Flugbranche

Kerosin versetzt mit Speiseöl: Wie das Fliegen grüner werden soll

Die Flugbranche auf der Suche nach nachhaltigem Kerosin ©pixabay
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Er gilt als eine der Hoffnungen für die Zukunft des Flugverkehrs: nachhaltiger Flugkraftstoff. Denn bisher ist das Fliegen vieles, aber sicher nicht nachhaltig. Weltweit trägt der Flugverkehr laut dem deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum mit mehr als drei Prozent zur menschengemachten Klimakrise bei. Aus diesem Grund sucht die Branche verzweifelt den erlösenden, heiligen Gral: Einen Treibstoff, der das Klima, aber auch das Gewissen der Flugreisenden nicht belastet.

Nun steigt auch der britische Mineralöl- und Energiekonzern BP in die Suche ein. Ihr „Wundermittel“ dabei: Frittierfett. Wie der Konzern aktuell bekannt gibt, starten diese die Produktion von sogenanntem „Sustainable Aviation Fuel (SAF)“ an dem deutschen Standort in der Raffinerie Lingen mit dem „Co-Processing“-Verfahren. Laut eigenen Angaben seien sie damit die erste industrielle Produktionsstätte in Deutschland, welche dieses Verfahren für SAF auf Basis von Biomasse nutzt.

Österreichische Kurzstreckenflüge fast immer durch Bahn ersetzbar

Gleicher CO2-Ausstoß, aber bessere Gesamt-Klimabilanz

„Biomassebasierten Flugkraftstoffen kommt eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung des Luftverkehrs zu. Denn im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin bewirkt SAF eine signifikante CO2-Reduktion über den gesamten Lebenszyklus des Kraftstoffes. Zudem können ihn Fluggesellschaften ohne technischen Umbau sofort einsetzen“, gibt Arno Appel, Vorstandsmitglied der BP Europa SE und Leiter der Raffinerie in Lingen in einer Mitteilung an.

In dem „Co-Processing“-Verfahren wird das gebrauchte Speiseöl gemeinsam mit Rohöl-Kohlenwasserstoffen für das normale Kerosin verarbeitet. Die Biorohstoffe stammen etwa aus Kantinen oder Gastronomiebetrieben, so die Angaben des Unternehmens dazu und seien zumeist pflanzlich, teilweise auch tierischen Ursprungs. Dadurch, dass Abfallstoffe noch einmal verwendet werden, soll die Gesamt-Klimabilanz besser sein, auch wenn sich bei der Höhe des CO2-Ausstoßs bei später Verbrennung nicht viel ändern wird. 

Das SAF hätte laut BP dann die gleichen Eigenschaften wie herkömmliches Kerosin und sei international für den Flugverkehr mit 5 Prozent biogenem Anteil zugelassen. In weiterer Folge wolle man weltweit einen Marktanteil von 20 Prozent SAF erreichen. Dieser Wert soll allerdings nicht nur durch die Verwendung im Flugverkehr, sondern auch im Straßenverkehr erreicht werden.

CO2-neutrales Kerosin: Kein Wundermittel für die Luftfahrt

CO2-neutrales Kerosin aus Norddeutschland

Anhand dieser Werte zeigt sich bereits – nachhaltig wird das Reisen mit dem Flugzeug auch mit dem Speiseöl gespritzten Kerosin nicht. Weiterhin wird größtenteils auf Rohöl basierendes Kerosin verwendet. Somit ist das Frittierfett eher als Tropfen auf dem heißen Stein, statt als Wundermittel zu betrachten. Damit reiht sich dieses zu anderen Ansätzen von nachhaltigerem Kerosin ein. Anfang Oktober 2021 startete bereits in dem beschaulichen Ort Wertle in Norddeutschland eine neue Anlage, in welcher die große Hoffnung der Luftfahrt produziert werden soll: CO2-neutrales Kerosin, wir berichteten. Verantwortlich für den Bau und Betrieb der Anlage ist die Umweltorganisation Atmosfair.

