ICO-Regulierung: „Alleingang Österreichs kann Standort schaden“
Eine Prospektpflicht für ICOs, Meldepflicht bei Bitcoin-Transaktionen von mehr als 10.000 Euro, Handelsplattformen für Kryptowährungen unter die Aufsicht der Finanzmarktaufsicht (FMA) und ein eigener Fintech Regulierungsrat: Das Finanzministerium hat vor kurzem für Aufsehen für seine Pläne zur Regulierung von Kryptowährungen gesorgt (Trending Topics berichtete). Die Vorhaben, die in Abstimmung mit der EU umgesetzt werden sollen (dazu gibt es einen neuen Aktionsplan), haben unterschiedliche Reaktionen in der Branche ausgelöst.
„Schwierige Balance“
„Die Sache mit der Regulierung ist eine ganz heikle, es gibt da kein richtig oder falsch“, sagt Max Tertinegg vom österreichischen Bitcoin-Händler und Betreiber von Bitcoin-Automaten Coinfinity. „Man muss hier die schwierige Balance zwischen den gerechtfertigten Anonymitätsansprüchen des normalen Bitcoin-Users und dem ebenso gerechtfertigten Bedürfnis des Staates auf Vermeidung zur Geldwäsche gerecht werden.“
Tertinegg ist grundsätzlich für eine europaweit einheitliche Regulierung, hält die vorliegenden Vorschläge aber nicht uneingeschränkt für sinnvoll. „Dass ab einer Transaktion ab 10.000 Euro automatisch eine Meldung an die Geldwäschestelle des Bundeskriminalamts gemacht werden soll, finde ich aber jedenfalls übertrieben“, so der Coinfinity-Geschäftsführer. „Hier würden sicherlich zu viele Daten gesammelt werden, die sich letzten Endes nicht als Geldwäsche-relevant herausstellen und wo sich dann die Frage stellt, was mit diesen Daten passiert.“
Dass eine solche Regelung „sicherlich“ kommen wird, darüber ist sich Eric Demuth CEO von BitPanda sicher. Bei Bitpanda kann man digitale Währungen wie Bitcoin, Ethereum, Dash, Litecoin, BitcoinCash und Ripple kaufen und verkaufen. Es wird sicherlich eine Regulierung im Bereich KYC (Know Your Customer, Anm.) und AML (Anti-Money Laundering, Anm.) kommen. Bezüglich der Regelung, die eine Meldepflicht über 10.000 Euro betrifft, kann das bedingt durchaus möglich sein“, sagt Demuth. „Allerdings nie innerhalb oder zwischen Cryptos, denn das ist per Design unmöglich. Zwischen Euro und Crypto ist das durchaus realistisch und auch umsetzbar.“
„Derzeit werden ICOs missbraucht“
Das Initial Coin Offerings (ICOs) in Österreich künftig einer Prospektpflicht unterliegen könnten, hört sich für viele Startup-Gründer, die mit der Idee eines Token-Sale spielen, erstmal für kompliziert an. Denn der Regelung zufolge müssen potentielle Geldgeber bestimmte Informationen in Form eines Prospektes erhalten. Das gilt als aufwändig und teuer.
„Ich halte eine Prospektpflicht in den meisten Fällen sogar für sinnvoll. Derzeit werden ICOs für einige Startups und ähnliches missbraucht. ICOs sind in erster Linie dafür da, Open-Source-Technologien zu finanzieren und deren Entwicklung langfristig zu sichern (zb. Ethereum ICO) und nicht, um es als Umgehung für Fundraising zu missbrauchen“, sagt Demuth von BitPanda. „Zu 95 Prozent steckt heutzutage sowieso kein wirtschaftliches sinnvolles Modell hinter den Projekten oder wird von einem unfähigen Team betrieben, welches auf anderen Wege niemals Geldgeber gefunden hätte.“
Dass mit einer Regulierung von ICOs Innovationspotenzial abgewürgt wird, glaubt Demuth nicht. „Meine Erfahrung ist nämlich durchaus sehr positiv, was FMA und Finanz- und Wirtschaftsministerium betrifft. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass in Österreich eine Überregulierung stattfinden wird, vor allem da viele Schlüsselfiguren das enorme Zukunftspotential unserer Industrie erkannt haben.“
Vorbild Schweiz?
