kiweno-Gründerin Bianca Gfrei: „Es war ein wichtiger Prozess für uns“
Bianca Gfrei hat eine harte Zeit hinter sich. Die Gründerin von Kiweno ist bislang die einzige österreichische Gründerin, die sich öffentlich Kritik an den Unverträglichkeitstest ihres Unternehmens stellen musste. Zur Erinnerung: Nachdem Kiweno sieben Millionen Euro an Media-Investment von ProSieben Deutschland und ProSiebenSat1Puls4 bei der TV-Show „2 Minuten 2 Millionen“ bekommen hatte, fand sich Gfrei mitten in einem medialen Gewitter. Mediziner erhoben Zweifel, ob das dabei angewendete Testverfahren überhaupt passende Ergebnisse über Nahrungsmittelunverträglichkeiten liefern könne. Kiweno bzw. das deutsche Partnerlabor Biovis messen in den Blutproben, die Nutzer einschicken, Antikörper des Typs IgG4, um Unverträglichkeiten auf bestimmte Eiweißbestandteile der Nahrung festzustellen. Ein halbes Jahr später haben sich die Wogen etwas geglättet. Wir haben Gfrei zu einem Gespräch über Krisenmanagement, Team-Building in schweren Zeiten und die Zukunft von Kiweno getroffen.
Bianca, gab es einen Moment im vergangenen Frühjahr, an dem du dachtest, dass dir die Situation über den Kopf wächst?
Es war eine unfassbare Drucksituation nach der Ausstrahlung der Show und den folgenden Artikeln. Die größte Lektion war, dass unsere Breitenwirkung größer ist, als wir uns gedacht haben. Ich hab nächtelang nicht geschlafen. Das Karussell hat sich gedreht: Hätten wir mehr Rücksicht auf die sensible Kommunikation des Themas legen sollen? Welche Informationen hätten wir besser transportieren müssen? Wir hatten uns einen Plan zurecht gelegt: Anstellungen für die TV-Kampagne geplant, schnelle Expansion, Ausbau der Lieferketten. Dann kam dieser Wirbelsturm und alles wurde über den Haufen geworfen.
Die TV-Kampagne bei ProSieben war geplant und eingebucht und die Kritik an euren Tests rauschte durch die Zeitungen. Wie balanciert man durch dieses Minenfeld? Es stand viel Geld und eure Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.
Ich habe nie an unserer Herangehensweise gezweifelt. Es war eine strategische Entscheidung. Die Verantwortlichen beim Sender waren alles andere als glücklich, als ich ihnen gesagt habe, dass wir die Kampagne zurückziehen. Sie schlugen vor, dass wir einen neuen Spot drehen sollten um weiter im Plan zu bleiben. Aber das wäre nicht das Richtige gewesen. Wir wollten uns zurückziehen und zuerst die Ursachen behandeln. Und das haben wir getan. Wir haben Medizinrechtler beauftragt, die die Texte überarbeitet haben. Wir waren ein junges, sehr idealistisches Team und haben einige wichtige Dinge übersehen. Die nachzubessern war ein schmerzhafter Prozess, aber wir sind daran gewachsen.
Wurde euch Vertragsbruch vorgeworfen?
Nein, das ist das unternehmerische Risiko bei Investitionen in Startups. Es kann auch mal etwas schief gehen und nicht so laufen, wie man es vorgesehen hatte. Wir haben klar kommuniziert, dass wir erst unsere Produkte schärfen wollen, bevor wir die Kampagnen starten. Es darf nichts mehr zu rütteln geben an unseren Produkten.
Ist die Kritik bei Euren Kunden angekommen? Hattet Ihr Umsatzeinbußen?
Wir haben dieIgG4-Tests nicht erfunden. Sie sind langjährige medizinische Methode. Wir haben den Kunden den Weg zum Arzt erspart. Das ist unsere Innovation. Unser Fehler lag darin, dass wir nicht klar und deutlich kommuniziert haben, was die Tests können und was nicht, welche Dienste wir anbieten und welche Rolle wir in diesem Prozess spielen. Deshalb mussten wir diesen medialen Stellvertreterkrieg zwischen Ärzten, Labors und Allergologen-Vereinigungen austragen. Wir hatten durch die Kampagne mit exponentiellem Wachstum gerechnet, die Umsätze blieben dann auf ausgeglichenem Niveau. Die Sommermonate waren sehr schwierig. Wir haben viele Rückfragen bekommen und in die Costumer Services investiert. Wir haben Fachpersonal, also Ernährungsberater, in den Support gesetzt, die haben gemerkt, dass viel Informationsbedarf besteht. Wir haben stark polarisiert. Unsere Kunden haben uns den Rücken gestärkt. Einige wurden zu Markenbotschaftern. Das hätten wir so nicht erwartet.
Ein logischer Schritt wäre gewesen, die kritisierten igG4-Tests zu ersetzen. Ihr haltet aber nach wie vor an der Methodik fest. Warum?
