KML vision: Grazer Startup lässt Künstliche Intelligenz Laborbilder nach winzigen Details durchsuchen
„Stell dir vor, du hast ein 20 Milliarden Pixel großes Bild vor dir, zum Beispiel einen medizinischen Gewebe-Scan. Und jetzt musst du die drei winzigen Bereiche finden, die von der Norm abweichen. Viel Spaß!“ Oder eben nicht viel Spaß. Als Philipp Kainz und Michael Mayrhofer sahen, wie in den Laboren der Medizinischen Universität Graz mühsam Bilder ausgewertet wurden, wurde die Idee zu KML vision geboren. Mit Deep Learning als Kerntechnologie entwickelten die beiden automatische Auswertungsverfahren für komplexe Bilder und Bildreihen. Der Prototyp steht, die Online-Plattform geht im Sommer 2018 online.
„Wenn etwa nach einem neuen Medikament gesucht wird, muss man die Reaktion des Mittels auf Zellen untersuchen. Da gibt es große Fallzahlen, also sehr viele Bilder. Das ist das andere Extrem“, erklärt Philipp Kainz, Co-Gründer von KML vision. „Aber egal ob die Bilder riesig oder in großer Anzahl vorliegen, in den meisten Fällen kann sie kein Mensch manuell und flächendeckend visuell untersuchen. Und so werden manche wichtigen Dinge auch einfach nicht gefunden.“
KI sucht nach Zellen
Die Software, die Kainz mit Co-Gründer Mayrhofer entwickelte, untersucht komplexe Bilder mittels Deep Learning – und zwar End-to-End, das heißt der Algorithmus lernt aus Beispielbildern selbst, das Gesuchte zu entdecken. Nach einer Trainingsphase entscheidet das Neural Network von KML vision vollkommen selbstständig darüber, welche Bereiche in einem Bild für die Interpretation von Bedeutung sind, oder den Prüfblick des Menschen erfordern. Nachdem die Ergebnisse der künstlichen Intelligenz in einer Evaluierungsphase bestätigt wurden, kann sie ohne weitere Lernphase auf komplett neue und vorher ungesehene Bilder angewendet werden.
Eine Online-Plattform für Bildanalyse
Die Kernsoftware existiert und arbeitet seit Herbst, erste Pilotprojekte in medizinischen aber auch anderen Bereichen sind bereits gestartet, der Proof of Concept ist geliefert: „Wir wissen heute mit Sicherheit, dass der Deep Learning-Kern von KML vision funktioniert.“ Der nächste Schritt ist nun die Usability zu verbessern und das Online-Geschäftsmodell umzusetzen. Auf einer Web-Plattform wollen die beiden Grazer ab Sommer 2018 eine Bibliothek aus Algorithmen für unterschiedlichste Anwendungen zur Verfügung stellen. „Finde Krebszellen in diesem speziellen Gewebe, identifiziere Verschmutzungen in Proben, verfolge den Zellabbau. All das sind Beispiele für A.I.-gestützte Anwendungen, die unsere Nutzer über die Website starten können. Die Liste möglicher Einsatzgebiete ist dabei nicht wirklich beschränkt“, so Mayrhofer.
Auf der Online-Plattform von KML vision sollen On-demand oder im Abonnement Analysen angeboten werden – entweder basierend auf bereits bestehenden Algorithmen, wenn die gewünschte Aufgabe schon einmal durchgeführt worden ist, oder mit neuen Problemstellungen. „Unsere Nutzer brauchen dabei keine Software und vor allem keine teure Hardware – alles soll über unseren Online-Dienst laufen“, so der Plan der Grazer Gründer.
Vom Mikroskop in die Welt der Bilder
Ein zweites Standbein soll die Integration der von KML vision entwickelten Technologie in die Analysegeräte selbst werden: „Wir sind mit einem Mikroskophersteller in Verhandlungen, der unsere A.I. in seine Geräte einbaut, um seinen Kunden neben der Digitalisierung der Proben auch gleich die Interpretation mitliefern zu können“, beschreibt Philipp Kainz die weiteren Pläne.
Dass es für die entwickelte A.I. auch Anwendungen außerhalb der Medizin gibt, liegt laut Mayrhofer ebenfalls auf der Hand: „Stell dir vor du hast eine Produktionsstraße für Farbe und du möchtest in tausenden Proben eine Verunreinigung finden. Auch das wird KML vision leisten können.“ Heute stehen die beiden Grazer mit vielen Jahren der Forschung im Rücken und der Hoffnung auf bald genehmigte öffentliche Förderungen oder geeignete Investments am Scheideweg. „Die nächsten sechs bis acht Monate werden sicher entscheidend für unser Unternehmen. Wenn wir es bis zum Online-Gang der Plattform überstehen, ist sehr viel geschafft“.
Gründer mit Auszeichnung
Kainz, der Health Care Engineering studierte, und Mayrhofer, der technische Physik studierte, trafen das erste Mal 2012 an der Medizinischen Universität Graz im Rahmen ihrer Doktoratsstudien aufeinander. Beide Gründer erhielten 2013 und 2014 Exzellenzstipendien der Industriellenvereinigung Kärnten für Auslandsaufenthalte an der University of Newcastle, Australien (Mayrhofer) und an der Universität Zürich und ETH Zürich (Kainz). Nach der Gründung im September 2016 wurde man in den Startup-Inkubator Science Park Graz, im Sommer folgte dann schließlich die Auszeichnung bei der IECT Summer School 2017 von Hermann Hauser.