EU-Taxonomie

„Katastrophal“: Kritik für grüne Investitions-Kriterien für Forstwirtschaft und Bioenergie

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In dieser Woche hat die Europäische Kommission den delegierten Rechtsakt für den ersten Teil der EU-Taxonomie-Verordnung veröffentlicht. Mit dieser wird es erstmalig eine verbindliche, innerhalb des Staatenverbundes gültige Definition von ökologisch nachhaltigen Aktivitäten und Investitionen geben. Ab dem ersten Jänner 2022 ist deren Anwendung für den Bereich Klimawandel geplant und ein Jahr später dann für andere umweltrelevante Bereiche, wie eine funktionierende Kreislaufwirtschaft oder der Schutz der Meere.

In dem nun von der EU-Kommission veröffentlichten Regelwerk werden der EU-Kommission zufolge die wirtschaftlichen Tätigkeiten von etwa 40 % der börsennotierten Unternehmen in den Sektoren abgedeckt, welche für fast 80 % der direkten Treibhausgasemissionen in Europa verantwortlich sind.

Im Regelwerk sind bisher weder Investitionen in die Nuklearenergie, noch in Erdgasprojekte enthalten. Die Entscheidung über diese umstrittenen Bereiche wurde verschoben. Auch Entscheidungen zur Landwirtschaft wurden vertagt. Harsche Kritik seitens Umweltschutzorganisationen gibt es aber trotzdem schon jetzt.

Endgültige Entscheidung steht noch aus

Die Technical Expert Group on Sustainable Finance (TEG), bestehend aus ca. 100 Experten, hat im März 2020 in einem Bericht Technologien und Bereiche auf ihre Eigenschaften hinsichtlich der ökologischen Nachhaltigkeit im Bezug auf den Klimaschutz und andere Umweltbereiche untersucht. Gemäß diesen Berichtes, wurde die Atomkraft nicht in die EU-Taxonomie aufgenommen. Dem widersprach ein kürzlich erschienener Bericht des Joint Research Centre (JRC). Dieses ist die gemeinsame Forschungseinrichtung der Europäischen Kommission. Das Gutachten des JRC wird bisher noch von der EU-Kommission geprüft. Dass die Atomkraft nun zunächst nicht in der EU-Taxonomie aufgenommen wurde, bewerteten Die Grünen „als großen Schlag gegen die Atom-Lobby“ in einer schriftlichen Reaktion. Anti-Atomenergie-Sprecher der Grünen, Martin Litschauer:“ Ohne AKW-Förderungen in Milliardenhöhe würde kein Land mehr auf Atomenergie setzen. Dass die Atomindustrie nun vorerst auch nicht an die Fördertöpfe des Europäischen Green Deal kommen wird, ist ein harter Schlag gegen die Atomlobby.“

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Tatsächlich ist die endgültige Entscheidung zu der Einstufung von der Atomenergie und Erdgas aber noch nicht gefallen, sondern vertagt, bis die entsprechenden Berichte geprüft sind. Laut dem WWF könnte das ein “ ernsthaftes Risiko“ darstellen dass die Atomkraft am Ende doch noch in die Taxonomie als grüne Investition aufgenommen wird.

„Katastrophale Nachricht für Klima und Artenvielfalt“

Kritik an dem aktuellen Regelkatalog  zu der EU-Taxonomie-Verordnung wird aber auch darüber hinaus laut. Der Grund dafür liegt in den Kriterien zur Forstwirtschaft und Bioenergie. Wie die Umweltschutzorganisation WWF angibt, sei die Einstufung von industriellem Holzeinschlag und die Nutzung von Holz und Nutzpflanzen als Brennstoff zur Energiegewinnung als nachhaltige Investition eine „katastrophale Nachricht für Klima und Artenvielfalt“ so der Leiter Sustainable Finance des WWF, Matthias Kopp. Sébastien Godinot, WWF EU-Ökonom ergänzt: „Die endgültige Taxonomie der Kommission für Forstwirtschaft und Bioenergie erkennt die ökologischen Herausforderungen nicht an, vor denen wir stehen. Sie wurde stark von der unausgewogenen Lobbyarbeit Finnlands und Schwedens beeinflusst: Sie steht im Widerspruch zur Umweltwissenschaft, diskreditiert die Taxonomie und schafft einen verhängnisvollen Präzedenzfall.“

Ausstieg aus Beratergremium

Daher haben nun der WWF und andere Umweltorganisationen entsprechende Schritte getätigt.Wie der WWF aktuell bekannt gab, setzen sie ihre Tätigkeiten auf der Plattform für nachhaltige Finanzen der EU-Kommission aus und protestieren so „gegen das Greenwashing der Forstwirtschafts- und Bioenergiekriterien als auch gegen den Prozess, der zu diesen Kriterien geführt hat.“ Die Mitglieder der Plattform setzen sich aus Vertretern aus dem Unternehmens- und dem öffentlichen Sektor, der Industrie, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und der Finanzindustrie zusammen. So soll eine entsprechende breitgefächerte Expertise die Erarbeitung der nachhaltigen Finanzkriterien gewährleisten. Laut Godinot wolle man so lange die Teilnahme an der Plattform aussetzen, bis die Kommission auf die Bedenken und Vorschläge des Vorsitzenden der Plattform eingehe.

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Veto-Recht von Mitgliedsstaaten

Wie das Onlinemagazin Euroaktiv berichtetet, hätte die EU-Finanzkommissarin Mairead McGuiness bereits bei der Präsentation des Regelwerkes angekündigt, dass es Aktualisierungen in den Bereichen Forst und Bioenergie geben solle, sobald das jeweilige EU-Gesetze zu Klima, Energie und Landwirtschaft vorliegt. Das soll im Juni der Fall sein. Auch grundsätzlich soll die EU-Taxonomie-Verordnung regelmäßig an aktuelle Erkenntnisse und technische Fortschritte angepasst werden, so die EU-Kommission. Das letzte Wort dürfte da also noch nicht gesprochen sein.

Den Vorwurf, dass politische Interessen gegenüber den wissenschaftlichen Empfehlungen überwiegen würden, kommentierte sie laut Euroaktiv wie folgt: „Die Grundlage der Taxonomie muss wissenschaftlich fundiert sein, aber man kann die Wissenschaft nicht von der realen Welt und den sehr realen Bedenken trennen,“ sagte sie. „So sollte es auch sein, damit wir den bestmöglichen Mechanismus entwerfen können; damit die Europäische Union nicht nur führt, sondern dies auch glaubwürdig tun kann.“ Damit die Taxonomie-Verordnung verabschiedet werden kann, braucht es die Akzeptanz der EU-Staaten. Anderseits drohen Veto-Einreichungen der Staaten und ein Scheitern der jetzigen Verordnung. Das hat entsprechende Auswirkungen.

Was den aktuellen Regelkatalog zu den grünen Investitionen anbetrifft, haben nun das Europäische Parlament und der Europäische Rat die Möglichkeit, innerhalb einer viermonatigen Frist diesen an- oder abzulehnen. Sollten keine Entscheidungen bekannt gegeben werden, gilt dieser erste Teil der Taxonomie als angenommen.

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