Konsum: Wie Lebensmittel vor dem Abfall bewahrt werden
Die Wiener:innen werfen pro Haushalt jährlich rund 40 Kilogramm an Lebensmitteln weg, die eigentlich gegessen hätten werden können, so die Zahlen der Stadt Wien. Für ganz Österreich geht das österreichische Bundesumweltministerium von vermeidbaren Lebensmittelabfällen in der Größenordnung von rund 800.000 bis eine Million Tonnen aus. Davon entsorgten die österreichischen Haushalte jährlich alleine rund 229.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle über den Restmüll. Das entspräche laut der Umweltschutzorganisation Greenpeace Österreich circa 26 Kilo Lebensmittel pro Sekunde.
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Recherchen von Greenpeace
Dass Lebensmittel verschwendet werden ist jedoch nicht neu. Immer wieder führen Umweltschutzorganisationen Recherchen dazu durch und veröffentlichen diese. Regelmäßig führt das zu einem Aufschrei in der Gesellschaft, der dann aber wieder genauso schnell verstummt wie er gestartet ist. Nun startet Greenpeace Österreich eine neue Kampagne, diesmal mit einem “Schock-Video”. Laut Angaben der Organisation wurde das Video Mitte Jänner in einer Müllverbrennungsanlage in Österreich aufgenommen und kürzlich der Organisation zugespielt. Zusehen sind Berge von abgepackten Fleischprodukten, die auf ihre Verbrennung warten.
Direkt aus dem Supermarkt in die Müllverbrennung. 🔥
Dieses Video wurde uns heute zugespielt. Die Aufnahmen sind von dieser Woche. Unmengen an unverkauften, original verpackten Lebensmitteln, die verbrannt werden sollen. pic.twitter.com/qBmqO0Fjt0
— Greenpeace Österreich 💚 (@GreenpeaceAT) January 20, 2022
Lebensmittel im Wert von mindestens 1,4 Milliarden Euro verbrannt
Nach dem Erhalten dieses Videos, begann Greenpeace Österreich nach eigenen Angaben selbst über solche Lebensmittelentsorgungen zu recherchieren. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass Lebensmittel im Wert von mindestens 1,4 Milliarden Euro jährlich verbrannt werden würden. Dies verursache laut der Aussendung von Greenpeace zum einen Tierleid, das vermieden werden könnte, wenn nur so viele Tiere getötet werden würden, wie tatsächlich auch konsumiert werden. Zum anderen müssten aber auch künftige Generationen an Menschen den Preis für dieser Verschwendung bezahlen. Denn laut Greenpeace verursachten die umsonst hergestellten Lebensmittel 1,5 Millionen Tonnen CO2 jährlich. Das entspräche in etwa dem halben österreichischen Flugverkehr vor Corona oder auch zwei Drittel der gesamten Treibhausgase der Abfallwirtschaft in Österreich.
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Lebensmittelabfälle bis 2030 halbieren
“Der alltägliche Wahnsinn der Lebensmittelverschwendung kommt uns gleich doppelt teuer zu stehen. Zum einen, weil wir Lebensmittel im Wert von 1,4 Milliarden Euro ganz einfach verbrennen. Zum anderen, weil wir unermessliche Schulden gegenüber künftigen Generationen anhäufen, wenn wir unseren Böden wertvolle Nährstoffe für Lebensmittel entziehen, die nie gegessen, sondern ganz einfach verfeuert werden”, sagt Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace in Österreich.
Aufgrund dieser Mengen fordert Greenpeace unter anderem eine Reduktion der Lebensmittelabfälle um 50 Prozent bis 2030 und eine Berichtspflichten über Lebensmittelabfälle für alle Lebensmittel-Verarbeiter:innen und -Händler:innen ab einer bestimmten Umsatzgrenze: “Wir müssen die skandalöse Verschwendung von Lebensmitteln bis 2030 zumindest halbieren. Schluss mit zahnlosen freiwilligen Vereinbarungen der letzten Jahre. Die österreichische Bundesregierung darf sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen und muss jetzt rasch einen ambitionierten Aktionsplan mit verbindlichen Zielen für alle Branchen vorlegen”, so Sebastian Theissing-Matei.
