Future Foods

Laborfleisch, 3D-Druck & Co. – Das essen wir in der Zukunft

Quang Nguyen Vinh © Pexels
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Vom Feld oder Stall bis auf den eigenen Teller – das ist die traditionelle Art der Lebensmittelherstellung. Diese wird aber Stück für Stück von neuen Trends ergänzt. Und das muss sie auch. Die Weltbevölkerung nimmt stetig zu und kombiniert mit den Folgen der Klimakrise wächst auch die Anzahl der Menschen, welche Gefahr laufen Hunger leiden zu müssen. Bereits 2020 verzeichneten die Vereinten Nationen einen straken Anstieg an hungerleidenden Menschen. So waren im Jahr 2020 laut einem UN-Bericht etwa ein Zehntel der Weltbevölkerung – bis zu 811 Millionen Menschen – unterernährt.

Auch für die Zukunft gehen die Autor:innen des Berichts nicht von einem Abkehr dieses Trends aus. Eigentlich ist im Rahmen der Sustainable Development Goals ( SDGs) von 2015 verankert, dass bis 2030 kein Mensch mehr unter Hunger leiden soll. Bisher liegt die Erreichung des Zieles aber in weiter Ferne. So wird die internationale Gemeinschaft das Ziel bisher, dem aktuellen UN-Bericht zufolge, um rund 660 Millionen Menschen verfehlen.

Weltweit wird daher immens daran gearbeitet, neue Formen der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion fit für die Praxis – und die Zukunft – zu machen. Einige stellen wir hier einmal näher vor.

Das sind die aktuellen Future Foods Trends:

In-Vitro Lebensmittel

Weniger Tierleid, weniger Zuchtbetriebe und dadurch weniger CO2-Emissionen – Fleisch, das im Glas gezüchtet wird, gilt als vielversprechender Trend, wenn es um Essen geht. Das Prinzip klingt einfach:  Das Laborfleisch wird aus Stammzellen von Nutztieren gezüchtet. Diese werden den jeweiligen Tieren per Biopsie als Gewebeproben entnommen und später im Labor isoliert. Die Entnahme sei den Angaben der Unternehmen nach für die Tiere schmerzfrei und die entnommenen Stammzellen können dann zahlreich wiederverwendet werden. Die Stammzellen werden auf ein Trägergerüst aufgetragen und in einem Bioreaktor mit einem Nährmedium versorgt, sodass sie sich vermehren und sich anschließend in einem weiteren Bioreaktor zu Muskel- und Fettzellen weiter entwickeln.

Viele Unternehmen sind auf den In-Vitro-Hype aufgesprungen und kultivieren nun Fleisch im Labor. Die Startups Mosa Meat (Niederlande) und Mirai Foods (Schweiz) haben sich im ersten Schritt etwa auf kultiviertes Rinderhackfleisch spezialisiert. Andere Unternehmen wie Eat Just und Upside Foods aus den USA wollen stattdessen vermehrt Hühnerprodukte aus dem Glas herstellen.

Noch ist das Laborfleisch aus dem Glas nicht breitflächig am Markt verfügbar. Im Dezember 2020 hat mit den im Labor produzierten Chicken Nuggets des amerikanischen Lebensmittelherstellers Eat Just in Singapur erstmals In-Vitro Fleisch eine Verkaufserlaubnis erhalten.

Dass sich die Produkte bisher noch nicht weiter durchgesetzt haben,  liegt vor allem am noch sehr hohen Preis für die Herstellung. Doch die Potenziale für die Umwelt sind groß: Laut einer Studie der Universitäten Oxford und Amsterdam könnten durch Laborfleisch bis zu 99 Prozent weniger Bodenfläche und 82 – 96 Prozent weniger Wasser im Vergleich zu der konventionellen Tierhaltung gebraucht werden. Damit das erste Fleisch aus dem Labor auch in Europa verzehrt werden kann, braucht es zunächst ein markreifes Produkt, welches dann entsprechend geprüft und durch die Lebensmittelbehörden zugelassen werden müsste. In-Vitro-Produkte würden dann unter die „Novel Foods“-Regulierung der EU fallen.

Der Hype um Lebensmittel „aus dem Glas“ beschränkt sich jedoch nicht nur auf Fleischprodukte. Auch andere Produkte können durch die Stammzellentechnologie produziert werden. Das Berliner Startup Bluu Biosciences arbeitet beispielsweise an im Labor kultivierten Fisch. Das Startups TurtleTree aus Singapur arbeitet hingegen an vollwertiger Milch aus dem Bioreaktor, um daraus Babynahrung und Käse herstellen zu können. Die Entwicklungen zeigen, dass der In-Vitro-Trend auch in den kommenden Jahren weitere Produkte aus der Wiege heben wird.

