Interview

KWG: So werden Bürger am regionalen Ökostrom-Ausbau beteiligt

Auf dem Wasserkraftwerk Hart hat KWG bereits eine PV-Anlage mit Bürgerbeteiligung errichtet © KWG
Auf dem Wasserkraftwerk Hart hat KWG bereits eine PV-Anlage mit Bürgerbeteiligung errichtet © KWG
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KWG Kraftwerk Glatzing-Rüstorf ist vermutlich nur wenigen ein Begriff. Dabei verbirgt sich dahinter eines der Treiber der Energiezukunft Österreichs. Der kleine Stromanbieter aus Oberösterreich ist zwar nur regional tätig, schafft es aber seit Jahren in die Top 5 der nachhaltigsten Anbieter in Österreich. Das hundert Jahre alte Unternehmen ist als Genossenschaft organisiert und reinvestiert Gewinne, statt sie auszuschütten. In den nächsten Jahren wird dieses Geld vor allem in den Bau von Photovoltaik-Anlagen fließen.

Noch ist die KWG hauptsächlich Betreiber von insgesamt sechs Wasserkraftwerken an der Ager, einem Abfluss des Attersees. Wasserkraft auszubauen wird in Österreich aber immer schwieriger, stattdessen wird der Ausbau von Photovoltaik massiv gefördert. Das will KWG nutzen: „Wasserkraft produziert 24 Stunden am Tag kontinuierlich Energie und Photovoltaik produziert dann viel Energie, wenn sie auch gebraucht wird, nämlich untertags“, sagt Geschäftsführer Peter Zehetner. Dafür hat sich die Energiegenossenschaft ein Riesenprojekt vorgenommen: Mehr als 100 Dachanlagen sollen kommendes Jahr in der Region errichtet werden – dann wohl das größte Photovoltaik-Projekt des Landes, betont Zehetner. Und auch das Finanzierungsmodell ist sehr modern: Über ein Gutscheinmodell hat die KWG Bürger an dem Ausbau beteiligt. Im Interview erzählt der KWG-Chef, wie das genau funktioniert.

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Tech & Nature: In einem Ranking von WWF und Global 2000 liegt KWG seit Jahren in den Top 5 der grünsten Stromanbieter Österreichs. Warum schneiden aus Ihrer Sicht in diesem Ranking so viele Anbieter so schlecht ab, obwohl Österreich doch das Image eines Ökostrom-Vorzeigelandes hat?

Peter Zehetner: Das Ranking geht ein wenig tiefer, als ein normales Ökostrom-Labeling. Ich kann ja in Österreich Ökostrom mit Herkunftsnachweisen aus aller Welt verkaufen, ohne auch nur einen Cent an Wertschöpfung in Österreich zu generieren oder Erzeugungsanlagen zu betreiben. Das führt zu einer verzerrten Darstellung. Es gibt Energieversorger, die in Österreich als Ökostromanbieter auftreten, die Mutterkonzerne sind dann aber Kohlekraftproduzenten oder Atomstromkonzerne oder Mineralölunternehmen. WWF und Global 2000 blicken da etwas tiefer und schauen sich diese Unternehmensstrukturen genau an.

Das heißt, Schuld an diesem teilweise irreführenden Bild ist der Zertifikatehandel.

Man hat ein Herkunftsnachweissystem aufgebaut, wo man jede Kilowattstunde, die man absetzt, mit einem Herkunftsnachweis hinterlegen muss. Diese Nachweise werden gehandelt. Ich kann die also zum Beispiel auch Zertifikate aus Norwegen kaufen und dann trotzdem sagen, ich biete 100 Prozent Wasserkraft an. Da passiert teilweise eine Verzerrung der Realität. Viele Anbieter haben ja gar keine eigenen Kraftwerke, sondern sind reine Börsenhändler. Wir betreiben Kraftwerke und erzeugen eine regionale Wertschöpfung und müssen mit solchen Unternehmen konkurrieren.

Peter Zehetner ist Geschäftsführer bei KWG © KWG

Im weiteren Ausbau setzt KWG jetzt besonders auf Photovoltaik. Dazu haben Sie ein Bürgerbeteiligungsmodell gestartet – wie funktioniert das genau?

Wir haben zwischen Ende September und Mitte November ein Bürgebeteiligungsmodell angeboten. Da gab es zwei Schienen: Entweder man stellt seine Dachfläche für die Errichtung einer PV-Anlage zur Verfügung. Es gibt sehr viele ungenutzte Dachflächen, also haben wir eine Ausschreibung gemacht und geschaut, wer uns zu bestimmten Konditionen die Dachfläche nutzen lässt. Das Konzept einer Dachmiete ansich ist nicht neu, aber dass man das ausschreibt, gibt es im deutschsprachigen Raum bisher so noch nicht.

Die zweite Schiene war die Bürgerbeteiligung. Wer sich am Ausbau der regionalen Energieversorgung beteiligen möchte, kann das auch finanziell tun. Da gibt man uns Geld, um die PV-Anlagen zu errichten und man bekommt natürlich das Geld entsprechend mit einer Verzinsung wieder zurück. Das ganze funktioniert über ein Gutscheinvorverkaufsmodell. Sie geben uns zum Beispiel 2.500 Euro und bekommen dann fünf Jahre lang jedes Jahr einen Gutschein im Wert von 540 Euro.