Wie ICOs konkret reguliert werden sollen, ist noch unklar, jedenfalls sollen sie der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) unterstellt werden. In der Schweiz, die bereits „Krypto-Nation“ genannt wird und Startups aus der ganzen Welt anlockt, hat die dortige Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) bereits sehr klar strukturierte Regeln für Token-Sales aufgestellt (Trending Topics berichtete). Sie sehen folgende Unterscheidung vor:
- Zahlungs-ICOs: Die FINMA sieht für ICOs, deren Token die wirtschaftliche Funktion als Zahlungsmittel haben und bereits übertragbar sind, eine Unterstellung unter die Geldwäschereibestimmungen als gegeben an. Die FINMA wird solche Token aber nicht als Effekten behandeln.
- Nutzungs-ICOs: Nutzungs-Token qualifizieren nicht als Effekten, wenn der Token ausschliesslich einen Anspruch auf Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung vermittelt und der Nutzung-Token im Zeitpunkt der Ausgabe in diesem Sinne einsetzbar ist. In allen Fällen, in der nur oder auch die wirtschaftliche Funktion als Anlage besteht, behandelt die FINMA diese als Effekte (wie Anlage-Token).
- Anlage-ICOs: Anlage-Token betrachtet die FINMA als Effekten mit entsprechenden finanzmarktrechtlichen Konsequenzen im Hinblick auf den Handel damit. Diese Betrachtungsweise schliesst für ICOs in der Regel auch entsprechende obligationenrechtliche Pflichten mit ein (z.B. Prospektpflichten).
„Wenn Österreich analog zur Schweiz das Thema ICOs in die drei Kategorien „Zahlungs-Token“, „Nutzungs-Token“ und „Anlage-Token“ und damit verbunden ihre rechtlichen Konsequenzen und Pflichten ähnlich reguliert, sollte Österreich im Vergleich zur Schweiz keine Nachteile haben“, sagt Barbara Hölzl, Geschäftsführerin beim Wirtschaftsprüfer Ecovis Austria.
Kapitalmarkt- und Alternativfinanzierungsgesetz
Hölzls Vorschlag: „Die Krypto-Emissionen müssten wohl sinnvollerweise in Umsetzung von Regulierungsbestrebungen in das Kapitalmarktgesetz (KMG) und in das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) eingebaut werden“, sagt die Ecovis-Geschäftsführerin. „Die Vorgehensweise und Klassifizierungen der Schweizer FINMA kann hier durchaus als „Vorbild“ gesehen werden. Würde man etwa die Anlage-Token im AltFG als alternatives Finanzinstrument definieren, wäre eine Prospektpflicht bis zu einem Emissionsvolumen von 1,5 Millionen Euro vermeidbar, wenn pro Anleger maximal 5.000 Euro eingesammelt werden.“ Bei größeren Emissionen – etwa bei Aufnahme der Anlage-Token in das KMG als „Veranlagung“ – wäre dann eine Prospektprüfung vorzunehmen.
Alleingang kann Wirtschaftsstandort schaden
Nicholas Aquilina, Associate und Krypto-Experte bei Brandl & Talos, sieht die Attraktivität des Standorts gefährdet, sollte eine Prospektpflicht im Alleingang eingeführt werden. Denn laut des FinTech-Aktionsplan der Europäischen Kommission vom 8. März 2018 sollen die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA) die derzeitige Lage der Aufsichtsansätze und -prozesse im Finanzsektor sowie die Anforderungen an die IT-Sicherheit und -Governance in den einzelnen Staaten vorerst nur abbilden und analysieren, nicht einheitlich regulieren (Trending Topics berichtete).
„Die Frage, ob es mit einer derartigen Prospektpflicht in Österreich überhaupt noch attraktiv ist, einen ICO in Österreich zu starten, ist berechtigt. Insbesondere, weil auf europarechtlicher Ebene in der nächsten Zeit nicht mit einer einheitlichen Regulierung von ICOs zu rechnen ist, könnten hier andere Länder attraktiver werden, sollte Österreich im Alleingang eine derartige Prospektpflicht einführen“, so Aquilina.
Eine umfassende Prospektpflicht wie beispielsweise nach dem Kapitalmarktgesetz würde allerdings Aufwand und vor allem Kosten verursachen, die Startups wohl vor eine beträchtliche Hürde stellen würden. „In der Vergangenheit hat sich bereits gezeigt, dass diese Kosten insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen nur sehr schwer getragen werden können.“