Geplantes Kickback-Verbot bedroht Geschäftsmodelle der Neobroker
Vor wenigen Tagen ging ein Aufatmen durch die europäischen Finanzwelt – dieser Tage eher ungewöhnlich. Doch nach starkem Lobbying-Druck vor allem aus Deutschland wird die EU-Finanzkommissarin Mairead McGuiness ihren Aussagen auf einer Konferenz in Stockholm zufolge bei der Gestaltung der „Retail Investment Strategy“ von einem vollständiges Provisionsverbot für Finanzberater:innen absehen.
Denn Finanzberater:innen, die Provisionen bekommen empfehlen Klienten in der Regel nicht günstigsten Produkte, sondern jene, für die es die höchsten Provision gebe. Das sei nicht im Interesse der Kleinanleger:innen, die Finanzberatung brauchen. Doch gerade in Ländern wie Deutschland, Frankreich oder auch Österreich ist dieses Provisionssystem systemimmanent – noch werden 80 Prozent der Fonds an Privatanleger:innen über Banken vertrieben, und dort bekommen die Berater:innen wesentliche Teile des Lohns über diese Provisionen.
Die Sache ist aber nicht vom Tisch. In der für Ende Mai erwarteten Kleinanlegerstrategie der EU-Kommission soll es eine Revisionsklausel geben, welche ein vollständiges Provisionsverbot zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht. Während die Bankberater:innen vorerst aus dem Schneider sind, kann es vor allem den Geschäftsmodellen von Neobrokern und Online-Banken an den Kragen gehen. Denn: McGuiness will ein Verbot von Provisionen bei „Execution Only“-Geschäften. Das kann überall dort zum Tragen kommen, wo nicht beraten wird, aber wo etwa Trading-Apps Orders ihrer Kund:innen (z.B. für einen ETF) annehmen und dann an Provisionen („Kickbacks“) zahlende Handelsplätze weitergeben.
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Fragliche „Execution Only“-Geschäfte
„Je nachdem, wie umfassend die EU-Kommission ein „Provisionsverbot“ im „Execution Only“-Geschäft auslegt, wären jeweils beim Kauf eines Fonds anfallende Ausgabeprovisionen, jährlich wiederkehrende Bestandsprovisionen für das Halten von Fonds im Bestand, aber ggf. auch die bei Neobrokern besonders umsatzrelevanten und jeweils beim Kauf von ETFs anfallenden Kickbacks betroffen“, heißt es seitens Max Biesenbach und Sonia King von der Strategieberatung Simon-Kucher. „Sollten neben Execution Only-Geschäften auch beratungsfreie Transaktionen vom Provisionsverbot betroffen sein, wäre insbesondere das Geschäftsmodell der Neobroker von diesem Schritt drastisch betroffen.“
Ein Provisionsverbot für beratungsfreie Transaktionen könnte auch klassische Filialbanken treffen, so die Expert:innen weiter, sollte die EU-Kommission auch die im Rahmen eines beratenen Wertpapierdepots anfallenden beratungsfreien Geschäfte mit einem Provisionsverbot versehen.
Wie mehrmals berichtet, ist das Geschäftsmodell PFOF („Payment For Order Flow“), auf dem Neobroker wie Trade Republic oder Scalable Capital aufbauen, schon seit längerem unter Beschuss. Nun spitzt sich die Lage in Richtung der Präsentation der Kleinanleger:innen-Strategie der EU-Kommission Ende Mai zu. Sollte das wie beschrieben kommen, dann müssten die Neobroker und Direktbanken Teile ihrer Geschäftsmodelle ändern.
„Eine Einführung von monatlichen Abogebühren oder auch die Erhöhung von Transaktionsgebühren könnten denkbare Folgen sein“, so Biesenbach und King. Solche Abogebühren haben bereits die Neobroker Scalable Capital („Prime+ Broker um 5 Euro/Monat) oder BUX eingeführt. Spannend wird vor allem, wie Trade Republic reagieren wird. Der Berliner Neobroker hat bisher sein PFOF-Geschäftsmodell verteidigt und sich als Spar-Plattform mit neuem Zinsangebot positioniert.
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