Kriegsgewinner zur Kasse! Idee der Übergewinnsteuer greift um sich
Die bei teilstaatlichen Energiekonzernen geforderte Gewinnabschöpfung hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ordentlich viel Kritik eingebracht, als er sie im Mai äußerte. „Zufallsgewinne bei Unternehmen mit staatlicher Beteiligung gehören dem Volk“, meinte der Kanzler – und schickte mit der sozialistisch klingenden Botschaft die Börsenkurse von Verbund und EVN just auf Talfahrt. Denn dem Kapitalmarkt schmeckten diese angedeuteten staatlichen Eingriffe so gar nicht.
Allerdings ist auch festzuhalten: In der gesamten EU sind solche so genannten Übergewinnsteuern längst am Tisch. Sie sollen dazu dienen, um Kriegsgewinner in der Ukrainekrise stärker zur Kasse bitten und die Mehreinnahmen daraus in Maßnahmen für die Linderung der Inflationsfolgen verwenden zu können. In Deutschland haben Vertreter:innen der Regierungsparteien Grüne und SPD bereits Forderungen nach einer Steuer auf übermäßige Gewinne bei Krisen- und Kriegsgewinnern geäußert. Energiekonzerne wie Shell, die sehr viel mehr Gewinne durch die hohen Ölpreise erzielen, aber auch Waffenhersteller wie Rheinmetall wären betroffen.
Historisch einzigartig sind solche „Excess Profits Taxes“ nicht – es gab sie während den beiden Weltkriegen etwa in den USA, Großbritannien, Kanada, Italien oder Frankreich. Generell könnte man den Übergewinn, den man zusätzlich besteuert, anhand von Vergleichszeiträumen aus Vorkrisen- oder Friedenszeiten berechnen und bestimmen, was ein „Normal“- und was ein „Über“-Gewinn ist – das wäre eine politische Entscheidung. Zuletzt gab es vor allem deswegen Kritik an den Ölkonzernen, weil sich der Spritpreis an den Tankstellen vom Ölpreis an den Weltmärkten entkoppelte. Erstere blieben hoch, während zweiterer wieder fiel.
UK mit „Windfall Tax“, in Deutschland wogt die Debatte
In Großbritannien liegt die so genannte „Windfall Tax“ bereits am Tisch. Öl- und Gaskonzerne wie BP und Shell sollen 25 Prozent Steuern bezahlen, und zwar auf ihre Zusatzgewinne, die aus den starken Anstieg der Öl- und Gaspreise resultieren. Fünf Milliarden Pfund Mehreinnahmen verspricht sich Finanzminister Rishi Sunak daraus, und die sollen in Entlastungspakete gegen die Inflation fließen. In Ungarn verspricht sich der Staat durch Sondersteuer auf Zusatzgewinne zwei Milliarden Euro, in Italien werden bei Energieunternehmen bereits 25 Prozent auf Umsatzerlöse erhoben, wenn sie mindestens zehn Prozent über dem Vorjahreszeitraum liegen (mind. 5 Mio. Euro).
Nun schwappt die Diskussion auf den europäischen Wirtschaftsmotor Deutschland über. Wenig überraschend ist Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dagegen und warnte vor „Populismus an dieser Stelle“ und „willkürlichen Steuererhöhungen“. Man wisse gar nicht, ob es Übergewinne gebe, er könne das „amtlich“ nicht bestätigen. „Wer einmal damit anfängt, aus edlen Motiven oder aus dem Wunsch danach, den Applaus des Tages am Stammtisch zu bekommen, Steuerrecht zu verändern, der wird den Geist nie wieder in die Flasche bekommen“, so Lindner gegenüber der dpa.
Wohin sollen die Übergewinne schließlich fließen?
In der EU sind Übergewinnsteuern rechtlich möglich, Brüssel hat dazu bereits grünes Licht gegeben, zumindest vorübergehend. Mitgliedstaaten dürfen „befristete steuerliche Maßnahmen zu Zufallsgewinnen in Betracht ziehen“ und dürfen beschließen, dass Teil dieser Gewinne zu Verbraucher:innen umverteilt werden. Zu beachten sei, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen gibt – etwa, wenn nur einzelne Branchen betroffen sind. Allerdings ist auch klar: Sollten Entlastungsprogramme wegen der hohen Inflation kommen, müssten diese finanziert werden. Das wird die Diskussion um eine Übergewinnsteuer verschärfen.
Die österreichische Oppositionspartei SPÖ hat schon konkrete Vorstellungen, wie man eine solche Steuer gestalten könnte. „Es wäre sinnvoll und gerecht, die Hälfte der Übergewinne für die sofortige finanzielle Unterstützung der Menschen und die andere Hälfte für Investitionen in die Energiewende zu verwenden, damit wir schneller unabhängig von Öl und Gas werden. Also 50 Prozent der Übergewinne zur Entlastung der Menschen und 50 Prozent der Übergewinne für Investitionen in Erneuerbare Energien“, so Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. Die SPÖ schätzt die Mehreinnahmen der Energieerzeuger in der EU auf 200 Mrd. Euro.
In Österreich hat sich etwa die Agenda Austria gegen solche Steuern gestellt. Unternehmern muss hingegen angst und bange werden. Wer bestimmt, was ein zu hoher Gewinn ist? Der Staat? Da können wir die Wiener Börse gleich zusperren“, konterte Franz Schellhorn von Agenda Austria Nehammers Vorschlag. Als Miteigentümer der Energieunternehmen sollte der Staat zuerst klären, was die Republik mit den Mehreinnahmen tue und warum die Gewinne überhaupt so hoch seien. Vielleicht gebe es „zu wenig Wettbewerb im Energiesektor“.
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