Gastbeitrag

Klimakommunikation – Was würde der Profi sagen?

Klimakommunikationsprofi Gabriel Baunach © Climate Lab
Klimakommunikationsprofi Gabriel Baunach © Climate Lab
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Das Climate Lab ist ein Innovationshub für Klima-Akteur:innen aus ganz Europa. Es handelt sich dabei um eine Initiative des österreichischen Klima- und Energiefonds und des Klimaschutzministeriums (BMK) und wird gemeinsam mit dem größten Energieversorger des Landes, der Wien Energie, dem EIT Climate-KIC und dem Impact Hub umgesetzt. Im neuen Gastbeitrag geht es um das Thema Klimakommunikation. 

klimja: 3-fache Rendite mit Klimaschutz

Seit 2020 informiert der Experte für Klimakommunikation Gabriel Baunach bei Workshops für Unternehmen, in Keynotes, auf Webseiten, in Podcasts und mit dem Buch “Hoch die Hände Klimawende” über Klima-Fakten, Gefahren und Lösungen in der Klimakrise. In unserem Community Talk haben wir mit unserem Community Member über Fake und Fakten, kalte Duschen und warme Handtücher gesprochen.

Ich fall gleich mit der Tür ins Haus und stelle die wichtigste Frage vorneweg: Warum sollte man dir und deinen Inhalten mehr vertrauen als – sagen wir dem Telegram-Kanal “Die Klimalüge”?

Gabriel Baunach: Gute Frage (lacht). Ich würde sagen, aufgrund der Quellen, die ich für meine Inhalte, Workshops etc. verwende und die ich auch angebe. Ich möchte die Klima-Fakten – also den Stand der Wissenschaft – transparent und auf Basis seriöser Studien vermitteln.

Wie stellst du das sicher? Hast du den Bericht des Weltklimarats (IPCC) gelesen?

Tatsächlich ja – also nicht den gesamten, aber das Technical Summary vom letzten großen Assessment Report, das war damals 2020 der fünfte, der aktuelle sechste war noch nicht draußen. Daraus hab ich die ersten sechs Folgen meines Climaware Podcasts gebaut und alles von einem Klimawissenschaftler gegenhören lassen. Dabei hab ich natürlich auch selbst viel
gelernt. Ich hab zudem auch Maschinenbau und Energietechnik studiert, kann also einigermaßen mit Zahlen, Daten, Fakten und Graphen umgehen.

Außerdem war ich fünf Monate im Rahmen eines Praktikums beim UN-Klimasekretariat und in dieser Zeit auch bei der Klimakonferenz COP25 in Madrid dabei. Dort habe ich viele Kontakte zu IPCC Autor:innen geknüpft, von denen ich später in meinem Podcast ein paar interviewt habe. Auf diesem Wissensfundament habe ich meinen Climeware-Podcast, meine Vorträge und letztlich mein Buch aufgebaut.

Lässt du alle Folgen und Publikationen von Klimawissenschaftlern reviewen?

Seit 2021 nicht mehr. Ich zitiere aber möglichst alles mit Primärliteratur, so wie man das wissenschaftlich gut und sauber eigentlich tun sollte. Wenn es kritisches Feedback gibt und Fehler auffallen, dann korrigiere ich das natürlich.

Greifst du auch auf Literatur abseits des IPCC zurück?

Ich bin immer auch an neuen Forschungsergebnissen interessiert und folge einigen Klima-Newslettern. Zum Beispiel ist der Carbon Brief eine super Quelle. So kriege ich mit, wenn irgendwas in der Klimawissenschaft passiert und das baue ich dann natürlich auch in meine Inhalte ein.

Klimakommunikationsprofi – Wie kam es dazu?

Eigentlich aus einem Nebenprojekt neben dem Masterstudium. Ich habe 2020 einen Klimapodcast gestartet. Das Interesse an Klimapodcasts ist zu der Zeit massiv gestiegen, ich habe viele Zuhörer:innen bekommen und dann kamen auch Anfragen von Unternehmen, zu dem Thema bezahlte Keynotes zu halten. Da habe ich gemerkt: Okay, damit kann man ja tatsächlich Geld verdienen. So ist aus einem Just-for-Fun-Projekt letztendlich die Selbstständigkeit geworden. Letztes Jahr hab ich dann noch das Buch “Hoch die Hände – Klimawende” zum Konzept des CO2-Handabdrucks herausgebracht.

CO2-Handabdruck – was ist das?

