Kampf um Entwickler: “Alle machen jetzt coole Offices, aber das war’s dann oft auch wieder”

Rund 5.000 unbesetzte Developer-Stellen gibt es in Österreich. Das hat eine Studie ergeben, die die Marktforscher von MindTake für die Veranstalter der jährlichen Konferenz WeAreDevelopers durchgeführt hat. In der Branche weiß man: Der „War for Talents“ ist in vollem Gange, wer gute Entwickler anstellen und dann auch längerfristig bei sich halten will, muss den gefragten Mitarbeitern schon etwas bieten.
18 bis 29-jährige Entwickler erwarten sich in Österreich ein Gehalt von rund 3.800 Euro brutto, 30 bis 39-Jährige bereits 4.400 Euro, 40 bis 49-Jährige 4.700 Euro. Doch es geht bei weitem nicht nur ums Geld. Laut einer Umfrage von Stack Overflow unter 64.000 Entwicklern auf der ganzen Welt ist das Gehalt zwar ein wichtiger Faktor, doch werden Work-Life-Balance, Firmenkultur, Kollegen und flexible Arbeitszeiten ebenfalls als relevante Kriterien angesehen.
Diskussionsrunde mit Experten
Wie also kann man Entwickler für Jobs in österreichischen Unternehmen gewinnen? Das war Thema einer Diskussionsrunde vergangene Woche, an der Gerhard Zeiner (Chief Operating Officer SAP Österreich), Thomas Schmutzer (President Next Generation Enterprise Forschungsinstitut), Herwig Springer (Managing Director i5invest), Michael Baumann (Associate Partner Amrop Jenewein), Josef Grandits (Managing Director GTW Management Consulting) und Jakob Steinschaden (Chefredakteur TrendingTopics) auf Einladung von Benjamin Ruschin und Jacqueline Resch von WeAreDevelopers teilnahmen.
“Alle machen jetzt coole Offices, aber das war´s dann oft auch wieder”, sagte Ruschin über die Trends am Arbeitsmarkt und die Bemühungen vieler Firmen, ein interessantes Umfeld gerade für die gefragten Developers zu bieten. Doch die wirklich guten Beispiele seien rar gesät, so Ruschin. Als Beispiel nannte er etwa die Firma BrainTribe, die jedem ihrer Entwickler pro Jahr 5.000 Euro zur Verfügung stellt, mit denen Hardware, Event-Tickets etc. bezahlt werden können. Seine Konferenz selbst hätte das Ziel, Wien und Österreich als spannenden Standort für Entwickler zu positionieren.

Doch dazu bräuchte es mehr Unterstützung der Politik. “Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass Wien und Österreich ein attraktiver Standort für Entwickler wird”, so Ruschin. Ansonsten würden sich gerade gut ausgebildete Developer aus dem Osten Europas anderen Hotspots (von Berlin über Stockholm bis Dublin) zuwenden. Auch er selbst überlege, ob und wie er seine Konferenz weiter in Wien veranstalten solle.
„Keine Legebatterien“
“Es ist ein Denker-Job, den man besetzen will, und dafür muss man die geeigneten Rahmenbedingungen bieten und keine Legebatterien”, sagte Gerhard Zeiner von SAP Österreich. Neben einem Büro, in dem sich Entwickler wohlfühlen, seien auch flexible Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit, von zu Hause arbeiten zu können, vielen Entwicklern wichtig.

„Man kann sie nicht in ein Korsett pressen“
“Wir investieren ordentlich, weil wir sonst die Jungen nicht halten können”, so Zeiner weiter. Vor allem ihnen müsse man auch Entwicklungsmöglichkeiten nach oben aufzeigen. Beim Thema Recruiting sei ein Faktor besonders wichtig: “Wenn man nicht Teil der Community ist, kommt man nicht an die Talente heran.”
“Empfehlungen sind der beste Weg, Headhunting zu machen”, sagt Herwig Springer, Managing Director beim Startup-Investor i5invest. Außerdem bräuchten Unternehmen ein tiefes Verständnis dafür, wie Programmierer eigentlich ticken. “Wenn man Developer in ein enges Korsett presst, dann funktioniert es nicht”, so Springer, Entwickler hätten gerne Freiheiten wie eben Home-Office-Möglichkeiten oder sehr flexible Arbeitszeiten – etwa für Coding-Sessions in der Nacht.

Auch auf die Firmenkultur hätten Entwickler Auswirkungen. “Developer sind oft eine sehr homogene Gruppe, etwa im Game-Bereich oder im Open-Source-Bereich”, so Springer. “Es hängt manchmal sogar von der Programmiersprache ab, wie die Entwickler ticken.”
Frauen weiter unterrepräsentiert
“Wenn man in der Community nicht verankert ist, dann wird man nie die richtigen Talente bekommen”, sagte Michael Baumann, vom Personalberater Amrop Jenewein bei. Dabei gehe es – übrigens auch bei Startups – längst nicht mehr nur um Developer. Gerade im Bereich Sales und Business Development sieht die Personal-Branche erhöhte Nachfrage. “Leider ist Sales derzeit unterrepräsentiert“, so Baumann.

Ebenfalls ein wichtiges Thema ist der nach wie vor sehr geringe Anteil von Frauen in der Software-Branche. “Wir als Personalberater können nur den Markt abbilden. Die Politik muss dafür sorgen, dass sich das ändert”, so Baumann. Auf eine Bildungsreform, die den Anteil von Frauen in IT-Berufen ändert, wollen aber nicht alle warten, Zeiner von SAP plädiert deswegen für eine Quote. “Es ist fast unmöglich, Frauen in unserem Bereich zu finden”, sagte Josef Grandits von GTW Management Consulting, einem auf SAP spezialisierter Beratungsfirma. Er rät dazu, “bei Ausschreibungen die Grenzen nicht zu eng stecken, damit Frauen nicht aus dem Raster fallen.”

„Entwickler sind die Speerspitze“
“Arbeit bedeutet heute nicht mehr Anwesenheit im Büro. Da hinkt Österreich anderen Ländern hinten nach”, sagte Thomas Schmutzer vom Next Generation Enterprise Forschungsinstitut. Dort beschäftigt er sich wissenschaftlich mit der Zukunft der Arbeitswelt. Seine Sicht: “Entwickler sind die Speerspitze. Da kann man schön greifbar machen, warum man etwas ändern muss. Frei in der Wolke arbeiten wollen, das werden auch bald andere Abteilungen. Und darauf müssen sich die Unternehmen einstellen.”