Wir haben sehr lange und ausführlich darüber diskutiert, ob wir die Tests aus dem Portfolio nehmen. Wir bieten ja noch andere Tests an. Aber in diesem Segment wird viel geforscht, die Genauigkeit entwickelt sich ständig weiter. Bislang können sehr viele Unverträglichkeiten aufscheinen, aber die Reihe wird immer detaillierter. Wir wissen, dass dieser Test kein Allheilmittel ist. Das kann auch niemand für 99 Euro erwarten. Es ist ein Baustein für mehr Wissen über den eigenen Körper. Die Kunden können nicht erwarten, dass sie danach den perfekten Ernährungsplan haben. Die Alternative wäre ein zellulärer Test, auf genetischer Ebene, der aber noch nicht ausreichend erprobt ist. Auch das wäre schwer zu kommunizieren. Wir haben eine Biochemikerin engagiert, die für uns mit den Labors alle Möglichkeiten auf dem Segment der Nahrungsunverträglichkeit durchdiskutiert. Aktuell gibt es zu den IgG4-Tests keine Alternative.
Also war das ganze eher eine Kommunikationskrise, als eine methodische?
Unser Investor Hansi Hansmann hat da sehr sehr gute Inputs geliefert. Er sagte: „Ihr bewegt etwas. Ihr bekommt nur soviel Kritik ab, weil die großen Institutionen ihr Geschäftsmodell gefährdet sehen. Das ist für ein Startup per se keine schlechte Nachricht.“ Wir haben den Kritikern allerdings sehr große Angriffsfläche geboten. Wir hatten keine klaren Disclaimer auf der Homepage. Diese Fehler haben wir ausgebessert. Es gibt auf dem Gebiet leider keine eindeutigen Studien. Ob Symptome einer Unverträglichkeit oder einer Allergie zugerechnet werden müssen. Es ist eine junge Disziplin und ein hart umkämpfter Markt. Auch hier wird sich einiges entwickeln in den kommenden Jahren.
Verfolgst du den Niedergang von Theranos und Gründerin Elizabeth Holmes in den USA? Hat das Einfluss auf deine Entscheidungen?
Die Entwicklung von Theranos spielt unglaublich negativ in unsere eigene Geschichte hinein. Der Konnex ist leicht hergestellt: Blut, Startup, blonde Gründerin. So pauschal läuft das meistens ab. Es muss ja das gleiche sein. Ist es aber nicht. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Theranos trägt die komplette Verantwortung für die Analyse. Sie entwickeln eine neue Methodik, um verschiedene Parameter aus dem Fingerkuppenblut (Kapillarblut) abzulesen. Wir sind im Grunde eine Marketing und IT-Company, die bestehende Analytik aufnimmt und den Prozess außen herum optimiert. Wir haben mit der Analyse selbst nichts zu tun. Wir haben Partnerlabore, wie ein Arzt oder eine Klinik. Die Assoziation ist, dass es in den USA nicht geklappt hat, also kann es bei uns auch nicht funktionieren. Das ist eine gefährliche Tendenz.
Was sind das für neue Produkte und wie weit seid ihr damit?
Im Moment haben wir sieben Produkte im Portfolio und eine völlig neue Strategie. Wir behalten die igG4-Tests, bis es eine bessere Alternative gibt. Wir stellen uns breiter auf, bieten Histamin-Tests an und kümmern uns um das ganze Feld der Mikronährstoffe und der Hormone, scharf auf vordefinierte Zielgruppen abgestimmt. Ein Beispiel ist der Happy-Test: 80 Prozent der Menschen leiden in den Wintermonaten an Vitamin D-Mangel. Das hat großen Einfluss auf den Gemütszustand und den Energielevel. Wir testen Speichel und Urin. Da ist die Hemmschwelle auch nicht so groß wie bei Blut. Außerdem bieten wir den Performance-Test für Sportler an, einen Beauty-Test für Mikronährstoffe, die wichtig für Haut und Haare sind. Das Thema Stress werden wir angehen. Den Veggie-Test mit einer Überprüfung des Vitamin B12, das für Vegetarier und Veganer besonders wichtig ist.
Der nächste Schritt ist die Integration ins Gesundheitssystem. Wir sprechen mit großen Kurzentren, Medical Centern und einer gr0ßen österreichischen Versicherung über die Möglichkeit unseren Test zu übernehmen.
Welche Ratschläge würdest du anderen Gründern aus diesen dunkeln Monaten mitgeben?
Zuerst einmal, dass es richtig richtig schwierig und dreckig werden kann. Dass sie genau abwägen sollen, wo sie auftreten und welche Chancen sie annehmen. Erreicht man durch diese Präsenz so viel, dass man alles andere in Kauf nimmt, was das Rampenlicht mit sich bringt? Wir waren damals definitiv noch nicht so weit. Aber man lernt am besten aus den eigenen Fehlern. Heute sind wir reifer und haben sattelfeste Produkte. Es war ein wichtiger Prozess für Kiweno.