Dieses CO2-neutrale Kerosin wird in einem „Power-to-Liquid“-Verfahren hergestellt. Aus Wasser und Windkraft aus dem Umland wird in einem chemischen Prozess zunächst Wasserstoff hergestellt. Hinzugegeben wird dann Kohlendioxid (CO2) aus Lebensmittelresten einer Biogasanlage und aus der Umgebungsluft. Daraus wird dann in einem weiteren chemischen Prozess das flüssige Kerosin hergestellt. Fliegt ein Flugzeug mit dem Kerosin aus Wertle, entweicht bei seiner Verbrennung nur das CO2, was man in seine Herstellung hineingegeben hat. Dadurch ist es CO2-neutral. Im Regelbetrieb soll die Anlage ab 2022 eine Tonne bzw. acht Fässer Rohkerosin pro Tag produzieren. Viel ist das nicht – laut Atmosfair-Geschäftsführer Dietrich Brockhagen im Interview mit dem NDR verbraucht allein ein Airbus A350 pro Flugstunde fünf Tonnen Kerosin.

Solares Kerosin: Fliegen rein durch Sonnenlicht und Luft

Solares Kerosin aus Zürich

Neben der somit eher geringen Menge, ist die Herstellung von CO2-neutralem Kerosin zudem auch sehr energieaufwendig und angewiesen auf entsprechende Mengen Erneuerbare Energien. Zudem hat der Kraftstoff energetisch eine große Schwäche: Er ist alles andere als energieeffizient. Von der Energie, die in Produktion fließt, werden laut dem Allgemeinen Deutsche Automobil-Club (ADAC) am Ende nur 10 bis 15 Prozent in Fortbewegung umgesetzt. 

Ein weiteres Beispiel: In der Schweiz wird nun ebenfalls an CO2-neutralem Kerosin geforscht, basierend auf dem „Gas-to-Liquid“-Verfahren. Die Zutaten dazu: Sonnenlicht und Luft. Das sind zumindest die Angaben der ETH Zürich, welche gemeinsam mit Forschenden des Institute For Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS) aus Potsdam an dem solaren Kerosin forschen. Im November 2021 gaben die Forschenden bekannt, dass sie in einer von ihnen erbauten Anlage CO2-neutralen Treibstoff aus Sonnenlicht und Luft erfolgreich herstellen konnten, wir berichteten. Von einer Produktion im industriellen Maßstab sind die Forschenden allerdings noch weit entfernt. Zudem, wie auch bei der Anlage in Norddeutschland, ist die Energieeffizienz bisher unzureichend.

Weniger Fliegen ist mehr Klimaschutz

Und: Problematisch beim Fliegen ist nicht nur der CO2-Ausstoß. Auch wenn ein Flugzeug CO2-neutrales Kerosin tankt, schadet es dem Klima in Form von Kondensstreifen und Stickoxiden. Somit sind die bisherigen Ansätze weit davon entfernt, eine tatsächliche Lösung für alle Umweltauswirkungen des Fliegens zu sein. Auf Interesse der Branche stoßen diese aber trotzdem. So gibt BP an, dass es bereits Kunden für das Biokerosin gebe und auch der CO2-neutrale Kraftstoff aus Norddeutschland hat bereits einen Abnehmer gefunden. Die deutsche Fluggesellschaft und AUA-Mutter Lufthansa will nach eigenen Angaben jährlich 25.000 Liter des klimaneutralen Treibstoffs kaufen.

Somit ist zumindest die anteilmäßige Verwendung von solchen neuen Kraftstoffen besser als nichts. Denn das Interesse am Fliegen scheint, trotz der allseits bekannten Klimaauwirkungen, nicht zu sinken. Laut einer im Juli 2021 durchgeführten Online-Umfrage des Luftfahrtverbandes wollen Österreicher:innen, die vor der Krise gerne geflogen sind, das laut Berichten der apa auch zukünftig wieder tun. Umweltüberlegungen spielen beim Fliegen nur eine kleine Rolle, so die Ergebnisse der Umfrage. Am liebsten wären den Menschen technologische Neuerungen, die Fliegen sauberer machen. Die bisherigen Forschungen zeigen: Soweit sind die Entwicklungen aber noch nicht. Daher gilt am Ende weiterhin: Weniger Fliegen ist mehr Klimaschutz.

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