Gastbeitrag

„Krypto-Casinos müssen Verantwortung übernehmen und den Bullshit stoppen“

Julian Liniger, CEO von Relai. © Relai
Julian Liniger, CEO von Relai. © Relai
Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

Julian Liniger, CEO und Co-Founder des Schweizer Bitcoin-only Brokers Relai, die bewusst auf sämtliche Altcoins verzichtet. In diesem Gastbeitrag beschäftigt er sich mit dem Crypto-Crash und die Rolle der Exchanges, Staking- und Yield-Farming-Angeboten und NFT-Plattformen.

Die lockere Geldpolitik der letzten Jahre ist vorbei. Das bekamen vor allem jene Anlagen zu spüren, bei denen Risikoappetit von Investor:innen eher höher angesetzt ist: gehypte (Tech-)Aktien und natürlich auch der Krypto-Markt.

Welcher der mittlerweile 20.000 (!) Coins und Tokens wieviel gefallen ist, ist dabei nicht wirklich relevant. Entscheidender ist die Tatsache, dass sich manche der gehyptesten und Crypto-Projekte – allen voran LUNA und Celsius Network – wohl nie wieder erholen werden.

Die Katerstimmung ist berechtigt

Erst letztes Jahr florierte „Crypto“ und der finanzielle Wahnsinn war weit verbreitet: JPEG-Bilder von Steinen (aka. NFTs) wurden für 1,3 Millionen USD verkauft. Matt Damon verglich den Kauf von Altcoins mit der Erkundung des Weltraums oder der Erstbesteigung eines Berges in einem großspurigen Werbespot mit dem Titel „Fortune Favours the Brave“.

Es gab mehrere hoch budgetierte Superbowl-Werbungen und prominente Sportsponsorings. “Yield Farming“ oder „Staking“, also das Erzielen von Zinsen auf verschiedene Kryptoanlagen, wurde von unzähligen berühmten YouTubern, Instagramern und TikTokern als eine einfache Möglichkeit vorgestellt, ein „passives Einkommen“ zu erzielen.

Genau diese “sicheren” Investitionen, die teilweise Renditen jenseits der 20 oder gar 30 Prozent versprachen, entpuppen sich jetzt als die fragilsten Elemente des Crypto-Kartenhauses.

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Eine schmerzhafte Lektion für Krypto-Investor:innen

Die Medienberichterstattung UND die Krypto-Bro-Kultur helfen ahnungslosen Erstanlegern nicht. Skeptiker und Medien drehen ihre Siegesrunden. Wir sehen das ganze Spektrum: von triumphaler Schadenfreude in The Atlantic’s „The Crypto Crash Feels Amazing“, über „Wir-haben-euch-gewarnt“ Stories wie FT’s „Hard Lessons From The Crypto Crash“ bis hin zu allumfassenden Analysen wie Salon.com’s „The crypto crash isn’t just tulip-trading – it’s a result of the toxic entitlement that led to Trump“.

Wie auch immer man es formuliert: Die aktuelle Situation ist eine Katastrophe für Hunderttausende von Menschen rund um den Globus. Und die Medien lieben das. Sie feiern das Scheitern der Kryptowährungen und kümmern sich nicht um die betroffenen Menschen. Sie verhalten sich wie Internet-Trolle, die sie vorgeben zu verurteilen. In der Tat gibt es eine Lektion für alle, die dachten, dass die Zahlen für immer nach oben gehen werden. Für viele ist es das erste Mal, dass sie mit der Volatilität in einem weitgehend unregulierten, riskanten Markt konfrontiert werden.

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Bitcoin ist nicht Krypto

Alle Kryptowährungen ausser Bitcoin sind im Grunde Startups – von denen viele von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind. Neue Projekte kommen und gehen. Das Schlimmste daran? Das Schicksal dieser Coins wirkt sich direkt auf den Wert und den Ruf von Bitcoin aus.  Wenn man ein wenig herauszoomt und in der Zeit zurückgeht, wird deutlich, dass sich die wichtigsten Kryptowährungen hinter Bitcoin ständig ändern. Im Jahr 2017 handelte es sich um eine Blase, die von „revolutionären“ Start-ups ohne Produkt, aber mit dem Versprechen, etwas mit der „Blockchain-Technologie“ zu tun, angeheizt wurde.

Im Jahr 2021 wurden die Erzählungen noch undurchsichtiger und vager und versprachen eine völlig neue Version des gesamten Internets, die unter dem Schlagwort „Web3“ zusammengefasst wurde. Bislang löst die „Blockchain“ nur ein einziges Problem, nämlich die dezentrale und absichtlich langsame und ineffiziente Absicherung von Bitcoin. Auf diese Weise wird Open-Source-Geld ohne zentralen Ausfallpunkt möglich. Ein neuartiger Vermögenswert, der mit digitalem Gold vergleichbar ist.