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Lebensmittelrettung durch Ehrenamtliche
Auch wenn solche Maßnahmen sicherlich sinnvoll sind, bis zur Umsetzung solcher Offensiven durch die Politik, müssen Engagierte oft viel Geduld mitbringen. Es gibt jedoch auch bereits Initiativen, der jetzt, hier und heute etwas gegen die Verschwendung unternehmen.
Eine der bekanntesten Organisationen zur Rettung von Lebensmitteln ist in Deutschland wahrscheinlich die Tafel. Von Supermärkten, Lebensmittelhersteller:innen und Restaurants sammeln Ehrenamtliche Lebensmittel ein und geben sie in eigenen Tafel-Läden an Bedürftige aus. Damit retten sie laut eigenen Angaben rund 265.000 Tonnen Lebensmittel jährlich, die an über 1,6 Millionen Menschen weitergeben werden.
Auch in Wien gibt es beispielsweise die Tafel. Dort kooperiert der Verein jedoch mit weiteren Organisationen, die sich um die Verteilung der Lebensmittel kümmern. Einer davon ist M.U.T in Wien. Neben verschiedenstem sozialen Engagement verteilt der Verein auch die Lebensmittelspenden sowohl in der MUT Familiennotunterkunft, als auch an Bedürftige aus anderen sozialen Einrichtungen. Zudem bietet der Verein zwei verschiedene Verteilerstellen, in denen sich Bedürftige kostenlos Lebensmittel abholen können.
Des weiteren gibt es in Österreich den Verein “Lebensmittelrettung Österreich”. Dieser arbeitet mit Lebensmittelhändler:innen und -produzent:innen zusammen und rettet so laut eigenen Angaben täglich bis zu 25 Tonnen Lebensmittel. Ähnlich wie bei anderen Organisationen, werden diese Lebensmittel an Obdachlosenküchen, Sozialmärkte und andere soziale Einrichtungen weitergeben, wodurch über 50.000 Mitmenschen unterstützt werden. Ein Partner:innen Projekt der Lebensmittelrettung Österreich ist beispielsweise der Verein Start Up.
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Kommerzielle Lebensmittelrettung
All diese Vereine basieren auf der Mithilfe von Ehrenamtlichen. Doch es gibt auch ein Startup, dass mittlerweile ganz Europa und darüber hinaus bewiesen hat, dass man mit Lebensmittelresten auch Geld machen kann. Die Idee hinter Too good to go ist ebenso simpel wie genial. Auch die Gründer:innen des dänischen Startup sahen die Mengen an Lebensmittel, die täglich in der Gastronomie übrig bleiben und weggeschmissen werden. Sie sahen aber auch, welchen Wert all diese Speisen eigentlich noch haben. Deshalb verknüpften sie mit ihrer App einfach diejenigen Restaurants, Bäckereien und Supermärkte, die Lebensmittel übrig haben und die Konsument:innen, die spontan genug sind bei den vergünstigten Lebensmitteln zuzugreifen. Damit das Startup laut eigenen Angaben im Jahr 2020 international 28.615.597 Mahlzeiten gerettet.
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Foodsharing
Doch sowohl mit den ehrenamtlichen Vereinen, als auch mit Too good to go werden nur bei kommerziellen Anbietern Lebensmittel gerettet. Was ist jedoch mit den privaten Haushalten, die vielleicht gerne ihre nicht genutzten Lebensmittel abgeben würden? In Österreich, Deutschland, der Schweiz und weiteren europäischen Ländern können diese beispielsweise in sogenannten Foodsharing-Fairteilern anonym und kostenlos hinterlegt und abgeholt werden. Diese „Fairteiler“ wurden von der Initiative „Foodsharing“ ins Leben gerufen und ermöglichen es aus privaten Haushalten Lebensmittel zu sparen.
Zudem gibt es auch wieder eine App, die in dieser Sparte angesiedelt ist. Die App Olio des gleichnamigen britischen Unternehmens kombiniert die kommerziellen und freiwilligen Aspekte. Über die App können die Nutzer:innen sowohl Lebensmittel zum Verschenken, als auch heimisch produzierte Dinge, wie Marmeladen oder Pesto sowie gebrauchte Dinge verkaufen.
All diese Initiativen sind gute Möglichkeiten, Lebensmittel vor der Verschwendung zu bewahren. Doch trotzdem können sie nicht alleine die Massen von Müll beenden. Dafür wird zukünftig die Politik strengere Vorgaben machen müssen – wobei der Druck der NGOs da sicherlich nicht schadet.