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Klimaneutral durch Bäumepflanzen? Umweltschutz-NGOs sehen es „kritisch“

© One Tree Planted
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Die auf nachhaltig getrimmte Suchmaschine Ecosia tut es, das Schokolade-Startup the nu company tut es, und auch das Wiener Scale-up refurbed, das generalüberholte Elektronik verkauft, tut es: Bäume pflanzen. Oder vielmehr: Es gibt finanzielle Unterstützung für Projekte wie Eden Reforestation Projekts oder One Tree Planted. Diese unterstützen Wiederaufforstungsprojekte auf der ganzen Welt – und im Gegenzug rechnen die Unternehmen ihren Nutzer:innen vor, wie viele Baumpflanzungen sie schon durch die Nutzung unterstützt haben.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Web-Diensten, die Nutzer:innen locken, Bäume gegen Geld pflanzen zu lassen, um die eigenen CO2-Emissionen kompensieren zu können. Aber geht das? Kann man das CO2, das die gepflanzten Bäume speichern, mit dem CO2 gegenrechnen, das ein Unternehmen verursacht? Und dann die Behauptung aufstellen, man sei klimaneutral?

Die Frage war aufgenommen, nachdem das Wiener Scale-up nach einer Abmahnung durch den deutschen Konsument:innenschutz nicht mehr mit „100% klimaneutral“ wirbt – sondern die verkauften Produkte nur mehr als „100% nachhaltiger“ bezeichnet. Immer noch zu lesen: „Durch das Pflanzen des Baums werden die restlichen 30 % des CO2-Ausstoßes – streng genommen sogar mehr – eines refurbed-Geräts kompensiert“, steht auf der Webseite. Dadurch seien „all unsere Produkte 100% nachhaltiger“.

Doch nicht nur der deutsche Konsument:innenschutz sieht das als Greenwashing. Weltweit anerkannte Umweltschutz-NGOs halten nichts von CO2-Kompensation durch Baumpflanzungen und sehen dieses vermeintliche Offsetting sogar sehr kritisch.

Nach Greenwashing-Abmahnung: Refurbed vermarktet sich nicht mehr als „100% klimaneutral“

„Man kann CO2-Emissionen nicht ungeschehen machen“

„Wir sehen dieses Thema kritisch. Grundsätzlich können CO2-Emissionen nicht wirklich kompensiert werden, deshalb lautet unser Grundsatz: Vermeiden, verringern und zusätzlich Gutes tun. Tatsächlich nicht vermeidbare Emissionen – etwa bei Flugreisen, für die es kein anderes Verkehrsmittel gibt – kann man Investitionen in sinnvolle Projekte gegenüberstellen, aber man kann sie dadurch natürlich nicht ungeschehen machen“, sagt Nikolai Moser vom WWF.

Um zu verstehen, warum CO2-Offsetting heute negativ gesehen wird, muss man auch den Unterschied zwischen dem Kyoto-Protokoll (2005 in Kraft getreten) und seinem Nachfolger, dem Pariser Abkommen (2016 in Kraft getreten), kennen. Während sich im Rahmen des Kyoto-Protokolls nur die Industrienationen zu verbindlichen CO2-Senkungen verpflichteten, betrifft das Paris Agreement nahezu alle Staaten der Welt. Unter dem Kyoto-Protokoll ging es noch rechnerisch, dass CO2, das in dem einen Land verursacht wird, in einem anderen Land (z.B. durch Wälder) reduziert wird.

Doch heute, unter dem Pariser Abkommen, unterläuft man durch vermeintliche CO2-Kompensation meistens dem Fehler, dass das CO2 doppelt gezählt wird – in dem einen Land, wo es vermeintlich durch CO2-Zertifikate kompensiert wird, und im zweiten Land, wo es tatsächlich wieder durch Wälder, Sümpfe etc. aus der Atmosphäre genommen wird und möglicherweise ebenfalls dem CO2-Budget des Landes abgezogen wird.

© One Tree Planted
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Ein Baum ist nicht gleich ein Baum

„Wir unterstützen Offsetting nicht. Es ist zwar sinnvoll, wenn Unternehmen in Klimaschutzprojekte investieren, und Aufforstungsprojekte können wichtige Klimaschutzimpulse setzen, aber dass sich Unternehmen mit Offsetting als klimaneutral bezeichnen, sehen wir aus mehreren Gründen kritisch“, sagt Johannes Wahlmüller von Global 2000. „Bei Aufforstungsprojekten ist zu beachten, dass Bäume CO2 speichern, was sich auch berechnen lässt. Es dauert allerdings lange, bis die Wälder, mit denen Offsetting betrieben wird, wieder nachwachsen, während das CO2 gleich in der Luft ist.“

