Hintergrund

Kapitalgesellschaftsform: Kampf hinter den Kulissen zu den Neuerungen

Die FlexKapG wurde von Finanz- und Justizministerium präsentiert. © Trending Topics
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Es ist nun etwa 15 Monate her, seitdem die Regierung ein Gründerpaket samt einer neuen Kapitalgesellschaftsform angekündigt hat. Sie soll das Startuppen in Österreich erleichtern. Seither ist viel passiert und diskutiert worden, allein der Entwurf für ein solches neues Gesetz, den gibt es noch nicht. Denn während die „Austria Limited“, die ziemlich sicher nicht so heißen wird, von vielen Organisationen gefordert wird, finden nicht alle die Idee so toll. Insbesondere zwei Kammern wollen die Kapitalgesellschaftsform nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Dabei handelt es sich um die Arbeiterkammer und die Notariatskammer. Beiden sind unterschiedliche Punkte, die am Tisch liegen, ein Dorn im Auge, und widersprechen ihren ureigensten Interessen. Deswegen wird hinter den Kulissen, wie Trending Topics in Erfahrung gebracht hat, heftig interveniert und lobbyiert. Im Justizministerium von Ministerin Alma Zadić (Grüne) wird aktuell ein Entwurf ausgearbeitet, auf den viele Interessenvertreter mit Spannung warten. In einigen Wochen könnte dem Vernehmen nach ein Entwurf gezeigt werden.

„Wir brauchen die Austria Limited dringend im Laufe des nächsten Jahres“

Fix: Es wird eine neue Kapitalsgesellschaftsform

Wie der im Detail aussehen wird, bleibt abzuwarten. „Fest steht, dass es eine Kapitalgesellschaftsform wird, was insofern ein großer Wurf ist, da zum letzten Mal im Jahr 1906 eine neue Kapitalgesellschaftsform, die GmbH, gekommen ist“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium von Margarete Schramböck (ÖVP). Das ist schon mal etwas, weil es jenen Spekulationen Wind aus den Segeln nimmt, die eine Neuauflage der „GmbH light“ oder eine Reform AG vermuteten. Es wird also wirklich eine neue Rechtsform geben – Name ungewiss.

Auch ein Gutachten der beiden renommierten Anwaltskanzleien CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte und Herbst Kinsky Rechtsanwälte im Auftrag des Wirtschaftsministeriums vom Sommer 2020, das Trending Topics vorliegt, kam zu dem Schluss, dass alles für eine neue Kapitalgesellschaftsform spricht – und zwar inklusive stimmrechtslosen Anteilen für Mitarbeiter:innen, die Kapitalertrags- statt Einkommensteuer auslösen (mehr dazu hier).

Wie bereits ausführlich berichtet, soll diese neue Rechtsform dafür sorgen, dass billiger, schneller und einfacher gegründet werden kann, dass Mitarbeiter:innen einfacher am Unternehmen beteiligt werden können, und dass Beschlussfassungen möglichst digital durchgeführt werden können.

Austrian Limited: So kann die Beteiligung von Mitarbeitern künftig funktionieren

 

Arbeiterkammer warnt vor Fallen für Mitarbeiter:innen

Doch kann das alles auch so kommen, wie es sich viele vorstellen? Einer von zwei großen Knackpunkten ist tatsächlich die Mitarbeiter:innenbeteiligung. Und die schmeckt der Arbeiterkammer (AK) als Vertreterin der Arbeitnehmer noch nicht so wirklich. Wie berichtet warnt die AK vor Fallen bei dem geplanten Gesetz. „Arbeitnehmer übernehmen da eigentlich ein Unternehmerrisiko, wenn es wirtschaftlich nicht klappt. Viele Startups machen ja nie einen Exit, kommen vielleicht nie in die Gewinnzone oder gehen gar in Insolvenz“, sagte Heinz Leitsmüller. Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft bei der Arbeiterkammer Wien, zu Trending Topics.

Die Gefahr sei nicht nur, dass Arbeitnehmer dann um eine versprochene Belohnung (Exit!) umfallen, sondern dass die Mitarbeiter:innebeteiligung nicht nur von Startups mit großem Wachstums- und Exit-Potenzial genutzt werden würde, sondern auch von „normalen“ Firmen etwa in der Gastronomie oder im Dienstleistungsbereich. Niedrigerer Lohn gegen Firmenanteile – das hätte weitreichende Auswirkungen auf Lohn- und Gehaltspolitik. Und noch einen Fallstrick sieht man bei der AK: Das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeiter:innen. Das würde zwar am Papier gut aussehen, doch bräuchte es auch eine entsprechende Firmenkultur, die das in der Praxis zulässt.

Sharing is Caring: Mitarbeiterbeteiligung muss in Österreich viel einfacher werden

Notare fürchten um ihre Honorare

Die zweite Kammer, die wie berichtet bei der neuen Kapitalgesellschaftsform um einen wichtigen Geschäftsteil fürchtet, ist die Notariatskammer. Denn wenn künftig digital gegründet werden kann, stellt sich auch die Frage, wie und ob überhaupt noch ein Notar mit am Tisch sitzt, sich den Gesellschaftsvertrag vorlesen lässt und dafür dann eine Honorarnote stellen lassen kann.

Deswegen pochte die österreichische Notariatskammer in einem Schreiben an Vertreter der Wirtschaftskammer und die Arbeitsgruppe „Reform des Gesellschaftsrechts“ im Justizministerium auf die „Beibehaltung der notariellen Beteiligung im Gesellschaftsrecht“ und betonte die „notarielle Beratung als Qualitätsmerkmal der Unternehmensgründung“. Durch die Beratung durch die Notare könnten „rechtliche Gefahren minimiert“ werden.

„Besser die GmbH reformieren, als eine Austria Limited oder kleine AG einführen“

Was mündige Founder wirklich brauchen

Nun bleibt abzuwarten, welchen Entwurf das Justizministerium vorlegen wird – und dann, welche Interessensgruppen sie wie zu den einzelnen Punkten äußern werden. Ein sehr erfahrener Gründer und Beobachter der Startup-Politik, der sich zur Zeit nur anonym zum Thema äußern will, sagte jedenfalls kürzlich im Rahmen einer Veranstaltung: „Mündige Gründer:innen brauchen keine Zwangsberatung von Notaren und mündige Mitarbeiter:innen müssen nicht vor einer Partizipation am Unternehmenserfolg geschützt werden. Wenn man ein bisschen über den Tellerrand schaut, dann sieht man, dass das in anderen Ländern schon sehr gut funktioniert und es höchste Zeit ist, dass wir endlich nachziehen – sonst werden uns die besten Gründer:innen und Mitarbeiter:innen in Österreich nicht mehr lange erhalten bleiben.“

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