Kerns Idee für einen 300 Millionen schweren staatlich-privaten Fonds ist vorerst geplatzt
Bei seinem Auftritt am „Austrian Startups“-Stammtisch war es eine der vielen Initiativen, die Bundeskanzler Christian Kern für die heimische Gründerszene auf Schiene bringen wollte: Ein Risikokapitalfonds, der sowohl aus öffentlichen Geldern als auch Kapital von Privatinvestoren bestehen soll. Diese Idee werde vom Finanzministerium weiter ausgearbeitet, ließ Kern damals in einem Nebensatz fallen.
Das Finanzministerium zeigt sich auf Anfrage zum Status dieses Venture-Capital-Fonds unwissend. Man habe schon damals nicht gewusst, wovon der SPÖ-Chef da spricht: „Uns ist das Thema leider nicht bekannt“, heißt es aus dem Büro von Finanzminister Hans Jörg Schelling.
„Der Kanzler redet immer wieder auch über Themen, bei denen die ÖVP nicht mit ihm einer Meinung ist“, erklärt Kern-Sprecher Nikolai Moser das Unwissen des ehemaligen Koalitionspartners. Der Fonds war eine Maßnahme aus dem „Plan A“, die es nicht in das Arbeitsprogramm, das die Regierung im Januar beschlossen hat, geschafft hatte. Kerns „AustrianStartups“-Termin, bei dem er darüber sprach, war am 22. Februar. Dort müsste eigentlich bereits klar gewesen sein, dass der Fonds nicht realisiert wird. „Dass die Angelegenheit von der Regierung verfolgt wird, war wohl ein Missverständnis“, argumentiert Kerns Presseprecher.
300 Millionen Euro für Wachstum
Konkret wollte die SPÖ mit einer öffentlichen Anschubfinanzierung von 30 Millionen Euro privates Kapital hebeln. Insgesamt 300 Millionen Euro, das in Anschlussfinanzierungen fließen sollte. Damit will der Kanzler verhindern, dass Startups nach erfolgreicher Gründung in Österreich für spätere Finanzierungsrunden ins Ausland gehen.
Auch mit der Unterstützung der ÖVP wäre der Plan, 300 Millionen Euro Risikokapital von Privatinvestoren aufzustellen, ambitioniert gewesen. Österreichs bekannteste VC-Firma Speedinvest hat für den zweiten Fonds Ende 2015 90 Millionen Euro eingesammelt, konzentriert sich aber auf Investments in Frühphasen und finanziert auch Startups im Ausland. Venionaire Capital scheiterte vor zwei Jahren mit dem Versuch, einen Fonds in Höhe von 100 Millionen Euro einzurichten. Das Geld sollte vor allem von Versicherungen und Pensionskassen kommen.
Mit Capital300 startet in Österreich jetzt erneut der Versuch eines Wagniskapitalfonds für Wachstumsfinanzierungen. Bis zu 60 Millionen Euro wollen die Fonds-Manager aufstellen. Die erste Etappe, 20 Millionen Euro, ist noch nicht erreicht. Wie Kanzler Kern will Capital300 verhindern, dass Jungunternehmer für spätere Finanzierungsphasen ins Ausland gehen.
Wackeln auch die Cluster?
Für die SPÖ ist die Bildung von Startup-Clustern in Österreich die einzige gründungsfördernde Maßnahme aus dem „Plan A“, die noch vor den Neuwahlen im Oktober umgesetzt werden könnte. Und selbst dieses Vorhaben wackelt angesichts der angespannten Beziehung der ehemaligen Regierungspartner, obwohl die Verhandlungen fortgeschritten sind. Im Interview mit Pioneers-Gründer Andreas Tschas betonte Kern diese Woche noch einmal, wie wichtig ihm die Schaffung von Branchencluster sei: „Wir haben eine exzellente Industrie und darauf können wir aufbauen.“
Beim Pioneers, wo der SPÖ-Chef vergangenes Jahr seinen symbolischen ersten Auftritt vor der Gründer-Community hatte, schaute Kern auf einen Kurzbesuch vorbei, hielt sich mit Ankündigungen aber zurück. Und auch wenn nicht alle seiner Ideen in der Koalition eine Chance hatten, dürfte Kern Startups im Wahlkampf zu einem zentralen Thema machen. „Österreich sollte als Standort für Umwelt- und Energietechnologien positioniert werden“, sagt er gegenüber Tschas. Die Startup-Initiativen sollen nach der Wahl am 15. Oktober wieder oben auf der Prioritätenliste sein.
Elisabeth Oberndorfer schreibt als freie Journalistin über Technologie, Wirtschaft, Silicon Valley und die österreichische Startup-Politik.