Klarna: „Nennen wir es einfach ein Shopping-Ökosystem“
Klarna, das sind doch die Buy Now Pay Later-Anbieter aus Schweden. Dieses Unicorn, das eine ziemlich dicke Downround durchmachen mussten. Die mit Snoop Dogg, Lady Gaga und Paris Hilton als Testimonials. Ja das ist Klarna. Klarna ist aber auch ein immer wichtigerer Player im Digital Advertising-Bereich, weil über die App mit 150 Mio. Nutzer:innen immer mehr Traffic auf die Webseiten von Online-Händler:innen geleitet werden. Und zwar nicht nur von Online-Händler:innen, die Klarna-Bezahlmethoden integriert haben, sondern zu vielen anderen ebenfalls.
Christian Kehr, der Country Lead für die Schweiz bei Klarna, spricht im Interview darüber, wie diese neuen Media Services funktionieren und wie man damit Google Shopping angreift.
Trending Topics: Ich starte mal mit der dringendsten Frage: Brauchst du eigentlich noch eine Kreditkarte?
Christian Kehr: Für bestimmte Einkäufe nutze ich auch noch meine Kreditkarte, muss ich ganz ehrlich zugeben. Ganz, ganz viel natürlich auch im Flugbereich mit Miles and More verknüpft, um dann Meilen zu sammeln. Aber für Einkäufe, wo ich beispielsweise dem Händler nicht ganz vertraue, wo ich das Produkt erst in den Händen behalten möchte, bevor ich irgendwie dafür zahle oder eben beispielsweise, wenn es doch mal ein Einkauf ist, der im höherpreisigen Bereich ist und ich mich für die Finanzierung entscheide, dort ist immer die preferred Wahl tatsächlich Klana.
Die Frage war natürlich aufgelegt, weil Klarna ja versucht, tatsächlich eine europäische Alternative zur Kreditkarte oder zur Debit Card anzubieten. Erzähl uns mal, wie läuft’s?
Also ich weiß nicht, wann du das letzte Mal auf deinem Mobile Device versucht hast, was einzukaufen und dann irgendwie deine Kreditkartennummer angeben musst oder dich daran erinnern musst, wann das Expiry Date ist. Bei Klarna gibst du einfach deinen Namen und dein Geburtsdatum im Checkout an. Wenn es Sign-In mit Klarna gibt, dann musst du das auch gar nicht mehr angeben, sondern es ist einfach schon alles vorausgefüllt mit deiner Lieferadresse etc. Das heißt: Ein Grund, warum so viele Kunden tatsächlich Klarna nutzen, ist auch der Convenience-Gedanke. Wir haben eine Vollbank-Lizenz, was das Ganze unterstützt. Und dementsprechend funktioniert das extrem gut. Und wir sehen, dass immer mehr Kunden in den Ländern tatsächlich immer häufiger auch Klarna nutzen. Du hast ja sicherlich auch in dem letzten Financial Report gesehen, in den H1-Results, sind wir 14% im GMV (Außenumsatz, Anm.) gewachsen, Top-Line. Da sind wir natürlich extrem happy drüber, wir haben den kompletten E-Commerce-Markt global outperformed. Wir Sind jetzt seit einigen Wochen auch mit Airbnb live, was extrem gut funktioniert.
In Österreich ist extrem wertvoll für uns, dass wir jetzt mit der kompletten Lutz-Gruppe live gegangen sind. Wir machen sehr, sehr viel mit Refurbed zusammen, wo wir auch verschiedene Ideen für die Zukunft haben. Wir in Schweden mit Tradera, sozusagen das schwedische eBay, eine Lösung gelauncht, dass Kunden tatsächlich aus der Klarna-App heraus Produkte auf Tradera einstellen können. Also stell dir vor, du kaufst dir dein iPhone bei Refurbed oder bei Apple, zahlst das mit Klarna und nach zwei Jahren möchtest du es wieder verkaufen. Dann kannst du es einfach mit einem Klick aus der Klarna-App heraus auf Tradera listen.
Wie viele Leute benutzen euch in Österreich? Kann man das verraten?
