Hintergrund

E-Auto-Fahrer:innen wollen am liebsten nach kWh bezahlen. Nur das Eichrecht will nicht.

E-Ladestation der Wien Energie. © Wiener Stadtwerke
E-Ladestation der Wien Energie. © Wiener Stadtwerke
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Eigentlich war es ja schon perfekt für die meisten Menschen. Vor dem Mai 2019 konnte man etwa an den Ladestationen der Wien Energie sein E-Auto anhängen – und dann auf Basis der geladenen Kilowattstunden (kWh) bezahlen. Doch dann wurde von dem verbrauchs- auf ein zeitbasiertes Tarifsystem umgestellt, und seither bezahlt man nach Minuten. Also nach sämtlichen Minuten an der Ladesäule, egal wie schnell oder langsam man lädt, oder ob man überhaupt lädt. Hängt das Kabel, laufen die Minuten nach Tarif.

Grund für den Rückschritt bei Ladestationen von kWh- auf Minutenabrechnung war damals das Eichrecht in der EU. Dieses will, dass man den Verbrauch direkt an der Ladesäule ablesen können muss, so wie beim Tanken von Benzin oder Diesel an der Tankstelle. In Österreich fehlen aber mancherorts noch die zertifizierten Geräte, und die Betreiber warten seit nunmehr vier Jahren darauf, dass sich endlich etwas bewegt. Die Branche wartet darauf, dass das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft zugeordnet) eine neue Verordnung erlässt, damit rechtliche Klarheit herrscht.

„Die verbrauchsabhängige Abrechnung ist absoluter Kund“innen-Wunsch. Das wissen wir aus allen Befragungen. Derzeit gibt es allerdings Hürden für eine rechtssichere Umsetzung dieser Form der Abrechnung, da trotz jahrelanger Forderung der Branche noch keine Anpassung des Eichrechts erfolgt ist“, heißt es seitens Wien Energie. „Eine Abrechnung nach Kilowattstunden an unseren Ladestationen wäre technisch schon jetzt möglich, aufgrund des unsicheren Rechtsrahmens muss aber die Einführung solcher Tarife sehr gut abgewogen werden. Es ist auch unser Wunsch, unseren Kund:innen derartige Tarife anbieten zu können und wir arbeiten im Hintergrund daran. Was es jedenfalls braucht, ist ein praktikabler Rechtsrahmen, der eine kWh-Verrechnung an bestehenden Ladestationen erlaubt.“

Unfaire Verrechnung mit Nachteilen für Kund:innen

Die Minuten-Abrechnung, die derzeit vorherrscht (auch wenn es mittlerweile kWh-Abrechnung bei einzelnen Anbietern gibt) hat ihre Tücken. Denn bei tieferen Temperaturen haben E-Autos generell längere Ladezeiten, wie der ÖAMTC hinweist – und das resultiert dann bei Minutentarifen in höheren Kosten, obwohl man nicht mehr kWh lädt. Oder der andere Fall: Die Ladestation gibt hohe Ladeleistungen (=teurerer Minutentarif) her, aber das E-Auto kann nicht mithalten und lädt langsamer. Auch dann zahlt man mehr für die gleiche menge an geladenen KWh. Unfair, meinen viele E-Fahrer:innen.

Immerhin gibt es bei einigen Energieversorgern – konkret der Linz AG und den Illwerken in Vorarlberg – bereits alternativ die kWh-Abrechnung. Und siehe da, es könnte sogar Bewegung in die Sache kommen. Denn die EVN, also der größte Stromversorger Niederösterreichs, kündigte in einem Schreiben an ihre Kund:innen an, dass man im Herbst womöglich auf kWh-Abrechnung umstellen werde.

Der Bundesverband für Elektromobilität Österreich (BEÖ) fordert seit Jahren eine Kund:innen-freundliche Abrechnung nach Kilowattstunden (kWh) und hat 2022 bereits eine Stellungnahme abgegeben. Die Forderung damals unter anderem: es brauche eine „rasche Novellierung des Maß- und Eichgesetzes mit ausreichenden Übergangsbestimmungen zum Schutz der bereits bestehenden und geförderten Ladepunkte“. Klar: Bereits ausgebaute Infrastruktur soll ja auch dann weiter funktionieren bzw. erlaubt sein, wenn auf kWh umgestellt wird.

E-Ladestationen: Stellt endlich von Zeittarif auf kWh-Abrechnung um!

Eine Frage des Displays & 33 Mannjahre

Auch bei Oesterreichs Energie, also der Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, werden Anpassungen im Mess- und Eichrecht seit 2019 gefordert. Damals gab es etwa die Idee, dass man ja die „Anzeige signierter Messdaten auf einem abgesetzten Sichtfenster wie beispielsweise Endgeräten (Smartphone, Tablet, Display im Fahrzeug, etc.)“ ausloten könne – also dass gar nicht da Ladestation ein Display benötigt, um die geladenen kWh anzuzeigen, sondern zum Beispiel eine Smartphone-App.

Doch im Oktober 2022 wurde ein Vorschlag zu einer neuen Verordnung für Eichvorschriften für elektrische Tarifgeräte von eben jener Interessenvertretung heftig kritisiert. Sie sei „keine praxistaugliche Rechtsgrundlage„, um eine energiebasierte Verrechnung bei den bestehenden Ladestationen rasch zu ermöglichen. Da wird zum einen beanstandet, dass da die Begriffe durcheinander geworfen werden (eine „Ladeeinrichtung“ sei eben kein „Ladetarifgerät“), und zum anderen festgehalten, wie kompliziert „Ausnahmsweise Zulassungsverfahren“ seien. Um das zu bekommen und nach kWh abrechnen zu können, müssten bestehende Ladestationen nochmals einer „Eichung im Feld“ unterzogen werden. Weil es aber „weder die notwendigen zertifizierten Stellen noch die notwendigen Prüf- und Messgerätschaften“ gebe, sei das enorm aufwendig. Es bräuchte einen „Ressourcen-Einsatz von rund 33 Mannjahren“.

Die alten Ladestationen, oft gar nicht oder nur mit rudimentären Displays ausgestattet, sind als der Kern des Problems. Nur: Die hat schon wer bezahlt, und rückbauen will man die nicht, schon gar nicht in Zeiten stark wachsender Nutzung. Betreiber von Ladestellen müssten dann ja „erneut hohe Summen in die Nach- oder Umrüstung von Bestands-Hardware“ investieren. Wie also könnte man die Sache beschleunigen, und zwar so, dass auch die alte Hardware noch laden darf?

Oesterreichs Energie mit ihrem Präsidenten Michael Strugl, auch Verbund-CEO, forderte deswegen in der Kritik an der Verordnung eine „vorübergehende Genehmigung zur kWh-Abrechnung gegen Vorlage eines Umrüstkonzepts“. In Deutschland hätten sich bereits 2019 Ministerien, Landeseichbehörden, Ladesäulenbetreiber und Hersteller darauf einigen können. Oder auf gut Deutsch: Ladesäulenbetreiber sollen auf kWh umstellen können und dann über Zeit und nicht von heute auf morgen umrüsten müssen. Und wenn es bei Stichproben negative Prüfergebnisse gibt, dann könnte der Betreiber ja die Zulassung verlieren, bis er auf neuere Geräte oder taugliche Messung aufgerüstet hat.

Und so ist eine Verordnung, die den rechtlichen Rahmen für die E-Tankstellen eindeutig klären soll, weiterhin im Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen in Arbeit und harrt ihrer Umsetzung. Somit greift auch hier eine alte Startup-Binsenweisheit: Hardware is hard.

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