Crash

Kollaps der Silicon Valley Bank kann tausende Startup-Tode nach sich ziehen

Logo der Silicon Valley Bank. © Trending Topics
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Nicht nur im Silicon Valley, sondern auch in London, Berlin und selbst Wien bangen Gründer:innen und Internet-Unternehmer:innen derzeit um die Zukunft ihrer Startups. Denn als Kund:innen der Silicon Valley Bank (SVB) mussten sie seit Mittwoch zusehen, wie eine der 20 größten US-Banken innerhalb weniger Tage in sich zusammenbrach. Wer nicht (erfolgreich) beim Bankrun der letzten Tage mitgemacht hat, muss sich nun die (vielleicht tödliche) Frage stellen: Werde ich mein Geld jemals wieder sehen? Und wenn nicht: Wie bezahle ich dann die nächsten Löhne und Rechnungen?

Nach der Schließung der SVB am Freitag Abend durch die in Kalifornien zuständige Finanzbehörde California Department of Financial Protection and Innovation (CFPI) steht gefühlt die halbe startup- und Investoren-Welt vor der Frage, wie es nun weitergehen kann. Wer noch konnte, versuchte in den letzten Tagen noch, seine Einlagen von der SVB zu einer anderen Bank zu transferieren – manche mit Erfolg, manche nicht. Dieser Bankrun verstärkte sich ab Mittwoch, als die SVB einen Rettungsversuch durch eine Finanzierungsrunde bzw. einen Verkauf versucht, so sehr, dass die CFPI am Freitag nicht einmal mehr den Börsenschluss abwartete wie sonst üblich. Die Bank hätte keine fünf Stunden mehr überlebt, heißt es.

Es ist der zweit größte Banken-Crash in der Geschichte der USA und der größte seit der Finanzkrise 2008. Nun arbeitet die US-Regierung daran, dass der Kollaps nicht auf andere Banken überschwappt. Dazu hat US-Finanzministerin Yellen bereits eine Krisensitzung am Wochenende anberaumt. Es droht ein zweiter Lehman-Brothers-Moment, meinen viele Beobachter:innen. Allerdings ist die SVB als Spezialbank für Startups anders gelagert als Großbanken, die viel stärker diversifiziert sind. Zumindest aber ist der Crash ein Stoß ins Herz der Innovations-Branche.

Zehntausende betroffene Firmen

Die SVB ist seit ihrer Gründung 1983 zu der wichtigsten Hausbank der Startup-Branche der USA gewachsen. Ende Dezember berichtete sie noch über eine Bilanzsumme von ca. 209,0 Mrd. Dollar und Einlagen in Höhe von ca. 175,4 Mrd. Dollar. Zum Vergleich: Damit liegt sie etwa in der Größenordnung der Raiffeisen Bank International (RBI), die 2022 eine Bilanzsumme von 207 Mrd. Euro auswies. Die SVB zählte über die etwa 40 Jahre Betrieb alleine 700 Unicorns und 60 Decacorns zu den Kunden. Die müssen jetzt darum bangen, was mit ihren Geldern passieren wird. Die große Frage: wie viel der 175,4 Mrd. Dollar sind noch da? Prinzipiell sind Einlagen bis zu 250.000 Dollar bzw. 85.000 Pfund in UK (ca. 102.000 Dollar) besichert, alles darüber hinaus ist nun offen.

Die SVB hatte mit Ende 2022 37.466 Einlagenkunden, die jeweils mehr als 250.000 Dollar pro Konto besitzen. Im Schnitt sind es etwa 4,2 Millionen pro Account. Zuletzt nannte die SVB mehr als 24.000 Technologie und Life Science-Kunden und mehr als 2.600 VC- und PE-Firmen, die mit ihr zusammenarbeiten. Das zeigt, dass enorm viele Firmen von der SVB-Pleite betroffen sein können – vor allem jene, die nur das eine Bankkonto haben. Größere Firmen, wie etwa Circle Financial, hat 3,3 Milliarden Dollar bei der SVB liegen, um damit Teile des Stablecoins USDC zu decken. Der Rest liegt verteilt bei fünf weiteren Banken.

Kollaps der Silicon Valley Bank lässt Stablecoin USDC wanken

Bankrun der Investoren und Startups

Jene, die schnell genug waren, konnten ihr Geld noch abheben – etwa der Founders Fund von Star-Investor Peter Thiel, der seine Portfolio-Firmen ebenfalls anwies das zu tun. bereits im Dezember hat der VC Greenoaks seine Portfolio-Firmen angewiesen, ihr Geld von SVB wegzuschaffen – ein dutzend Unternehmen hat bereits damals eine Milliarde Dollar abgehoben. Richtung 10. März 2023 hat sich dieser Bankrun so verschärft, dass die US-Finanzbehörden innerhalb weniger Tage beschlossen, die Bank zu schließen. Auch andere renommierte Investoren wie Andreessen Horowitz, Kleiner Perkins oder Sequoia Capital waren Kunden.

