Larissa Kravitz über Finanzbildung: „Das Problem ist die Idee des schnellen Geldes“
Mit dem Laptop durch Dubai oder Smartphone-Trading auf Bali: Influencer:innen vermitteln oft den Eindruck, die nächste Million warte nur auf einen. Larissa Kravitz wählt einen anderen Weg – und lehrt als Investorella Basis-Finanzwissen in mehrteiligen Onlinekursen. Sie erklärt, warum ein Portfolio Jahre an Arbeit braucht und mit dubiosen Online-Angeboten niemand reich wird.
Tiktok gestaltet die finanzielle Bildung der Massen neu, heißt es von vielen Seiten. Wie stehen Sie dazu? Kann man über Tiktok, Instagram und Co. tatsächlich ein Basiswissen im Finanzbereich aufbauen?
Larissa Kravitz: Das glaube ich absolut nicht, aber das Ganze deckt natürlich ein breites Spektrum ab. Was es schon gibt, sind einige wenige gebildete, seriöse Leute, die auch auf Instagram oder Tiktok sind und etwa Snippets erstellen, darin aber auf ihre Bücher und ihre Podcasts verweisen. Teilweise ist das von Leuten gemacht, die sich wirklich auskennen. Das große Problem, das ich sehe, ist Folgendes: Im Onlinemarketing ist das Thema Finanzen eine Nische geworden. Das ist gefährlich, weil sehr viele, gerade junge Leute, die sich für Social Media und Onlinemarketing interessieren, dadurch denken, Finanzen sind eine cooler, wenig besetzter Bereich. Die lesen dann drei Bücher und machen Material für Tiktok und für Instagram. Ich halte das insofern für ein Problem, als dass das Wissen einfach zu oberflächlich ist. Ja, man kann auch mit oberflächlichen Dingen starten, aber bei manchen sehe ich die Gefahr, dass der Kanal nicht wirklich ethisch betrieben wird und alles nur knallhartes, relativ manipulatives Marketing ist.
Was wird denn vermarktet?
Es gibt etwa Affiliate-Links zu Broker-Seiten. Das Problem dabei ist, dass nicht alle Broker den gleichen Grad an Seriosität haben. Jene, die weniger seriös sind, zahlen oft die höchsten Affiliate-Provisionen. Ich habe in den Netzwerken Provisionen von teilweise bis zu 600 Euro gesehen. Wenn man irgendwas promotet auf Social Media und jemand meldet sich dort an und tradet, bekommt man 600 Euro pro Person. Das sind auch eher die gefährlichen Hochrisiko-Broker.
Wie schaut das Geschäftsmodell dabei aus?
Es gibt im Prinzip drei große Geschäftsmodelle. Nummer eins: Man schaut, dass man wirklich Finanzbildung macht und damit sein Geld verdient. Social Media ist dann einfach ein Marketing-Tool zum Verweisen auf Podcasts, Bücher etc. Hier kommt es natürlich darauf an, wie gebildet die Person in dem Bereich wirklich ist. Das zweite Geschäftsmodell basiert auf Affiliate-Links. Das heißt, man beschreibt Broker, man beschreibt Trading-Plattformen und wenn Leute sich anmelden, bekommt man eine Provision. Wenn man jetzt sich Broker-Vergleiche anschaut, dann gibt es diese Affiliate-Links relativ oft. Solange das journalistisch gut gemacht ist, finde ich das auch noch okay. Das Problem ist, dass teilweise sehr risikoreiche Finanzdienstleistungen beworben werden, weil die Affiliate-Provisionen dort am höchsten sind. Das dritte Geschäftsmodell ist höchst bedenklich: Dabei geht es darum, möglichst viele Leute in ein Asset rein zu holen, um den Preis nach oben zu pushen. Das ist wirklich gefährlich.
Warum sind diese Angebote so oft so verlockend?
Man kennt das ja: Die typisch junge Person mit Laptop in der Hand und Dubai im Hintergrund. Nette Tasche, nette Schuhe und nettes Auto. Das kann man sich halt in Dubai um 200 US-Dollar am Tag mieten. Diese Personen behaupten, alles was du brauchst, ist ein Laptop und das Trading ist einfach. Hier zeigt sich meist, ob es ins Halbseriöse oder ins Unseriöse geht. Muss man sich bei einer Plattform anmelden, bekommen diese Personen meistens eine Provision und sind dementsprechend einen Vertrag mit dem Broker eingegangen. Da wird zumindest noch niemand geschädigt. Ein fürchterliches Modell ist es, wenn es heißt, investiere in diese Kryptowährung – bei der es relativ leicht ist, den Preis durch Volumen zu pushen. Das ist dann fragwürdig, weil es in den meisten Ländern der Welt illegal ist. Das Problem ist: Den Menschen fehlt das Grundwissen, seriös von unseriös zu unterscheiden. Im Übrigen tut sich auch Dubai mit den ganzen Instagram-Steuerflüchtlingen keinen Gefallen. Die wollen auch keine Scammy-Offshore-Destination werden.
Wie lerne ich den Umgang mit Aktien auf eine nachhaltige, seriöse Art und Weise?