Laborfleisch als Klimaretter? 7 Fragen & Antworten zum kultivierten Fleisch

Vertikale Landwirtschaft

Vertical Farming wird als eine Option betrachtet, auch in den wachsenden Städten die Versorgung mit frischen Lebensmitteln zu garantieren. Anbauflächen werden dadurch eingespart, zudem sorgen Grünflächen an Gebäudefassaden für eine Abkühlung im Sommer. Daneben wird Wasser und Pflanzenschutzmittel eingespart.

Viele Unternehmen haben sich bereits darauf spezialisiert, die vertikalen Farmen groß rauszubringen. Anfang des Jahres berichtete das Portal Singularity Hub, dass in Taastrup, unweit von Kopenhagen, die größte vertikale Farm Europas erbaut worden ist. Auf einer Fläche von 7000 Quadratmetern werden die Pflanzen in vertikalen Stapeln wachsen. Hinter diesem Projekt steht das dänische Food-Tech Unternehmen Nordic Harvest. In den USA kombiniert das Unternehmen Vertical Harvest die vertikalen Farmen mit bezahlbaren Wohnungen. Das deutsche Startup Infarm hat sich vertikale Farmen im kleinen Maßstab ausgedacht und stellt Felder für Salat und Kräuter direkt in den Supermarkt. Auch das burgenländische Startup Phytoniq arbeitetet bereits seit 2017 an dem Durchbruch des Indoor-Farmings.

Laut Reuters erlebt Vertical Farming momentan einen massiven Boom. In der Vergangenheit war es für Unternehmen in diesem Bereich schwer, profitabel zu werden. Heute ist die nötige Technologie, wie beispielsweise LED-Lampen, deutlich günstiger. Das US-Marktforschungsinstitut Brandessence geht davon aus, dass der Vertical-Farming-Markt bis 2027 auf 8,5 Milliarden Euro anwächst.

Phytoniq: Burgenländisches Startup will Indoor Farmen in ganz Europa bauen

Insekten

Insekten gelten als Nahrungsquelle der Zukunft. Während Heuschrecken oder auch gelbe Mehlwürmer in den westlichen Industriestaaten bisher nicht unbedingt auf den Speiseplänen stehen, schätzt die FAO, dass weltweit bereits zwei Milliarden Menschen regelmäßig Insekten konsumieren. Insekten sind aus Sicht vieler ideal, um die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung zu sichern. Sie gelten als gute Nährstofflieferanten, sparen Platz in der Züchtung und setzen weit weniger Treibhausgasemissionen frei als es etwa in der Rinderzucht der Fall ist. Im Mai 2021 erfolgte die Erstzulassung des Mehlwurms als neuartiges Lebensmittel (Novel Food) durch die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit).

Der Hype um essbare Insekten hat schon einige Unternehmen aus dem Boden sprießen lassen. Im Herbst 2020 sammelte das französische Startup Ÿnsect 316 Millionen Euro ein, mit dem das Unternehmen die größte Insektenfarm der Welt errichten will, die 2022 in der französischen Stadt Amiens eröffnet werden soll. Das Wiener Startup Zirp Insects hat sich mit Knabber-Insekten, Sportnahrung und Burger Patties einen Namen gemacht. Das Startup Livin Farms arbeitet ebenso daran, Insekten als Nahrungsmittel der Zukunft, als Fleischersatz und Proteinquelle zu züchten. Künftig sollen Insekten aber auch anderen als Nahrung dienen: Das deutsche Startup EntoNative will mit seiner Marke Tenetrio etwa Hundefutter aus Insekten anbieten. Das oberösterreichische Startup Ecofly will Insekten verstärkt als Fischfutter etablieren.

Laut einem Bericht, der in diesem Jahr vom Marktforschungsinstitut Meticulous Research veröffentlicht wurde, wir der Markt für essbare Insekten bis 2027 voraussichtlich vier Milliarden Euro umfassen.

Zebras & Unicorns: Heuschrecke, Mehlwürmer – Insekten als Protein der Zukunft

Präzisionsfermentation

Käse, nur pflanzlich und täuschend echt im Geschmack. Das entsteht beim Verfahren der sogenannten Präzisionsfermentation. Dieser ist ein biotechnologischer Prozess, bei welchem Mikroorganismen so programmiert werden, dass fast jedes komplexe organische Molekül, also beispielsweise Proteine, Fette oder Vitamine, produziert werden kann. Als Ausgangspunkt dient dabei ein mikrobieller Wirt, beispielsweise Hefe oder Pilze, welcher als Zellfabrik genutzt wird.

