete können wir in der versprochenen Zeit beliefern. Im Durchschnitt liegen unsere Lieferzeiten sogar bei nur zwölf Minuten“, erzählt Lukas Grabenwöger, CEO von Jokr in Österreich und Zentraleuropa. Bei einem Test im Juli hat Trending Topics die Lieferung sogar in nur acht Minuten erhalten. Das Startup befindet sich laut Grabenwöger massiv im Aufwind. Der Umsatz steige pro Woche um 30 bis 40 Prozent.
Phänomen Gorillas: Wie Dark Stores das klassische Supermarkt-Modell angreifen
„Ich arbeite üblicherweise sieben Stunden pro Tag. Ich komme immer etwa zehn Minuten vor Schichtbeginn in den Store, dann ziehe ich mich um. Wenn es noch keine Bestellung gibt, helfe ich dem Picker, aber dann fahre ich los. 15 Minuten erschien mir am Anfang stressig, aber die Fahrten sind meistens nur sehr kurz. Hin und wieder kann es stressig werden, wenn gegen Betriebsschluss noch Bestellungen reinkommen, aber meistens ist es eher entspannt“ erklärt der Rider Mert, der von Anfang an dabei war. Jokr liefert von Montag bis Freitag von acht bis 22 Uhr und am Samstag von acht bis 19 Uhr.
Fahrradkuriere sind fix angestellt
Ein Hauptgrund, warum Gorillas so umstritten ist, sind die Bedingungen für Angestellte, die schon mehrere Streiks ausgelöst haben (Trending Topics berichtete). Es gibt hier oft Beschwerden über Kündigungen ohne Vorwarnung, schlechte Bezahlung und häufige Unfälle wegen kaputten Rädern. All das will Jokr laut Grabenwöger vermeiden. Die Fahrradkuriere sind alle fix angestellt, die meisten davon auf Teilzeit. „Viele machen das als Nebenerwerb oder Studentenjob. Dadurch ist unsere Belegschaft sehr divers. Wir bieten allen ein Mitspracherecht, bei Problemen ist es möglich, diese anzusprechen. Außerdem können sich die Rider die Arbeitszeit relativ flexibel einteilen“, so der CEO.
Gorillas-Angestellte streiken gegen Entlassung ohne Vorwarnung
Der Fahrer Mert bestätigt das. Er arbeitet Vollzeit in den Sommerferien vom Studium. „Das Unternehmen ist bei Anregungen recht offen“, sagt der Vollzeitfahrer. Das Gehalt liege bei 8,90 Euro pro Stunde, außerdem erhalten die Rider häufig Trinkgeld. Ihm zufolge gibt es mit den Rädern keine Probleme. Jede Woche komme jemand vom Unternehmen, um die Räder auf Schäden zu überprüfen. Nicht nur die Räder, sondern sämtliche Ausrüstungsgegenstände, darunter Helme, Rucksäcke und Regenjacken, stellt Jokr für die Angestellten bereit.
Startup ist noch junger Player in Wien
Gorillas ist auch bei Anrainern hin und wieder unbeliebt, weil die Fahrräder oft den Gehsteig blockieren. Bei Jokr befinden sich die Fahrzeuge meistens im Store. „Wir hatten bislang noch keine Beschwerden von den Nachbarn“, sagt Grabenwöger. Auch wenn Gorillas bald in Wien startet, sieht der CEO eher den stationären Einzelhandel als den wahren Rivalen. „Nur etwa fünf Prozent der Lebensmittel-Einkäufe finden online statt.“ Nicht nur Lebensmittel will Jokr liefern. Die Dark Stores hätten eine Infrastruktur aufgebaut, die auch Lieferungen von anderen Produkten wie beispielsweise Elektronik erlauben.
Jokr ist in Wien noch ein recht junger Player. Momentan bietet das Unternehmen Waren zu Supermarktpreisen, wobei es weder einen Mindestbestellwert noch Liefergebühren gibt. Das könnte sich in Zukunft aber ändern. Für die Bestellung brauchen Kund:innen die App des Anbieters. Das Startup befindet sich laut Grabenwöger massiv im Aufwind. Der Umsatz steige pro Woche um 30 bis 40 Prozent.
Nachhaltigkeit für Jungfirma wichtig
Etwa 1.500 Artikel befinden sich im Sortiment von Jokr. Neben Getränken kühlt das Unternehmen auch Obst und Gemüse ein. Wie oft Lieferungen einkommen, hängt vom Produkt ab: Etwa alle zwei Tage kommen verderbliche Artikel wie Obst und Gemüse. Weil sich in den Dark Stores, die durchschnittlich zwischen 200 und 400 Quadratmeter Fläche bieten, oft keine Klimaanlagen befinden, muss die Firma die verderblichen Produkte anders als ein gewöhnlicher Supermarkt oft einkühlen.
Nachhaltigkeit ist dem Unternehmen sehr wichtig. „Wir setzen nicht nur auf E-Bikes zur Fortbewegung, sondern auch stark auf Regionalität. Alles, was wir von lokalen Partnern bekommen können, kaufen wir auch dort ein. Das verringert wiederum Lieferwege und damit auch CO2-Emissionen“, so Grabenwöger. In Zukunft will Jokr noch mehr Dark Stores aufmachen und mehr Bezirke beliefern. Die Jungfirma hat außerdem im vierten Bezirk eine Kooperation mit Too Good To Go gestartet. In Zusammenarbeit mit der dänischen Firma bietet Jokr in seinem dortigen Dark Store nicht verkaufte Produkte zum Abholen an. Das soll die Lebensmittelverschwendung verringern.