Dies verdeutlicht eines: Bitcoin ist die Innovation. Und „Krypto“ ist seit über 10 Jahren ein Anhängsel. Dabei spielte eine Rolle, dass der Weg Bitcoins von Anfang unklar und umstritten war – eine verständliche Eigenschaft für ein Open-Source-Projekt ohne charismatische Führungspersönlichkeit. Wie sollte Bitcoin skalieren? Handelt es sich wirklich um „digitales Bargeld“ oder ist es eher mit „digitalem Gold“ vergleichbar? Kann er wirklich Millionen oder gar Milliarden von Menschen als zensurfreier digitaler Vermögenswert dienen, oder muss er grundlegend verändert werden? Diese wichtigen Fragen werden weiterhin diskutiert – und das ist auch gut so, denn Bitcoin entwickelt sich ständig weiter, da er von Programmierer:innen auf der ganzen Welt, immer neue Funktionen erhält.

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Das Krypto-Casino muss erwachsen werden

Die „Krypto“-Industrie, die wir bisher gesehen haben, ist hauptsächlich Pump and Dump. Im besten Fall zur Bereicherung von VCs, die neue Kryptowährungen und Token als allererste billig kaufen; im schlimmsten Fall für reine Betrüger:innen, die von vornherein planen, mit dem Geld anderer Leute unterzutauchen.

Krypto-Börsen und -Broker spielen bei diesem Spiel nach wie vor mit und setzten Neulinge immer absurderen Vermögenswerten und dubioserem Cash-Grabs aus. Hauptsache neu, Hauptsache am Puls der Zeit. Move fast and break things. Oder so.

Es spielt keine Rolle, um was es sich handelte, solange es eine gewisse Zugkraft und Nachfrage hat, wird es gelistet. Ob SHIBA INU oder ApeCoin: Viele der jüngeren Assets geben nicht einmal mehr vor, irgendwelche realen Probleme zu lösen, sondern sind nur mehr Hype und FOMO.

Fest steht: Wenn wir uns weiterhin wie Zocker verhalten, wird das Ganze auch weiterhin ein Glücksspiel bleiben.

Dies ist nicht das Ende von Bitcoin – oder Krypto

Aber es reicht nicht aus, Krypto-Casinos und die Tausenden dubiosen „Kryptowährungen“ anzuprangern, die behaupten, „schneller“, „schlauer“, „grüner“ oder „lukrativer“ als Bitcoin zu sein. Das löst keines der Probleme, mit denen Menschen tatsächlich konfrontiert sind.

Die Frage, die wir uns als Gesellschaft stellen sollten, ist, warum sich junge Menschen zu unglaublich riskanten Investitionen hingezogen fühlen, die zu gut sind, um wahr zu sein? Warum scheinen NFTs oder wackelige Krypto-Kredite vertrauenswürdiger und attraktiver zu sein als das Sparen von Geld Die traurige Wahrheit ist, dass das Problem tiefer geht und seine Wurzeln in einer zunehmend verzweifelten jungen Generation hat.

Immer mehr Millennials leben von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck; die Generation Z ist desillusioniert, weil sie nicht mehr von 9 bis 5 arbeiten will; Wohneigentum – einst der beste Weg, um Vermögen aufzubauen – wird für eine breite Masse unerreichbar. Unsere kreditbasierte Wirtschaft wird auf vielen Ebenen auf die Probe gestellt.

Selbst wenn die großen Krypto-Casinos strenger reguliert würden, würden die Menschen immer noch zu den zu guten Angeboten auf dezentralen Börsen strömen. Sie würden das schicke Wildwest-Casino verlassen, nur um in einem noch zwielichtigeren Spieltisch im privaten Hinterzimmer einer DeFi-Plattform zu enden.

Die Sache ist die: Die Menschen sind verzweifelt auf der Suche nach Möglichkeiten, wieder Geld zu sparen. Lösungen, die nicht von der Inflation oder hohen Gebühren aufgefressen werden. Lösungen, die für das digitale Zeitalter bereit sind und die nicht eingefroren oder in irgendeiner Weise zensiert werden können. Trotz der Volatilität ist Bitcoin nach wie vor ein hervorragendes langfristiges Investment – insbesondere mit Cost Averaging und wenn es in einer eigenen Wallet gehalten wird.

Kopf hoch! Auf jeden Crash folgt der Wiederaufbau

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