Viele. Sehr, sehr viele. Das Gute ist, aus allen Altersbereichen, und wenn ich es richtig im Kopf habe, sind es aktuell viereinhalb Millionen Kunden, die in Österreich in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal mit Klarna interagiert haben. Dazu kommen aber die ganzen Media Services, die wir mittlerweile gelauncht haben. Das fängt damit an, dassverschiedene Händler ihre Product Listing Ads, die sie auf Google platzieren, das mittlerweile über Klarna machen. Es gibt die Klarna-Suche, die wir in Deutschland, Schweden und in Amerika gelauncht haben. Es ist eigentlich ein Preisvergleichsportal, wo Kunden, die eigentlich schon im mittleren Funnel ihrer Kaufentscheidung sind, einfach auf die Klarna Suche gehen können, und dann sehen sie alle Händler, die verschiedene Produkte auflisten und die verschiedenen Preispunkte. Das hilft dem Kunden natürlich, sich zu entscheiden, wo sie das Produkt tatsächlich kaufen. Und es ist auch unabhängig davon, ob der Händler dann tatsächlich auch Klarna am Checkout anbietet oder nicht.
Smoooth? Klarna macht 2022 einen Verlust von 946 Millionen Euro
Das zeigt die Richtung, wo ihr hin wollt, oder?
In der Vergangenheit war Klarna primär ein Bezahlanbieter. Jetzt mit den 150 Millionen Kunden global, die mehr als sieben Minuten pro Visit in der Klarna App verbringen, haben wir halt gesehen, dass es noch ganz, ganz viele andere Consumer-Pain-Points gibt, auf die wir uns fokussieren. Der ganze Discovery-Teil, der in Asien zum Beispiel extrem populär ist, wo du nicht nur auf Social Media gehst, um dich inspirieren zu lassen. Das gibt es in Asien nicht, sondern in Asien ist das eigentlich bei WeChat und bei anderen Plattformen alles komplett in einer App. Und das ist so ein bisschen auch die Idee, wo wir eigentlich mit Klarna hingehen wollen. Die Kunden verbringen so viel Zeit in der App, dann macht es natürlich schon Sinn, auch mit den ganzen Informationen auf Produktebene, die wir von den Händlern haben, mit denen wir zusammenarbeiten, den Kunden anzuzeigen. Der Kunde kann sich dann eben inspirieren lassen, er kann Preise vergleichen, er kann Reviews lesen bei Klarna, er kann sehen, was andere Kunden gekauft haben. Nennen wir es einfach ein Shopping-Ökosystem.
Was sind andere große Ökosysteme? Da kommst du sehr, sehr schnell auf Amazon, du kommst sehr, sehr schnell auf Google, du kommst auf die Meta-Welt. Du siehst jetzt TikTok, oder? Die haben jetzt auch ihren eigenen E-Commerce-Shop hintendran gelauncht, alle natürlich mit dem gleichen Intent, dass die Kunden beziehungsweise die User, die sie haben, dort eben allumfänglich Angebote ausgespielt bekommen. Und das können wir mit den 150 Millionen Kunden, die wir haben, auf der einen Seite, auch. Und zum anderen, und das ist halt auch der große Unterschied, können wir sehr, sehr stark personalisieren, weil wir die sogenannte End-to-End-Attribution haben. Wenn du mit Klarna zahlst, dann sehen wir, welche Produkte du kaufst, in welchen Farben, ob du Vegetarier bist, ob du Veganer bist, und wir sehen natürlich auch, was du zurückschickst. Und dementsprechend haben wir einen sehr, sehr umfangreichen Informationsschatz, den viele andere Plattformen nicht haben. Google oder Facebook, deren View hört am Checkout auf. Die sehen nicht, welche Produkte du zurückschickst, die sehen nicht, welche Farben du präferierst, die sehen nicht, was deine Zahlungsbereitschaft ist. Das sind natürlich ganz, ganz viele Datenpunkte, die wir dann anonymisiert unseren Händlern zur Verfügung stellen
In Deutschland und Schweden, also in den Kernmärkten, ist die Startseite von Klarna ja schon eine Preisvergleichsseite. Kommt das auch in Österreich?
Auf jeden Fall. Wir testen immer sehr, sehr gerne am Anfang in Amerika, weil dort die Bereitschaft für digitale Neuerungen doch noch ein bisschen höher ist. Jetzt haben wir es in Deutschland ausgerollt, es funktioniert extrem gut. Schweden ist sowieso der Heimmarkt, und jetzt wird es im Q1, spätestens Q2 2024, dann auch in Österreich kommen.