Aber es wird noch komplizierter. Nur weil an Ort A ein neuer Baum gepflanzt wird, kann es sein, dass gleich daneben an Ort B wieder einer wegfällt. „Während der für CO2-Zertifikate aufgeforstete Wald möglicherweise geschützt ist, kann schon der Wald neben dem Projektgebiet wieder abgeholzt werden. Es gibt keine Garantie dafür, dass in Summe weniger Waldeinschlag geschieht oder nicht woanders Flächen kahl geschlagen werden“, sagt Wahlmüller. „Weiters können Wälder durch Unwetter oder Brände auch wieder Schaden nehmen und dann gibt es keine Kompensation.“

Und dann ist da noch der Zeitfaktor. Junge Bäume werden in der Regel als kleine Setzlinge gepflanzt. „Speziell beim Thema Baumpflanzungen ist wichtig zu beachten, dass es viele Jahre dauert, bis ein Baum die Menge an CO2 aufnehmen kann, die ihm bei vielen dieser Ausgleichsprojekte zugeschrieben werden. Das hilft uns also kurzfristig bei der aktuellen Bewältigung der Klimakrise wenig, denn die Emissionen, die man dadurch ausgleichen möchte, fallen heute an“, sagt Moser vom WWF.

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„Aufforstungsprojekte schlagen oft fehl“

Dazu kommt, dass Umweltschützer:innen viele schlechte Erfahrungen mit Aufforstungsprojekten (die oft weit weg von Europa und den hiesigen Konsument:innen durchgeführt werden) gemacht haben – und verweisen deswegen auf Widersprüche zu den sozialen und ökologischen Standards, die man eigentlich einhalten will. „Gerade die Idee, Bäume zur Absorbierung von CO2 zu pflanzen, hält einem Faktencheck nicht Stand: Aufforstungsprojekte schlagen oft fehl. Eine kürzlich erschienene Studie kam zum Schluss, dass Aufforstungsprojekte in Nordindien weder dem Klima noch der lokalen Bevölkerung nutzten“, berichtet etwa Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich.

Sie führt zwei weitere prominente Beispiele an: „Erdogan ließ in der Türkei rund 11 Millionen Setzlinge pflanzen – bis zu 90 % von ihnen waren drei Monate später tot. Auch die Lebensrealität der Menschen vor Ort wird oft nicht mit einbezogen. Die ‚Billion Tree Tsunami‘-Kampagne der pakistanischen Regierung führte dazu, dass die nomadische Gruppe Gujjars ihre Winterweiden für ihre Tiere verloren und damit ihre Einnahmequelle.“

In die Zukunft sehen ist schwer. Doch bei der wachsenden Gefahr von Waldbränden, die diesen Sommer in ganz Europa (und nicht nur hier) wüten, muss man einkalkulieren: Wenn Aufforstungsprojekte Waldbränden zum Opfer fallen, dann werden sie zur CO2-Quelle statt zur vermarkteten CO2-Senke.

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Gefahr der „Irreführung von Konsument:innen“

Dementsprechend schlecht ist das Image von CO2-Kompensationsprojekten bei Umweltschützer:innen. „Der Kauf von CO2-Ausgleichszertifikaten wird zunehmend von Unternehmen verwendet, um sich ein grünes Image zu verpassen und Kund:innen über die eigene Klimabilanz in die Irre zu führen. So wird nach dem Ausgleich der eigenen Emissionen mittels Spottpreis-Zertifikaten suggeriert, dass das Unternehmen oder das Produkt nun „klimaneutral“ sei – also ohne schlechtes Gewissen zu konsumieren wäre“, sagt Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich. „Das öffnet Tür und Tor für Unternehmen, weiterhin klimaschädliche Treibhausgase auszustoßen ohne wirklich an Plänen zu arbeiten, wie sie ihre Treibhausgase jährlich senken und bis 2040 komplett auf Null bringen wollen.“

Duregger rät davon ab, auf CO2-Kompensation zu setzen. „Die Priorität beim Klimaschutz muss ein, die Emissionen zu senken – mit aller Kraft. Mit der Idee von Kompensation wird aber genau ein falsches Bild vermittelt – sowohl für die Konsument:innen als auch die Unternehmen, nämlich dass wir einfach so weitermachen können wie bisher und nur hin und wieder dafür ein Baum gepflanzt werden muss. So wird sich echter Klimaschutz aber nicht ausgehen.“

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Welche Initiativen soll man nun unterstützen?

Was aber auch festzuhalten ist: Die Vertreter:innen von Greenpeace, WWF und Global 2000 haben nichts gegen Aufforstungsprojekte, im Gegenteil. Allerdings sollte man diese nicht zur Gegenrechnung von CO2-Reduktion von Konsumgütern einsetzen. Stellt sich also auch die Frage: Welche Projekte sind vertrauenswürdig genug, um sie zu unterstützen?

Der WWF etwa verweist auf die Initiative Gold Standard, die versuche bei dem Thema „die Spreu vom Weizen“ zu trennen. Moser: „Dieses Gütezeichen wird an Projekte vergeben, die zu einer tatsächlichen Reduktion von Treibhausgasen führen und gleichzeitig einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in den beteiligten Ländern leisten.“ Eden Reforestation findet sich in der Suche unter den 2.300 Projekten übrigens nicht.

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