Kerosin aus dem Bio-Labor: Bakterien sollen Fliegen nachhaltiger machen
CO2-neutrales Kerosin, oder Treibstoff, der sogar aus CO2 hergestellt wird – für die meisten Fluggesellschaften ist das der heilige Gral. Die Flugbranche muss grüner werden, so viel ist sicher. Verschieden Startups arbeiten bereits an Lösungen, wie man Fliegen nachhaltiger gestalten kann. So versucht auch das Startup Chemvita Factory eine Alternative zum erdölbasierten Kerosin herzustellen – nämlich mit gentechnisch modifizierten Mikroben. Einen großen Unterstützer hat das Unternehmen bereits: Die US-Airline United Airlines, eine der größten Fluggesellschaften der Welt.
Bakterien wandeln CO2 und Licht zu Kraftstoff um
Chemvita Factory setzt dabei auf sogenannte Cyanobakterien, die Licht und CO2 zum Wachstum brauchen. Durch eine gentechnische Modifikation scheiden sie dabei – sozusagen als Abfallprodukt – einen öl-freien Treibstoff aus, der sich zu Flugzeugkraftstoff weiterverarbeiten ließe. Das Verfahren ist dabei aber noch in einer frühen Phase, es arbeitet momentan noch an einer Skalierung im Labormaßstab. Von einer Marktreife ist das Startup also noch weit entfernt. Daneben arbeitet Chemvita auch an Mikroorganismen, die aus Licht und CO2 Ethen (auch Ethylen) herstellen sollen. Das Gas ist ein wichtiger Bestandteil in der Herstellung verschiedener Kunststoffe.
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Dennoch finanziert United Airlines das Unternehmen. „Wir sehen bis heute keine Alternative zum Flüssigtreibstoff“, sagt Andrew Chang, Direktor von United Airline Ventures, der Risikokapitalabteilung des Unternehmens, gegenüber MIT Technology Review. Der Kraftstoff von Chemvita könnte dabei nahezu CO2-neutral sein, da die Mikroben so viel CO2 aufnehmen wie beim Verbrennen des Treibstoffes wieder ausgestoßen werden. Kohlendioxid kann jedoch immer noch durch den Energieverbrauch bei der Herstellung und beim Transport des Bio-Kraftstoffs entstehen.
Chemvita ist nicht allein auf der Suche nach nachhaltigem Treibstoff
Chemvita ist dabei bei weitem nicht das erste Startup, das Fliegen „grüner“ machen will. Das Schweizer Startup Synhelion erzeugt etwa „solares Kerosin“ durch Solarkraft aus CO2 und Wasser. Bereits im kommenden Jahr will die Swissair zumindest einzelne Probeflüge unter Zugabe des neuen Treibstoffes durchführen (wir berichteten). Das Unternehmen Atmosfair produziert in einer Anlage in Norddeutschland CO2-neutrales Kerosin durch das sogenannte „Power-to-Liquid“-Verfahren aus Wasser und Windkraft. Dabei stellt man zunächst Wasserstoff her, aus dem dann, in Kombination mit dem CO2 einer Biogasanlage, flüssiges Kerosin entsteht.
Sogar der britische Mineralöl- und Energiekonzern BP ist auf der Suche nach dem sogenannten „Sustainable Aviation Fuel (SAF)“ und setzt dem Rohöl in einem „Co-Processing“ gebrauchtes Speiseöl zu. Beides wird gemeinsam raffiniert und zu Kerosin verarbeitet. International ist im Flugverkehr Kerosin mit bis zu 5 Prozent biogenem Anteil – also unter anderem Speisefett – zugelassen. Deutlich nachhaltiger wird das Fliegen dadurch also nicht.
Flugzeug durch Zug ersetzen
Problematisch ist beim Fliegen allerdings nicht nur der CO2-Ausstoß, sondern auch andere Emissionen wie Rußpartikel oder Stickoxide. Dementsprechend sind Kerosin-Alternativen zumindest bisher eher dazu da, das Gewissen der Fluggesellschaften und der Reisenden zu lindern, anstatt wirklich zum Klimaschutz beizutragen. Denn es gilt immer noch: Der Flug, der nicht gemacht wird, hilft dem Klima am meisten.