Laut Gary Tan, Chef der Startup-Schmiede Y-Combinator, könnte die Pleite der Silicon Valley Bank eine ganze Generation von Startups auslöschen, wie er auf Twitter schrieb. „Wenn keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden, wird dies auf andere Startups und andere Banken übergreifen“, so Tan. „Die Einleger müssen entschädigt werden.“ Die CFPI hat bereits angekündigt, dass sie den nicht versicherten Einlegern innerhalb der nächsten Woche eine Vorabdividende auszahlen wird. Das könnte kurzfristige Zahlunsprobleme lindern, wird aber nicht die letztendliche Lösung sein können.  „Die nicht versicherten Einleger erhalten eine Bescheinigung über den verbleibenden Betrag ihrer nicht versicherten Gelder. Da die FDIC die Vermögenswerte der Silicon Valley Bank veräußert, können künftige Dividendenzahlungen an nicht versicherte Einleger geleistet werden“, so die FDIC.

Das bedeutet konkret, dass sich ein Käufer finden muss, der Assets der SVB – zum Beispiel den Kundenstamm – übernimmt, und diese Erlöse könnten dann verwendet werden, um die Bankkunden zu bezahlen. Wie viel ist die SVB aber noch wert? An der Börse ist die Bewertung der Bank von 19 Milliarden Dollar im Februar auf derzeit nur mehr 6,3 Milliarden Dollar am gestrigen Freitag gestürzt. Da der Handel der SVB-Aktie ausgesetzt wurde, könnte es natürlich auch sein, dass der Wert des Papiers noch weiter darunter liegt.

Kredite für hunderte Hochrisikofirmen

Das Gewicht der SVB ist nicht zu unterschätzen, auch wenn sie sich vor allem auf die Nische Startups und Scale-ups fokussiert hat. Laut CNN hat sie fast die Hälfte der US-amerikanischen Risikokapitalunternehmen im Technologie- und Gesundheitsbereich finanziert. Alleine Crunchbase listet 835 Investments der SVB in Startups, und diese Liste muss nicht unbedingt vollständig sein, da viele Deals nicht öffentlich sind. Diese Investments sind zumeist „Debt Financing“ – also Fremdkapital in Form von Krediten und Darlehen. Bei der Kreditvergabe soll die SVB laxere Regeln walten haben lassen als andere Banken. Diese Finanzierungen für sehr viele Hochrisikofirmen dürfte der SVB dann schließlich auch zum Verhängnis geworden sein.

Während also viele Milliarden an Krediten an Startups, Scaleups und Co vergeben wurden, wuchs auch die SVB im Zuge der COVID-Pandemie und ihren massiven Wirtschaftshilfen – die Einlagen bei der SVB, bestehend aus sehr viel billigem Geld, dass Investoren im Startup-Hype der Jahre 2020, 2021 und 2022 pumpten, wuchsen stark an. Die Bank selbst ging an der Börse ebenfalls durch die Decke, die Bewertung der SVB wuchs weniger als 8 Milliarden Dollar im März 2020 (Einbruch der Corona-Pandemie) auf 44 Milliarden Dollar im November 2021 (Zenit des Startup- und Krypto-Hypes).

Dan aber wendete sich wie mehrmals berichtet das Blatt, die hohe Inflation brachte die Zinswende, der komplette Tech-Sektor taumelte. Massenkündigungen, Downrounds, Pleiten waren die Folge. Resultat: Die Tech-Firmen mussten, das Geld, das sie zuvor als Einlagen bei der SVB hatten, immer schneller aufbrauchen – auch weil Investoren auf die Bremse stiegen und nicht mehr so viel Geld wie zuvor nachschossen.

Gleichzeitig haben steigende Zinssätze, die die Fed gegen die Inflation einführte, den Wert der Darlehen und Anleihen, die die Bank in ihrem Portfolio hält, gesenkt. Das resultierte dann im Q1 2023 darin, dass die SVB Staatsanleihen im Wert von 21 Milliarden Dollar verkaufen musste, um kurzfristig im sich verschärfenden Bankrun an Cash zu kommen. Da aber die US-Leitzinsen so stark gestiegen sind (Kurse der Anleihen fallen, wenn die Zinsen steigen) konnten diese Anleihen nur mehr mit einem Verlust von 1,8 Milliarden Dollar verkauft werden. Daraus ergab sich kurzfristig ein Cash-Bedarf von mehr als 2 Milliarden Dollar, der diese Woche noch versucht wurde aufzunehmen – erfolglos. Jetzt ist die SVB pleite, und hunderte, vielleicht sogar tausende Startups ringen nun ums Überleben.

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