Das Berliner Startup Formo hat etwa die Gene, welche bei Kühen die Milchproteine Casein und Molkenprotein produzieren, per Hefezellen nachgebaut, sodass sie anfangen, Milchproteine zu produzieren. Diese Proteine ergänzen sie dann um pflanzliche Fette, Kohlenhydrate und Salz, um darauf ein Konzentrat herzustellen, das dann die Grundlage für die Herstellung von Käse bildet. In zwei Jahren soll der erste tierfreie Käse von Formo auf den Markt kommen, bis 2025 soll dieser dann bereits preislich mit anderen traditionellen Käsesorten in einer gleichen Liga spielen. So wollen sie bereits 2030 zehn Prozent der europäischen Milchprodukte mittels Präzisionsfermentation ersetzen.

Formo ist jedoch nicht alleine mit seinem Konzept: In den USA arbeitet etwa das Food Startup New Culture in San Francisco an Kuhmilchkäse ohne Kuh. Sie stellen aus Mikroben das Käseprotein Casein her. Schon 2023 soll ihr Mozzarella-Käse auf den Markt kommen. Auch die Jungfirma Perfect Day in den USA arbeitet an Käse, der mithilfe des neuen Verfahrens hergestellt wird.

Rebel Meat: „Wir wollten ein Produkt kreieren, das völlig natürlich ist“

3D-Druck

Vielleicht kommt das Essen künftig doch aus dem heimischen 3D-Drucker? Auch im Food-Bereich gilt die Technologie als Hoffnungsträger. Sie können Schicht für Schicht unterschiedliche Strukturen aufbauen und damit verschiedene Formen und Zusammensetzungen nachbilden. Das spanische Startup Novameat hat 2020 erstmals nach mehreren Jahren ein Stück Steak gedruckt. Das Startup setzt dabei auf einen Mix, der unter anderem auf Erbsen, Seetang und Roterübensaft basiert. Die Masse, an deren Rezeptur das Startup weiterhin feilt, wird dann durch die winzige Öffnung der patentierten 3D-Drucker-Technologie gepresst.

In Wien hat das Startup Revo Foods veganen Räucherlachs aus dem 3D-Lebensmitteldrucker entwickelt. Dieser besteht aus elf natürlichen Zutaten, unter anderem Erbsenproteine, Algenextrakte für den Meeresgeschmack und die Textur, Pflanzenfaser und pflanzliche Öle für die nötige Portion Omega 3. Seit November sind die Produkte von Revo Foods in den Regalen der Billa-Plus-Supermärkte zu finden. Der Trend um Essen aus dem 3D-Druck soll jedenfalls anhalten: Das New Yorker Marktforschungsinstitut Research Nester prognostiziert, dass der 3D-Lebensmittel-Markt bis 2024 auf 400 Millionen Dollar anwächst.

Revo Foods schafft mit 3D-gedruckten Lachs Markteintritt bei Billa Plus

Gentechnik

Bei der Frage um die Anwendung von Neuen Genomischen Techniken bei Lebensmitteln scheiden sich die Geister. Für die einen ist es die Chance für klimaresistente Lebensmittel, für die anderen eine potenziale Gefahr für die Umwelt. Diskussionen entfacht haben vor allem neue Verfahrenstechniken, wie die sogenannte Crispr-Genschere. Crispr steht für „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“. Bei dieser Methode können Gene eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden.

Die Anwendung der Methode in der Lebensmittelindustrie ist aber umstritten. In einer gemeinsamen Studie haben Global 2000 und die Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutgemeinschaft (IG Saatgut) im April 2021 den aktuellen internationalen Stand der Anwendung der Crispr-Genschere im Lebensmittelsektor untersucht.  So wird ein herbizidresistenter Raps des US-amerikanische Unternehmen Cibus angebaut und eine Sojasorte des US-amerikanischen Unternehmen Calyxt, deren Öl weniger Trans- fettsäuren enthalten soll. Der Studie zufolge, wurde Anfang 2021 in Japan eine Tomate zugelassen, welche mittels Crispr-Genschere entstanden ist.

Tatsächlich klimaresistentere Lebensmittel seien laut Global 2000 hingegen bisher nicht am Markt oder in Planung. Dafür würden bisher teilweise auch die nötigen wissenschaftlichen Grundlagen zu den dafür nötigen Eigenschaften, wie beispielsweise die Trockenheitstoleranz, fehlen. Trotz Kritik betonte eine im Frühjahr veröffentlichte Studie der Europäischen Kommission die Sicherheit der Technologie. Bei einigen Verfahren der Neuen Gentechnik, wären die so erzeugten Pflanzen jedoch genauso so sicher für Mensch, Tier und Umwelt wie konventionell gezüchtete Pflanzen, so ein Schlüsselpunkt der Veröffentlichung. Daher plädiert die EU-Kommission für einen neuen Denk-Prozess in der gesetzlichen Regulierung. Die Gentechnik ist also lange nicht vom Tisch und wird auf künftig in der Debatte betrachtet werden, wenn es um die künftige Anpassung der Landwirtschaft an die zunehmenden Auswirkungen der Klimakrise geht.

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