Beim CO2-Handabdruck geht es darum, Emissionen nicht nur im Privaten einzusparen, sondern auch darüber hinaus aktiv zu werden und sich für Struktur-Veränderungen einzusetzen, damit es möglichst vielen Menschen ermöglicht und erleichtert wird, sich klimafreundlich zu verhalten. Seinen Handabdruck kann man am besten gemeinsam mit anderen Menschen vergrößern, also gesellschaftlich, politisch oder am eigenen Arbeitsplatz. Das Konzept hat die deutsche NGO Germanwatch ausgearbeitet und ich möchte es verbreiten. Und dafür werde ich von Unternehmen, Städten, NGOs und anderen gebucht.

Das ist auch Teil dieser großen Diskussion “Optimismus vs. Alarmismus” in der Klimakommunikation. Wo stehst du da?

Ich bin ein Verfechter der Metapher, dem Publikum “eine kalte Dusche zumuten und dann ein warmes Handtuch reichen”. In meinen Vorträgen verwende ich den ersten Teil der Zeit darauf, den aktuellen Stand der Wissenschaft ungeschönt darzustellen. Die Situation ist halt dramatisch und drastisches Handeln unglaublich dringend. Da möchte ich nichts sugarcoaten – außer bei sehr jungem Publikum. Wichtig ist, dann aber auch die Lösungen zu zeigen, die die Menschen selbst umsetzen können. Da bin ich ein Riesenfreund vom Handabdruck, weil der viel positiver und motivierender und letztlich auch politischer daherkommt als der individualisierende Fußabdruck mit dem schlechten Gewissen.

Ab welchem Alter kann man den jungen Menschen die kalte Dusche zumuten?

Ich denke in oder kurz nach der Pubertät, wenn Kinder und Jugendliche beginnen, über sich individuell hinaus zu blicken und versuchen, Dinge im größeren Kontext zu reflektieren und in Frage zu stellen. Das ist, glaube ich, ungefähr der Zeitraum, wo man beginnen kann, auch die Sachen so darzustellen, wie sie sind.

Warum kommen die Menschen auch mit kalter Dusche nicht so recht ins Handeln? Es passiert ja gemessen am Problem nach wie vor viel zu wenig.

Die Antwort liegt zum einen in unserer Psyche, zum anderen in den verzögernden Machenschaften der “Klimaschmutzlobby”. Wir Menschen sind evolutionär dafür gemacht, akute Gefahren wahrzunehmen und die Klimakrise ist für viele immer noch etwas Abstraktes. Da kicken dann diese ganzen starken Verdrängungsmechanismen rein, die uns evolutionär oft genützt haben, damit wir nicht den ganzen Tag angststotternd in der Höhle sitzen.

Das nächste Problem unserer Psyche ist die “Loss Aversion” – die Angst vor Verlusten ist größer als die Motivation für Gewinne. Wenn es um das Thema Veränderung geht, hat der Mensch erst mal Angst, etwas zu verlieren. Populistische Parteien greifen das gerne auf.

Dann gibt es da noch das Thema Heuchelei, das glaube ich auch ein riesiges Problem ist. Niemand von uns hat bei den Pro-Kopf-Emissionen eine weiße Weste. Unser normales Leben funktioniert noch zum Großteil durch Verbrennung von fossilen Energieträgern. Ein zu großer Fußabdruck ist in Industrienationen unausweichlich, sogar als Studentin, Umwelt-Aktivist oder Obdachloser. Es ist ein schwieriger Spagat, von anderen ein moralisches Verhalten zu fordern, das wir selbst in den gegenwärtigen Strukturen der Welt (noch) fast nicht hinbekommen können.

Normalerweise fordern wir von den anderen Menschen Dinge, die wir selber schon umsetzen. Und aus Angst vor dem Vorwurf der Scheinheiligkeit bekennen sich dann viel weniger Menschen offen zum Klimaschutz oder stellen gar politische Forderungen.

Setzen wir mit der kalten Dusche auf das richtige Pferd? Wir sprechen oft über Überschwemmungen und Muren. Sollte man mehr über Dürren und Hitze sprechen?

Bei Überschwemmungen gibt es diesen Effekt der psychologischen Distanz, dass das nur den anderen passiert. Hitzewellen spüren hingegen alle Menschen. Da gibt es den Effekt der psychologischen Distanz nicht so sehr. Hitze und die enormen Gesundheitsschäden bzw. Ihre Tödlichkeit eignen sich also besser. Auch abseits der Hitze können wir mehr über gesundheitliche Folgen sprechen. Durch die Verbrennung fossiler Energieträger sterben jedes Jahr Millionen von Menschen. Wenn wir den Menschen klar machen, dass es um ihr Leben und ihre Gesundheit und die Gesundheit ihrer Liebsten geht, ist das ein sehr starkes und motivierendes Narrativ. Dieses Framing ist total effektiv und erreicht auch andere Zielgruppen als die grüne Bubble.

