Porträt

Kern Tec & Brüsli: Aus Alt mach‘ Lebensmittel

„Wir haben definitiv zu lange damit zugewartet, 100 Prozent unserer Energie ins Startup zu investieren", meint Sarah Lechner. © Trending Topics / David Visnjic
„Wir haben definitiv zu lange damit zugewartet, 100 Prozent unserer Energie ins Startup zu investieren", meint Sarah Lechner. © Trending Topics / David Visnjic
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Das Wiener Startup Brüsli und Kern Tec aus Niederösterreich haben der Ressourcenverschwendung den Kampf angesagt. Das ist auch nötig: Allein in Österreich werden pro Jahr rund eine Million Tonnen Lebensmittel weggeworfen, also 125 Kilo pro Kopf. Und in Wien wird jeden Tag so viel Brot weggeworfen, wie in Graz gegessen wird.

Aus einem Teil dieses Brots stellt das Startup Brüsli nun Müsli her. Gründer Michael Berger und Gründerin Sarah Lechner entwickelten zuvor Software für Medizinprodukte, bevor sie 2019 zu ihrer Idee kamen. Die Ideenfindung war im wahrsten Sinne des Wortes ein Kinderspiel: „Michael und ich haben kurz vor Weihnachten mit seinem ältesten Sohn ein Spiel gespielt, bei dem es darum ging, was wir aus Getreide herstellen. Er hat sich dabei vertan und meinte, wir machen aus Brot Müsli“, kann sich Co-Gründerin Sarah Lechner noch erinnern. Ein Jahr lang brauchten die beiden dann, um ihr Geschäft zu entwickeln, bevor sie im Februar 2021 die ersten Produkte unter der Marke verkauften.

Globale Probleme

Auch Kern Tec nutzt ein Abfallprodukt, um daraus neue Produkte herzustellen. Aus verschiedenen Obstkernen stellt das Unternehmen hochwertige Öle und Proteinmehle her. Die Idee entstand dabei „bei einem Glas Marillensaft in der Wachau“, wie Co-Gründer Luca Fichtinger verrät. Das Vierergespann hinter Kern Tec war schon länger daran interessiert, ein eigenes Startup zu gründen. „Als wir etwas tiefer in das Kernthema blickten, merkten wir schnell, dass die Entsorgung von Obstkernen ein globales Problem ist und eine technische Lösung großen Mehrwert stiften könnte“, sagt Fichtinger. Und nach der ersten Testproduktion von zehn Tonnen Obstkernen war ihnen auch rasch klar, dass die Produkte schmecken.

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Fehler zu Beginn

Doch auch bei Gründungen ist aller Anfang schwierig, besonders die Logistik hat beiden Unternehmen zunächst vor ein Problem gestellt. „Als wir die ersten Kerne aus Südtirol abholen wollten, wurden wir mehrere Stunden von der lokalen Polizei zu unserem speziellen Vorhaben befragt und gestraft, da wir keine sogenannte Fahrerkarte besessen haben. Die Kerne sind in der Zwischenzeit schön verschimmelt“, erinnert sich Fichtinger.
Auch Lechner kann sich noch gut an ihre Fehler zurückerinnern: „Wir haben definitiv zu lange damit zugewartet, 100 Prozent unserer Energie ins Startup zu investieren. Natürlich ist man in so einer Situation bemüht, das Risiko so gering wie möglich zu halten. Aber dementsprechend entwickelt sich alles auch viel langsamer.“ Ein Beispiel dafür ist die Logistik. „Dafür gibt es viele kompetente Partner, die das auf einem viel höheren Niveau umsetzen können als du selbst“, weiß Lechner mittlerweile. „Natürlich ist das aber auch mit Kosten verbunden. Erst wenn du den Schritt wagst und die Verantwortung hier abgibst, erkennst du, wie viel zusätzliche Energie du für andere Themen haben kannst, die dich schneller weiter bringen.“

„Lernprozess auf Höchstgeschwindigkeit“

Beide würden den Schritt zur Startup-Gründung aber wieder wagen. „Die Gründung deines eigenen Startups ermöglicht dir eine ganz neue Art zu arbeiten. Neben dem schöpferischen Prozess ist es aber auch ein Lernprozess auf Höchstgeschwindigkeit. Das macht es nicht nur spannend und aufregend, sondern bietet auch viele Möglichkeiten, um dich persönlich weiterzuentwickeln“, ist Lechner überzeugt. Fichtinger kann ähnliches berichten: „Die letzten Jahre waren unglaublich aufregend und übertrafen all unsere Erwartungen. Die Lernkurve kann kaum steiler sein, da man von Anfang an eine unglaubliche Eigenverantwortung hat und viele verschiedene Wertschöpfungsketten aufbauen muss.“

„Als wir etwas tiefer in das Kernthema blickten, merkten wir schnell, dass die Entsorgung von Obstkernen ein globales Problem ist", erklärt Luca Fichtinger von Kern Tec. © Trending Topics / David Visnjic
„Als wir etwas tiefer in das Kernthema blickten, merkten wir schnell, dass die Entsorgung von Obstkernen ein globales Problem ist“, erklärt Luca Fichtinger von Kern Tec. © Trending Topics / David Visnjic

Für die Zukunft nehmen sich beide Startups vor, mehr Menschen zu erreichen. „Dabei geht es nicht nur darum, mehr Müsli zu verkaufen, sondern auch um dem Thema mehr Raum in unserer Gesellschaft zu geben. Global werden über die gesamte Lieferkette rund ein Drittel aller Lebensmittel entsorgt. Gerade Brot ist davon sehr stark betroffen“, so Lechner. Das oberste Ziel von BRüSLI ist es, heuer 1.000 Tonnen Brot vor dem Mülleimer zu retten. Aber Lechner denkt bereits größer und streckt ihre Fühler auch in Richtung Politik aus, um auf das Thema aufmerksam zu machen: „Unsere Mission für heute gilt der Rettung von Brot. Unsere große Vision ist ein Leben ohne Lebensmittelverschwendung.“

Kern Tec hingegen, das seine Produkte bisher nur an Firmen verkauft hat, startete kürzlich auch seine Marke „Wunderkern“. Endkunden können unter dieser Marke Öle und Brotaufstriche aus Obstkernen bestellen, weitere Produkte sollen in den kommenden Monaten folgen. „Dieser Schritt soll helfen, die Rohstoffe noch bekannter zu machen und möglichst vielen Leuten die Chance zu geben, die nach­haltigen Produkte zu testen“, so Fichtingers Plan.

Text: Marcel Strobl
Foto: David Visnjic

Diese Story stammt aus dem Gründer:innen-Guide 2022. Der ist hier kostenlos als Download abrufbar.

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