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Wofür kann ich die einlösen?

In diesem Modell haben wir mehrere Varianten: KWG-Gutscheine, die man für Strom oder Breitbandinternet bei uns einlösen kann. Wir haben aber auch regionale Einkaufsgutscheine angeboten – für Vöcklabruck, Gmunden und das Einkaufszentrum Varena.

Wieviele Gutscheinkäufer konnten Sie damit locken und wieviele Dächer gewinnen?

Wir haben ungefähr 150 Anmeldungen für Dachflächen, was unsere Erwartungen deutlich übertroffen hat. Unser Ziel waren 100 PV-Anlagen und wir hatten das Ganze ja sehr regional ausgerichtet auf drei Bezirke: Vöcklabruck, Gmunden und Wels Land. Wir haben außerdem nur größere Dachflächen gesucht ab etwa 200 Quadratmeter. Damit fallen die meisten Einfamilienhäuser raus. Ungefähr 115 von den angemeldeten Dachflächen werden wir zusagen. Die Anlagen wollen wir auch alle nächstes Jahr errichten – das ist ambitioniert, aber möglich. Und es ist dann wahrscheinlich das größte Photovoltaik-Projekt in Österreich.

Wie war das Interesse bei der Bürgerbeteiligung?

Da waren wir auch positiv überrascht. Wir haben Anmeldungen für rund 1,3 Millionen Euro. Das ist ein sehr schönes Ergebnis.

Dieses Geld fließt in den Ausbau der 115 Dächer?

Ja, aber das wird natürlich deutlich mehr kosten. Die Frage, die sich aufdrängt ist auch, brauchen wir das Geld von den Kunden überhaupt so dringend? Die kann man mit nein beantworten. Wir sind wirtschaftlich gesehen sehr stabil und könnten das in dieser Größenordnung auch ohne Bürgerbeteiligung bewältigen. Banken würden uns auch Geld geben und die Bankenfinanzierung wäre wahrscheinlich sogar günstiger. Uns liegt aber sehr viel daran, die Bürger einzubinden. Wir wurden vor 100 Jahren als Genossenschaft gegründet, auch mit dem Anliegen, damals überhaupt Stromversorgung in die Region zu bringen. Die Bürger einzubinden, liegt uns im Blut.

Welche Dachflächen werden Sie da jetzt ausbauen?

Etwa die Hälfte davon sind landwirtschaftliche Objekte, 20 Prozent Wohnhäuser und ungefähr 15 Prozent Industrie/Gewerbe.

Was hat der Gebäudeinhaber davon und was passiert mit dem erzeugten Strom?

Wir haben vorher lange recherchiert, warum denn auf vielen Dächern noch keine Photovoltaik-Anlagen sind. Oft liegt es daran, dass große Dachflächen auf Gebäuden zu finden sind, wo es kaum Stromverbrauch gibt. Denken Sie zum Beispiel an eine typische große Lagerhalle, wo vielleicht ab und zu Licht brennt, aber es darüber hinaus keinen Verbrauch gibt. Der Besitzer könnte zwar eine riesige PV-Anlage darauf bauen, kann aber mit dem Strom nichts anfangen. Wir als Energieversorger aber schon. Wir wollen mit diesem Strom unsere Kunden versorgen. Solche Dachflächenbesitzer bekommen von uns eine Einmalzahlung oder eine Sachvergütung und wir können diese Dachfläche komplett nutzen, um Strom für uns zu erzeugen.

Es gibt aber auch ein Modell, bei dem der Dachbesitzer auch Strom verbraucht. Den Strom, den er selbst braucht, bekommt er aus der PV-Anlage – da spart man die Netzgebühr und Steuern und Abgaben. Dafür bezahlt er an uns einen PV-Strompreis. Würde er den Strom aus dem Netz beziehen würde er vielleicht 16 Cent bezahlen, aus der PV-Anlage bezahlt er sagen wir 12 Cent. Er spart sich also vom ersten Tag an Energiekosten, ohne selbst investieren zu müssen. Nach zehn Jahren kann er die Anlage von uns kaufen und zwar zu einem Preis, der jetzt schon feststeht. Anderenfalls läuft das Modell bis 20 Jahre weiter.

Das Erneuerbaren Ausbau Gesetz, das nächstes Jahr kommt, schränkt die Förderung bei Solarstrom-Anlagen auf Freiflächen ein. Das hat auch eine Debatte um den Ausbau von Grünflächen ausgelöst – wie sehen Sie das?

Wir sehen Freiflächenanlagen durchaus als sinnvolle Ergänzung an. In unserer Region gibt es einige Flächen, die als Betriebsbaugebiet gewidmet sind, aber seit Jahrzehnten nicht genutzt werden – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Die werden auch in den nächsten Jahrzehnten nicht genutzt und schon gar nicht landwirtschaftlich. Das sind also brach liegende Flächen, die auch von der Widmung her für PV-Anlagen geeignet wären. Gute, ertragreiche landwirtschaftliche Flächen sollten aber natürlich erhalten bleiben. Es gibt aber auch gute Konzepte für eine Doppelnutzung. Nur mit Dachflächen alleine wird man die gesetzten Ziele jedenfalls nicht erreichen.

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