Und wie funktioniert dieser Preisvergleich? Ich vermute, da sind dann nur die Produkte jener Händler drinnen, die Klarna als Bezahlmethode anbieten.
Eben nicht. Das macht genau den Unterschied. Amazon ist das beste Beispiel, die haben sich dagegen entschieden – bis jetzt – uns im Checkout anzubieten als Bezahloption, aber sie haben einfach ein riesengroßes Affiliate Network, und unter anderem dort Klarna als Publisher. Das heißt, für den Traffic, der über die Klarna-Suche generiert wird und auf Amazon landet, kriegen wir eine gewisse Commission, und dementsprechend funktioniert das eigentlich ähnlich wie andere Affiliation Publishing Plattformen. Und genau so funktioniert es auch für die ganzen anderen Händler. Du musst im Checkout nicht unbedingt Klarna implementiert haben, um tatsächlich auch in der Klarna-Suche auffindbar zu sein.
Ein Händler, der Klarna integriert hat, wird sich dort wahrscheinlich ganz gerne listen lassen wollen. Die, die es nicht haben, die bezahlen dann eine Vermittlungsprovision, sollte Traffic von Klarna kommen.
Ganz genau. Und das Gute ist eben für die Händler: Das ist nicht wie bei Google auf einer CPM-Basis, also sprich Traffic, sondern bei uns ist es auf einer CPA-Basis. Also tatsächlich nur, wenn es zu einer erfolgreichen Transaktion kommt, zahlt der Händler eine gewisse Kommissions-Fee an uns, für den Abschluss, der dann passiert ist.
Das ist ja eine Ausweitung eures Geschäftsmodells. Zusätzlich zum Payment-Geschäft kommt das Werbegeschäft?
Das ist mit Abstand das schnellsten wachsende Geschäft bei uns in der Bilanz. Das sind genau diese Affiliate-Marketing-Fees, die wir bekommen. Instacart macht 40 Prozent derRevenues einfach nur über Ad Placements. Weil sie halt sehen, ob du Typ Pepsi oder Typ Coca-Cola bist. Wenn du bei jedem Instacart-Kauf Coca-Cola kaufst und dann Instacart aber sagt, hey, lass dir doch mal eine Pepsi-Ad für die neue Pepsi ausspielen, ist das natürlich extrem interessant. Die haben das allerdings halt nur für Groceries. Bei uns wäre es tatsächlich über alle Einkäufe und Reisen, die du tätigst.
Das heißt, bei Klarna gibt es eine ähnliche Entwicklung wie bei Amazon. Amazon ist ja schon lange nicht nur mehr ein Online-Händler, sondern auch stark im Digital Advertising.
Von der strategischen Ausrichtung auf jeden Fall. Media Services bzw. Marketing Revenues sind definitiv extrem interessant für uns. Der große Unterschied ist halt einfach, dass wir immer den Traffic zum Händler leiten, oder? Das heißt, der Kunde wird halt nie bei Klarna den Einkauf abschließen, sondern er geht von uns zu Nike, zu Adidas, zu Airbnb, zum Billa. Das heißt, der Händler ist für die User Experience verantwortlich. Das ist kein One-Stop-Shop à la Amazon. Wir leiten den Traffic zum Händler auf die Website. Er kann dort die komplette UX beeinflussen.
Also ist Klarna dann weniger Konkurrenz zu Amazon, sondern eigentlich eher zu Google-Shopping.
Genau, das ist ein guter Vergleich. Google macht seinen Job extrem gut, aber ist halt nicht inspirierend. Es gibt kein Shopping-Feed, es gibt keine Shoppable-Videos, keine Influencer, die auf Google-Shopping ihren Content teilen. Und das gibt es bei uns halt alles mittlerweile. Es gibt 15 bis 20-Sekunden-Videos in der App, wo Produkte adversiert werden von ganz, ganz vielen Influencern. Da ist Lady Gaga dabei, da ist Rihanna dabei, die mit ihren eigenen Labels dort die Promotion machen.