Kommen wir zum warmen Handtuch. Die Lösungen können sehr einfach sein. Wie schaffen wir es, dass die Menschen Dinge wie Windanlagen oder Wärmepumpen auch annehmen?

Am Ende kommt es auf einen möglichst faktenbasierten öffentlichen Diskurs, persönliche Mitbestimmung und den eigenen Geldbeutel an. Klimaräte und andere Bürgerräte haben schon oft gezeigt, dass Menschen im Querschnitt der Gesellschaft für ambitionierten Klimaschutz zu gewinnen sind, wenn sie aufgeklärt werden, moderiert diskutieren und mitentscheiden können.

Schließlich, wenn die Menschen vom Windpark vor der eigenen Stadt finanziell profitieren, wenn sie hohe Förderungen für die Wärmepumpe bekommen und am Ende weniger zahlen, dann schlägt die Stimmung ins Positive um.

Wie kann man als Einzelperson Fakes und Fakten unterscheiden?

Wir haben durch die zunehmenden Privatisierung der Medienlandschaft und Social Media echte Probleme mit Desinformation und Klimaschutz-Verzögerungsdiskursen. Die Hintergründe erklären Bücher wie “Die Klimaschmutzlobby” von Susanne Götze und Annika Joeres sehr gut.

Ein Riesenproblem dabei sind gezielte mediale Kampagnen gegen Parteien, Politiker:innen oder Gesetze, die den Klimaschutz wirklich voranbringen wollen. Das haben wir in Deutschland 2023 bei der Diskussion um das Heizungsgesetz gesehen, wo Privatmedienhäuser wie Axel Springer mit BILD und Welt gezielt Stimmung gegen Robert Habeck und die Wärmepumpe gemacht haben. Wenn man sich ansieht, wer die Eigentümer hinter diesen Medienkonzernen sind, findet man große Private Equity Funds, die besonders stark in fossilen Energieträgern investiert sind.

Bei Skepsis an Aussagen ist es am einfachsten, mal zu recherchieren, was seriöse Medienhäuser wie die öffentlich-rechtlichen dazu zusammengetragen haben, weil da die journalistische Qualität und Genauigkeit noch am größten ist.

Du selbst vertraust ja sehr stark dem IPCC und der Wissenschaft. Wo kommt dein Vertrauen her?

Ich habe gelernt, wie Wissenschaft funktioniert, dass Theorien aufgestellt und dann getestet und falsifiziert werden können. In das wissenschaftliche Prinzip der Falsifikation habe ich ebenso Vertrauen wie in die wissenschaftlichen Institutionen und die Forscher:innen und die “Peer-Review-Verfahren”, in denen Fachkolleg:innen Studien und Arbeiten unentgeltlich überprüfen. Wie Wissenschaft Wissen generiert, ist glaube ich auch etwas, das in unserem Schulsystem zu wenig gelehrt wird.

Blicken wir in die Zukunft. Schaffen wir die Klimawende rechtzeitig oder stabilisieren wir das Klima erst langfristig durch unsere Abwesenheit auf dem Planeten?
Nee, das auch nicht, aber es wird ein ziemlich toughes Jahrhundert in meiner Wahrnehmung. Es wird noch viel mehr Katastrophen und auch ziemlich viel Leid und viele Toten geben, Massenfluchtbewegungen usw. In der Hinsicht habe ich da eine pessimistische Perspektive auf die nächsten Jahrzehnte. Früher oder später werden wir die Erderhitzung aber stabilisieren. Kurzfristig bin ich pessimistisch, langfristig optimistisch.

Wo siehst du dich selbst bis – sagen wir – 2030?

Schön wäre, weniger Keynotes und Workshops zu machen und mal drei, sechs oder sogar zwölf Monate an einem Projekt mitzuarbeiten. Ein bisschen mehr Kontinuität und Routine also. Ich hab jetzt Mitte 2024 auch das Gefühl, dass es diese klassischen Klima-Keynotes bei den Unternehmen, die auf dem Weg sind, nicht mehr braucht. Jetzt geht es wirklich um Umsetzung. Das war vor vier, fünf Jahren noch ganz anders, als ich anfing.

Wie kann dich die Climate Lab Community unterstützen?

Ich nutze das Climate Lab in erster Linie als Coworking-Space. Mir hilft vor allem, dass ich hier ungezwungen arbeiten, kommen und gehen kann, wann ich möchte, dass ich hier einen professionellen Office-Space habe mit super Möbel und einer konzentrierten Stimmung, wo ich das Gefühl habe, hier gerne hinzukommen. Ich würde jetzt nicht so gerne in ein Büro gehen, wo für Ölkonzerne gearbeitet wird. Hier weiß ich, wenn ich in der Teeküche jemanden treffe, dass wir ähnliche Werte haben und über ähnliche Themen nachdenken.

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