Rund 8 Prozent aller in Wien neu gegründeten Firmen gelten laut ABA Invest in Austria als Startups – das ist ein deutlich höherer Schnitt als in ganz Österreich, wo – je nach Definition – nur 1,5 bis 3 Prozent der Neugründungen als Startups im engeren Sinne gezählt werden. Dementsprechend wichtig ist die Gruppe der Jungunternehmer für die Junge Wirtschaft Wien – also jene Interessenvertretung für rund 4.000 Unternehmer in der österreichischen Hauptstadt zwischen 18 und 40 Jahren.
Startups sind für die Junge Wirtschaft solche Jungfirmen, die innovative Geschäftsmodelle mit neuartigen Problemlösungen vorantreiben, schnell bei Umsatz und Mitarbeiterzahl wachsen und nachhaltig sind – also nicht durch Fremdfinanzierung und Investments so günstige Preise anbieten, dass eine bestehende Branche dadurch ruiniert wird. Wichtig sind die Startups auch wegen ihrem Image, haben sie schließlich Gründen wieder „cool“ gemacht, wie die Junge Wirtschaft in ihrem Fact Sheet schreibt.
Jürgen Tarbauer, Landesvorsitzender der Junge Wirtschaft Wien, hat mit Trending Topics über seine Forderungen für Unternehmer, den „Peak Startup“ und Wien als Standort für Gründer gesprochen.
Trending Topics: 2017 ist das Wachstum bei Neugründungen in Wien zurückgegangen. Haben wir “Peak Startup” erreicht?
Jürgen Tarbauer: Nein, das glaube ich nicht. Keiner weiß, wie sich die Startup-Szene weiterentwickelt, nicht einmal die Startup-Szene selbst. Zuerst war es so, dass man alles, was sich Startup genannt hat, cool gefunden hat. Jetzt ist es so, dass man das nicht mehr kritiklos hinnimmt, sondern schaut es sich genauer an. Das ist bei allen Dingen so, die alltäglicher werden. Die Junge Wirtschaft war immer ein Verfechter davon, dass es keine Zwei-Klassen-Unternehmerschaft geben darf, sondern nur eine Unternehmerschaft. Genau das zeigt sich jetzt, die Startups sind weder etwas Besseres noch etwas Schlechteres als der klassische Unternehmer. Wir haben es mit einer Abnutzungserscheinung einer modischen Entwicklung zu tun. Die ganze Sensation normalisiert sich. Die meisten müssen sich eh am Markt beweisen. Die Investments und Förderungen kriegt man ja nicht unendlich, das ist auch irgendwann vorbei. Der beste Investor der Welt ist immer noch der Kunde und nicht ein Business Angel oder eine Förderstelle.
Die neue Regierung hat zwei dezidierte Startup-Förderungen, nämlich Risikokapitalprämie und Lohnnebenkostenförderung, gestrichen. Ist das in Ihrem Sinne?
Dieser Beschäftigungsbonus war zuerst nur für Startups da, und dann hat die Junge Wirtschaft sich dagegen aufgelehnt, weil das ein unfaires Behandeln von Unternehmern ist. Es geht einfach nicht, dass man ein Startup bevorzugt und einen anderen klassischen Unternehmer ins Gesicht schlägt. Dann wurde die Förderung für alle geöffnet. Dass diese Förderung von heute ersatzlos gestrichen wurde, finden wir ganz und gar nicht gut. Wir wollen eine allgemeine Lohnnebenkostensenkung, aber eben für alle. Jetzt spricht man davon, dass vielleicht 2020 etwas Neues kommen könnte, da hätte man in der Zwischenzeit die Förderung lassen können.
Was erwarten Sie sich von einer möglichen Neuregelung?
Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen, und es konkurrieren ja viele Unternehmen international, dann brauchen wir eben eine gescheite Lohnnebenkostensenkung. Ich hoffe, das es nicht wieder so etwas wie die Lohnnebenkostensenkung von vor zwei Jahren wird, die nur am Papier gut ausgeschaut hat, in der Praxis aber wenig brachte. Wir sind immer noch unter den Top 10 Ländern weltweit mit den höchsten Lohnnebenkosten, das passt einfach nicht. Arbeit gehört viel weniger besteuert.
Sie müssten ja einen guten Draht zum Wirtschaftsministerium haben.
Wir haben zu vielen politischen Entscheidern einen guten Draht, was aber nicht heißt, dass Dinge nicht passieren, mit denen wir nicht zufrieden sind. Österreich ist immer auf den Konsens ausgerichtet, und in vielen Bereichen dauert das eben sehr lange.
Eine anständige Lohnnebenkostensenkung würde den Staat viel Geld kosten. Wie sollen diese dann fehlenden Steuereinnahmen kompensiert werden?
Ich bin der vollen Überzeugung, dass durch eine spürbare Lohnnebenkostensenkung ein Vielfaches in den Markt zurückkommt. Die Bevölkerung hätte mehr Geld zur Verfügung, die es ausgeben kann, es würden mehr Leute eingestellt werden, und jeder Arbeitslose weniger ist gut für die Gesellschaft. Es gibt so viele Synergie-Effekte, die man gar nicht berechnen kann.
Welche Konzepte hat die Junge Wirtschaft gerade für digitale Jungunternehmen noch?
Es geht nicht darum, dass ein digitales Startup von uns Vorteile zu erwarten hat, sondern um Unternehmertum im allgemeinen. Auch ein Tischler ist von der Digitalisierung betroffen. Da wird oft nicht mehr gehobelt, sondern mit der CNC-Fräse gearbeitet, die hoch digitalisiert ist. Es geht um grundlegende Dinge wie schnelles Internet am Land. Da kann jemand noch so digital sein wollen, aber es wird nichts werden, wenn die Performance der Leitungen nicht passt. Bei dieser Diskussion darf es wie gesagt keine Zwei-Klassen-Unternehmerschaft geben, das erzeugt nur, das der klassische Unternehmer das Startup kritisch sieht.
Eine Startup-Definition hat die Junge Wirtschaft aber trotzdem.
Ja, aber die lautet anders. Für uns ist ein Startup innovativ, neuartig, schnell wachsend, nachhaltig sowohl was die Umwelt als auch die Arbeitsplätze angeht, und es muss nicht zwingend etwas anderes zerstören. Dieses Disruptive ist schon etwas problematisch. Wichtiger ist uns der Standort. Gerade bei digitalen Geschäftsmodellen kann man theoretisch von überall arbeiten, deswegen ist es uns wichtig, dass die Firmen im Land bleiben.
Sehen Sie, dass Wien als Standort beliebter wird?
Die Stimmung in der Wirtschaft ist jetzt wirklich gut. Als ich als Landesvorsitzender der Jungen Wirtschaft Wien vor vier Jahren angetreten bin, war die Stimmung am Boden. Die Leute sind jetzt in einer Aufbruchstimmung, vor allem die Jungunternehmer. Junge Unternehmer sehen nicht immer die Probleme, sondern probieren etwas einfach aus. Natürlich kann man mal hinfallen, natürlich läuft nicht alles, wie man es sich am iPad skizziert. Aber wir sind ja in Mitteleuropa, einfach “Aufstehen, Krone richten, weitergehen.”
Dieses Interview entstand im Rahmen einer Kooperation mit der Junge Wirtschaft Wien.