Klarna verringert Verluste – und ChatGPT hilft dem Fintech, Kosten zu sparen
Euer CEO, Sebastian Siemiatkowski, ist ein großer Fan von Open AI. Die Allianz OpenAI und Klarna ist ja auch insofern interessant, weil sie sich ja schon deutlich gegen Google, gegen Google Shopping richtet. Denn OpenAI ist ja im Zusammenspiel mit Microsoft ein ganz großer Konkurrent zu Google geworden. In den letzten Jahren gab es ja auch immer wieder Kartellrechtsvorwürfe gegen Google Shopping, da musste Google Shopping auch geändert werden. Hat sich da ein Fenster geöffnet, wo man sagt, okay, wir können jetzt wirklich den dominierenden Player in der Internet-Suche im Shopping-Bereich angreifen?
Ja, fix, auf jeden Fall. Aber es geht auch darüber hinaus, oder es geht nicht nur unbedingt um die Shopping-Experiences. In dem Moment, wo eben ChatGPT über Nacht so bekannt geworden ist, hat Sebastian bei uns im Slack Channel gefragt: Hey, das hat Riesenpotenzial, gibt es Leute, die interessiert sind? Und dann kamen innerhalb von wenigen Stunden, ich glaube, 200 Leute, die sich gemeldet haben mit Use Cases innerhalb von Klarna. Es gab ja früher schon AI, es gab auch früher schon Large Language Models, aber sie waren einfach nicht so zugänglich. Mittlerweile sind es mehr als 80 Projekte innerhalb von Klarna, die wir gelauncht haben, die alle in irgendeiner Art und Weise tatsächlich mit OpenAI beziehungsweise mit ChatGPT im Zusammenhang stehen.
Ihr geht ganz stark in diese Marketing-Richtung. Hat das auch ein wenig damit zu tun, dass zumindest ein Teil des Kerngeschäfts bei Buy Now Pay Later durch die neuen EU-Regeln unattraktiver wird? Ist das eine Abkehr davon?
Ganz im Gegenteil. Wir sehen tatsächlich das Potenzial. Pay Now Pay Later ist aktuell 1,5 oder 2 Prozent vom Global Transaction Volume. Das ist minimal. Aber es gibt einfach Einkäufe, wenn du dir einen Fernseher kaufst, wenn du dir Produkte kaufst, die einfach im höheren Volumenbereich sind, wo es halt tatsächlich dann eventuell Sinn macht, das Ganze zu finanzieren. Und der Vorteil von uns ist eigentlich, dass du es halt in der Klarna-App wieder genau aufgedröselt siehst, du siehst genau, was das Produkt kostet. Du siehst genau, über wie viele Monate das Ganze läuft. Wenn du früher eine Finanzierung abgeschlossen hast, war viel Paperwork involviert. Bei uns findet das Underwriting innerhalb von Millisekunden statt.
Klarna ist ja eigentlich auch eine Bank. wie sieht es bei den Zinsen aus?
Wir waren schon am Anfang sehr stark dabei, einfach den Leitzins von der EZB fast mehr oder weniger 1 zu 1 weiterzugeben. Das ist der große Vorteil, wenn man halt selber eine Banklizenz hat. Das heißt, wir müssen nicht auf irgendwelche anderen Banken zugreifen, um das entsprechend anzubieten. Und aktuell bieten wir tatsächlich mehr als 4% an. Wir verdienen unser Geld nicht unbedingt auf Kundenseite, sondern wir wollen es einfach 1 zu 1 weitergeben. Unser Revenue-Modell ist darauf aufgebaut, dass die Händler, mit denen wir zusammenarbeiten, entweder auf einer Transaktionsbasis bezahlen, wenn es um Payment geht, oder eben neuerdings mit den Media Services eben ganz, ganz stark auf einer CPA-Basis beziehungsweise einer CPC-Basis.
Ihr hattet schon viele Stars als Testimonials: Wer wird der oder die Nächste sein?
Wen wünschst du dir? Dieses Jahr hatten wir Paris Hilton. Es hat extrem gut funktioniert. Wir hatten wieder mehr als eine Milliarde Media Impressions global. Für nächstes Jahr? Mal schauen. Ich habe noch nichts gehört. Wenn du Wunschkandidaten hast, let me know.