Klimaschutz bietet bereits kurzfristig enorme gesundheitliche Vorteile
Wie viel kostet uns der Klimaschutz? Diese Frage wird immer noch deutlich öfter gestellt als die Frage, wie viel es kostet, nichts gegen die Klimakrise zu unternehmen. Allein in Österreich könnte die Klimakrise laut dem Klimaschutzministerium jährlich 20 Milliarden Euro kosten. Dennoch wird Klimaschutz oft als teures Unterfangen dargestellt, das erst in Jahrzehnten Früchte trägt. Doch Klimaschutzmaßnahmen können schon in den kommenden Jahren einen Nutzen für die Volkswirtschaft haben, insbesondere wenn es um die Gesundheit geht. Das haben Forschende rund um Drew Shindell von der Duke University in Durham (North Carolina, USA) in einer aktuellen Studie gezeigt, die im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ („PNAS“) erschienen ist.
Weniger Abgase, saubere Luft
Während es stimme, dass die klimabezogenen Vorteile von Emissionssenkungen erst nach 2050 zum Tragen kommen, führe die Dekarbonisierung kurzfristig etwa zu einer Verbesserung der Luftqualität und damit der menschlichen Gesundheit, so die Studienautor:innen. Damit betonen sie, dass sich Emissionssenkungen nicht ausschließlich auf das Klima auswirken, sondern auch auf die Menschen direkt. Werden etwa Verbrennungsmotoren durch Elektroantriebe ersetzt und zur Energiegewinnung weniger fossile Brennstoffe verwendet, würden auch weniger Abgase entstehen, wodurch die Luft sauberer werde. Die Forschenden plädieren dafür, diese Vorteile künftig einzubeziehen, wenn über Kosten und Nutzen von Klimaschutz diskutiert wird.
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Verhindern von 4,5 Millionen Todesfällen möglich
Als Grundlage für die Berechnungen diente den Forschenden der erste Teil des im August veröffentlichten sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC). Im Detail verwendeten die Forschenden die darin aufgeführten Szenarien bzw. die gemeinsam genutzten sozioökonomischen Pfade (Shared Socioeconomic Pathways, SSP). Diese zeigen verschiedene soziale und wirtschaftliche Entwicklungswege bis zum Jahr 2100 auf. Auf dieser Basis berechnete das Team um Shindell die Veränderungen bis 2070 für die USA und deren einzelnen US-Bundesstaaten.
Dabei verglichen die Forschenden auf Ebene der USA das Szenario mit dem zweitehrgeizigsten Ziel (die Erderhitzung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen) mit dem zweitungünstigsten Szenario (Erwärmung um 3,6 Grad bis 2100). Die Unterschiede sind enorm: Durch die Maßnahmen für das Zwei-Grad-Ziel würden in den USA 4,5 Millionen vorzeitige Todesfälle verhindert, außerdem 1,4 Millionen Krankenhausaufenthalte, 300 Millionen Tage Arbeitsausfall, 1,7 Millionen Fälle von Demenz entgegengewirkt werden. Durch die Verbesserung der Luftqualität könnten in den nächsten 20 Jahren etwa 1,4 Millionen Menschenleben gerettet werden, so die Ergebnisse der Studie.
Forscher:innen begrüßen Studie
Die Zahlen zeigen konkret und in großem Umfang auf, welche Vorteile Klimaschutzmaßnahmen in naher Zukunft haben können. Für Sebastian Helgenberger vom Institute for Advanced Sustainability Studies, (IASS) in Potsdam ist es laut Medienberichten daher sehr wichtig, dass solche wirtschaftlichen Berechnungen durchgeführt werden: „Sie machen deutlich, dass sich Klimaschutzmaßnahmen auch kurzfristig lohnen.“ Die Studie würde zusätzlich zur Dringlichkeit des Handelns die Chancen von Klimaschutz betonen, wodurch mehr Menschen zum aktiven Klimaschutz motiviert werden könnten. Auch Klimaforscher Karsten Haustein vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht findet die Studie wichtig. Er sieht als ihren Hauptaspekt an, dass die hohen Anfangskosten der Klimaschutzmaßnahmen mehr als kompensiert werden, wenn die vermiedenen Gesundheitskosten infolge der verringerten Luftverschmutzung eingerechnet werden. „Dadurch fällt das immer wieder vorgebrachte Argument einer unzumutbaren Kostenbelastung in sich zusammen“, so Haustein gegenüber Medienvertreter:innen. Seinen Kenntnissen zufolge dürfte dies für Europa nicht anders aussehen als für die USA.
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Zwei-Grad-Ziel nur für 20 Prozent realistisch
Dennoch können die genannten Vorteile von Klimaschutz nur erreicht werden, wenn die Erderhitzung in einem entsprechenden Rahmen gehalten wird, wie etwa dem Zwei-Grad-Ziel. Gerade in dieser Hinsicht blicken viele Fachleute pessimistisch in die Zukunft. Laut einer aktuellen Umfrage der Fachzeitschrift Nature gehen 60 Prozent der Wissenschaftler:innen, die am vergangenen IPCC-Bericht mitwirkten, davon aus, dass sich der Planet bis Ende des Jahrhunderts um mindestens drei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhitzen wird. Nur 20 Prozent der befragten Wissenschaftler:innen halten es für wahrscheinlich, dass das Zwei-Grad-Ziel noch erreicht wird, eine Begrenzung auf 1,5 Grad hielten nur vier Prozent für wahrscheinlich.
Die Umfrage ist laut Nature nicht repräsentativ, dennoch biete sie einen Einblick in die Perspektive der Forschenden. „Die Tatsache, dass sie pessimistisch sind, sollte uns umso besorgter machen“, sagte etwa Klimageografin Diana Liverman von der University of Arizona gegenüber der Zeitschrift.
Dennoch können Studien wie die von Shindell die kurzfristigen Vorteile von Klimaschutz stärker in den Fokus rücken. „Die Quantifizierung des kurzfristigen Nutzens für die Gesellschaft kann hilfreich sein, um die weit verbreitete Wahrnehmung des Klimawandels als nicht dringendes und weit entferntes Risiko zu überwinden, indem sowohl die Vorteile sofortigen Handelns als auch die lokalen Vorteile, die die Bürger als überzeugend empfinden, hervorgehoben werden“, schlussfolgern die Studienautor:innen. So kann für die Kommunikation künftig nicht nur die Frage bedeutsam sein, wie viel es kostet, nichts gegen die Klimakrise zu unternehmen, sondern auch: Was bekomme ich kurzfristig davon? Eine Antwort auf diese Frage hat die Studie nun gegeben.