Es gibt beispielsweise in den USA sehr gute und seriöse Trading-Schulen. Die bilden Leute dort aus, die dann bei Hedgefonds, bei Banken und in Trading-Abteilungen arbeiten. Auch diese Menschen sind natürlich auf Social Media vertreten, da hat aber alles Hand und Fuß. Aufpassen muss man etwa bei Themen wie Optionstrading. Das ist absolut nichts für private Investoren. Absolut nicht. Optionstrading kannst du machen, nachdem du Finance oder Bank- und Finanzwirtschaft studiert hast. Das ist dennoch alles sehr gefährlich, weil mit Optionen kannst du dein Geld mega schnell verzocken. In einem Satz: Kurzfristiges Trading ist absolut nicht für europäische Privatinvestor:innen geeignet.
Wenn ich mich in diesem Bereich weiterbilden möchte: Wie erkenne ich seriöse Angebote?
Wie gesagt: Es gibt seriöse und gute Akademien, bei denen die Absolventen in Banken und Hedgefonds sitzen. Daran merkt man, ob eine Tradingakademie wirklich gut ist. Die meisten, die gut sind, nehmen dich auch nur, wenn du einen Bachelor in Finanzen oder Ökonomie hast – zumindest sollte es ein mathematisches Fach sein. Das Problem ist die Idee des schnellen Geldes, die Idee, dass es etwas gibt, das man sehr schnell lernen kann. Damit kannst du dann innerhalb von ein paar Wochen ein Vermögen aufbauen, du musst nicht mehr arbeiten und kannst mit dem Laptop durch die Welt reisen. Natürlich gibt es Digitalnomaden, das hat damit aber nichts zu tun. Die Menschen wollen einfach gerne glauben, dass sie mit Trading aus ihrem Alltag, ihrer Misere herauskommen. Haben Sie The Wolf of Wall Street gesehen?
Ja.
Fast alle dieser Influencer:innen verwenden das Sales Script von Jordan Belfort. Da kosten Kurse mehrere tausend Euro, und alle basieren auf derselben Anleitung.
Gibt es eine Zielgruppe, die besonders angesprochen wird?
Teilweise sind das junge, naive Leute, teils aber auch ältere Leute, die zwar das ganze Digitale nicht mehr verstehen, aber davon ausgehen, dass das passen wird, wenn es sich gut anhört. Das soll nicht heißen, dass die ganze Finanzbildung auf Tiktok unseriös ist. Um zu erkennen, wer gut ist, muss man den Leuten eine Zeit lang folgen, sich anschauen, wo sie herkommen und was sie gemacht haben und natürlich überprüfen, ob das alles seriös ist. Auch der Preis ist ein guter Indikator. Es gibt Menschen, die 100.000 Euro für ein Coaching zahlen. Das sind Preise, die alle Alarmglocken schrillen lassen sollten. In Deutschland gibt es beispielsweise ein Programm, das ein wenig diesen ‚Mamityp‘ anspricht, gemacht von einer Frau. Die Dame zeigt sich mit ihren Kindern und vermittelt den Eindruck, dass man neben der Erziehung auch von zuhause aus traden kann. Der Clou: Die Dame hat noch nie in der Finanzindustrie gearbeitet. Es würde mich aber nicht wundern, wenn die EU dieses Thema in den nächsten Jahren reguliert oder die Plattformen strenger werden. Das trifft leider auch all jene, die super Content machen.
Wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es in der Regel auch nicht wahr. Fasst dieser Satz gut zusammen, was auf Instagram teilweise passiert?
Ja. Außerdem macht die Gier blind. Wenn man sich ein Portfolio aufbauen möchte, etwa zur Altersvorsorge, dann ist das durchaus realistisch. Man kann sich mit Investments ein Vermögen aufbauen – aber das dauert 15, vielleicht 20 Jahre – und nicht nur drei Monate. Wer konsequent investiert und viel zur Seite legt, kann mit der Zeit viel aufbauen. Das Minimum, um ein ordentliches Portfolio zu bekommen, liegt aber bei zehn Jahren. Das ist auch bei Profis nicht anders. Nur: Das ist halt schwierig zu vermarkten.
In Österreich liegt immer noch viel Geld auf dem Sparbuch, die Finanzbildung wird von vielen Seiten kritisiert. Sind wir hierzulande besonders anfällig für seichte Versprechen?
Ich glaube, dass schlechte Finanzprodukte in Österreich und in Deutschland besonders leicht zu verkaufen sind, weil es diesen Konservativismus gibt und weil die Leute sich nicht mit Finanzbildung beschäftigen. Dann kommt so etwas dabei raus, denn 98 Prozent der unseriösen Angebote erkennt jemand mit guter Finanzbildung innerhalb von einer Minute.
Finanzbildung: Hol- oder Bringschuld? Wie lösen wir die Misere auf?
Ich würde sagen, es ist eine Holschuld und eine Bringschuld. Die Basics sind eine Bringschuld des Schulsystems, aber auch des Finanzsystems in Österreich. Die Börse macht da viel, die FMA macht da viel, bei den Schulen hapert es noch. Wenn du mehr als die Basics willst, dann ist das eine Holschuld. Ich glaube, das braucht einfach noch ein bisschen Zeit. Aber der Ball kommt ins Rollen, da tut sich schon was. Wenn man sagt, man möchte etwas mehr wissen, dann ist es eine Holschuld – wie bei jedem anderen Thema auch.
Dieses Interview stammt aus unserem neuen Magazin „Cash is Queen“ mit Schwerpunkt auf Financial Literacy. Das 52-seitige Magazin steht hier kostenlos zum Download parat.