Kryptowährungen: Die Erfahrungen nach den ersten ICOs nach österreichischem Recht
Über Initial Coin Offerings (ICO) und Initial Token Offerings (ITO) wurde in den letzten Monaten in Österreich darüber gesprochen, geschrieben und geschimpft. Nüchtern betrachtet handelt es sich bei den ICOs um ein neues Phänomen der Unternehmensfinanzierung.
Aus rechtlicher Sicht musste, auch bei uns in der Kanzlei, erst einmal Pionierarbeit geleistet werden, wie denn ICOs in Österreich in die bestehende Rechtsordnung eingeordnet werden sollen. Es gab keine Erfahrungswerte, weil noch keine ICOs oder ITOs nach österreichischem Recht durchgeführt wurden. Das ist jetzt anders. Herosphere, Cointed und HydroMiner wagten bzw wagen sich in diese neue Welt. Die Crowdfunding-Plattform Conda wird in Kürze ihren ICO starten. Zeit für einen Rückblick auf die bisherigen Projekte aus juristischer Sicht und einen Ausblick in die Zukunft der neuen Finanzierungsform.
Token als Wertträger
Aber zuerst die Basics. Aus begrifflicher Sicht wird häufig zwischen ausgegebenen Coins und den Tokens unterschieden. Coins werden als Kryptowährungen verstanden, die durch Rechenleistung „geschürft“ werden können („mining“), Token als Wertträger, die von einem Unternehmen ausgegeben werden und den Erwerber zum Tausch gegen Waren oder Dienstleistungen des ausgebenden Unternehmens berechtigen. Häufig werden die Begriffe aber auch synonym verwendet.
Utility Token bei Herosphere
Der ICO von Herosphere (Trending Topics berichtete) ist der erste nach österreichischem Recht durchgeführte ICO. Bis Mitte Oktober wurden HEROCoin gegen Ether (ETH) ausgegeben, laut Herosphere im Gegenwert von etwa zwei Millionen US-Dollar. Herosphere hat sich eingehend mit den rechtlichen Themen rund um ihren ICO auseinandergesetzt und viel Mühe auf die Strukturierung ihres ICO verwendet.
Gerade läuft das nächste Projekt nach österreichischem Recht an (Trending Topics berichtete). HydroMiner, die sich dem umweltfreundlichen Mining mittels Wasserkraft verschrieben haben, tauften ihren Token passenderweise „H2O“. Beide Projekte verweisen in ihrer Dokumentation auf die Ausgestaltung als sogenannter „Utility Token“ und haben, soweit ersichtlich, keine FMA-Konzession beantragt.
ICO von Cointed nicht nach österreichischem Recht
Und auch die österreichische Cointed arbeitet (über eine Gesellschaft in Hongkong) an einem ICO, über den in letzter Zeit viel berichtet wurde, wobei insbesondere das hochgesteckte Funding-Ziel von 120-140 Millionen US-Dollar viele Irritationen hervorgerufen hat. Der Cointed ICO wird, soweit ersichtlich, anders als Herosphere und HydroMiner, aber nicht nach österreichischem Recht durchgeführt.
Grauzonen
Rechtlich ist interessant, egal ob nun Coins oder Token ausgegeben werden, welche aufsichtsrechtlichen Implikationen ein ICO haben könnte. Da es (zumindest bislang) keine österreichischen Gesetze gibt, die ausdrücklich auf ICOs anwendbar sind, muss geprüft werden, in wie weit die bestehenden Normen anwendbar sind und damit eine Konzessionspflicht bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) auslösen könnten. Eine fixe Verzinsung würde beispielsweise zu einer Konzessionspflicht führen.
Utility oder equity token?
Wie ein ICO rechtlich einzuordnen ist, kann nicht allgemein beantwortet werden. Besonders wichtig sind die Rechte und Pflichten der Erwerber, die ein Coin oder Token beinhaltet, um sie rechtlich einzuordnen. Zu unterscheiden ist insbesondere zwischen ICOs, die dem Erwerber der Coin ermöglichen diesen gegen gewisse Leistungen einzutauschen (sogenannter „Utility Token“) und ICOs, die eine Beteiligung am Unternehmen, beziehungsweise am Unternehmensgewinn, also eine Rendite, versprechen („Equity Token“).
Wenn ein Token als Veranlagung eingeordnet werden kann, dann löst der ICO Prospektpflicht nach dem Kapitalmarktgesetz aus. Zudem stehen die Bestimmungen des Bankwesengesetzes, Zahlungsdienstegesetzes und E-Geld-Gesetzes sowie des Wertpapieraufsichtsgesetzes auf dem Prüfstand, wobei davon auszugehen ist, dass ein Utility Token, dessen Ausgabe oft auch als „Gutschein-ITO“ bezeichnet wird, grundsätzlich so strukturiert werden kann, dass eine Konzessionspflicht nach diesen Gesetzen entfällt.
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass ein Utility Token mit weniger juristischer Komplexität verbunden ist, als ein Equity Token. Die rechtlichen Implikationen der Ausgestaltung ganz genau zu beleuchten und den ICO entsprechend zu strukturieren ist aber jedenfalls die fundamentale Voraussetzung für den rechtlich reibungslosen Ablauf eines ICO nach österreichischem Recht.
EU gefordert
Bleibt die Beliebtheit dieser neuen Form der Unternehmensfinanzierung auf ihrem derzeitigen Höhenflug, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf europäischer als auch auf österreichischer Ebene spezielle Regelungen entwickelt werden, die ICOs ausdrücklich regulieren. Bis dahin ist jeder ICO anhand der bestehenden Gesetze zu prüfen und zu beurteilen. Auch die FMA geht nach dieser Faustregel vor und betrachtet die Fälle individuell. Daher ist jedem Unternehmen, das einen ICO durchführen möchte, nachdrücklich eine detaillierte juristische Analyse des Geschäftsmodells zu empfehlen, um bösen Überraschungen (und dazu zählen sowohl rechtliche Sanktionen, als auch die schlechte Nachrede in der Community) wirksam vorzubeugen.
Mag. Nicholas Aquilina ist Senior Associate bei Brandl & Talos Rechtsanwälte. Er spezialisiert sich auf E-Commerce, internationales Glücksspiel- und Entertainment-Recht, Social Gaming sowie Kryptowährungen und ICOs.