Laura Egg und Dusan Todorovic im Gespräch: So angelt man sich einen Business Angel
Business Angels sind enorm wichtige Partner und Geldquellen für Startups am Weg nach oben. Doch das Business birgt auch seine Tücken. Laura Egg, Geschäftsführerin der Austrian Angel Investors Association und
Dusan Todorovic, Leitung aws i2 Business Angels, im großen Doppel-Interview über das Geschäft mit den Engeln.
Trending Topics: Wie steht die Business-Angel-Branche 2022 in Österreich da? Wie hat sie sich in den letzten Jahren entwickelt?
Laura egg: Also ich bin ja erst seit zwei Jahren aktiv dabei. In diesen zwei Jahren haben wir, gerade wenn es um Frühphasen-Finanzierung und die Wahrnehmung der Business Angel in der Gesellschaft geht, den größten Schub erlebt. Nicht zuletzt durch Digitalisierung generell, die auch durch die Corona-Pandemie beschleunigt wurde. Und ich glaube, die Unicorns, die wir in Österreich haben, haben einen großen Beitrag in der gesellschaftlichen Wahrnehmung geleistet. Es gibt viel mehr Interesse von Privatpersonen, Business Angel zu werden. Die Zahl der Mitglieder, egal ob bei der Austrian Angel Investors Association oder den aws Business Angels, gehen viel schneller nach oben als vor drei Jahren. Ich hoffe, dass es in Zukunft immer leichter für Startups wird, Finanzierungen von heimischen Business Angels zu finden und zu bekommen.
Dusan Todorovic: Es gibt aber auch Herausforderungen in ganz frühen Phasen, also wo es um weniger als eine Million Euro Finanzierung geht. Da gibt es schon einen Rückgang bei der Anzahl der Runden und im Volumen. Die Branche hat sich auch stark professionalisiert. Früher waren das noch einzelne Löwen, jetzt sieht man, dass sich Angels mit komplementären Kompetenzen zusammenschließen und gemeinsam in Startups investieren. Und was wichtiger wird: Angels werden zum psychologischen Partner für Startups. In den letzt zwei Jahren war es gerade für junge Gründer:innen emotional sicher nicht einfach.
Welche Trends gibt es bei den Investments?
Todorovic: Es geht vermehrt in Richtung FinTech, HealthTech, aber auch in Richtung Hardware, also irgendwie angreifbare Produkte, und ein Trend, der mir persönlich sehr wichtig ist, ist Impact Investing. Fast 30 Prozent der Angel Investor:innen wollen in diesem Bereich investieren.
Egg: Auch bei DeepTech sieht man verstärktes Engagement – vielleicht deshalb, weil es dort lange Entwicklungszyklen und ein bisserl weniger Markt-Abhängigkeit gibt und man viele Förderungen aktivieren kann.
In welcher Phase kommt ein Business Angel an Bord, welche Rolle hat er oder sie im Lebenszyklus eines Startups?
Todorovic: In einer sehr frühen Phase, wo es einen Prototypen oder maximal etwas Markt-Berührung gab. Da können sie Know-how, Strategie, Netzwerk einbringen neben Geld. Was bereits viele sagen: Die frühen Runden werden teurer. Das bedeutet, dass die Angels noch früher einsteigen müssen und mehr Hands-on sein müssen.
Wie angelt sich ein Startup nun den richtigen Investor, die richtige Investorin?
Egg: Man sollte bereits sehr früh den ersten Kontakt mit Investor:innen aufbauen. Man kann mit Mentoring beginnen, das wird auch über die meisten Acceleratoren angeboten. Somit holt man sich externes Know-how ins Startup und baut eine persönliche Verbindung auf. Zudem empfiehlt es sich mit anderen Gründer:innen in ähnlichen Branchen über mögliche Investor:innen auszutauschen.
Todorovic: Für sich klären: Bin ich ein Case für einen VC oder für einen Angel? Wenn man schon am Markt reüssiert und extrem schnell skalieren will, kann ein VC-Fonds passen. Ist man noch frühphasig und auch noch auf strategischen Input und Netzwerk angewiesen, sind eher Angels die richtige Wahl. Für jene, die keine höchstskalierbaren Ventures sind, kommen grundsätzlich nur bestimmte Angels in Frage, denen nachhaltige wiederkehrende Umsätze wichtiger sind als der Exit. Einer der Business Angels des Jahres, Martin Rohla, investiert überhaupt nur, wenn es nachhaltigen Umsatz gibt, der will keinen Exit.
Wie viel investieren Business Angels so im Schnitt?
Egg: Das ändert sich gefühlt monatlich, aber grob kann man sagen, dass aktuelle Finanzierungsrunden zwischen 300.000 Euro und einer Million Euro liegen. Im Schnitt investiert ein Angel etwa 80.000 Euro, durch Co-Investments kommen dann größere Summe zusammen. Lead-Investor:innen machen größere Tickets, das können schon mal 200.000 Euro sein.
Todorovic: Manche Angels bringen ausschließlich Know-how mit dem Mascherl „Work for Equity“ ein, sie wollen dann Anteile für ihre Arbeitsstunden. Das ist bei anderen Angels aber nicht immer gerne gesehen, da muss man vorsichtig sein.
Egg: Früher war Work for Equity sehr beliebt, aber wenn man nur das macht, kann man bei der aaia nicht Mitglied werden. Dann sollte man sich auch nicht als Business Angel bezeichnen, ein Angel investiert Geld.
Todorovic: Das gleiche gilt auch bei uns.
Was müssen Business Angels also ins Geschäft mitbringen?
Todorovic: Ein Angel muss Totalausfälle hinnehmen können. Von zehn Investments sind erfahrungsgemäß zwei bis drei Totalausfälle. Diese psychische Fähigkeit, damit umzugehen, muss man mitnehmen. Und man muss sich bewusst sein, dass man auch innerhalb der Asset-Klasse Startup noch einmal diversifizieren sollte. Das ist in Österreich noch gar nicht so verbreitet, die meisten haben fünf oder weniger Startup-Beteiligungen. Und natürlich braucht man Cash, um auch Folgerunden mitzugehen, Zeit und ein Netzwerk.
Egg: Genau, man ist nicht diversifiziert, wenn man nur fünf Startups hat. Und was immer wichtiger wird ist, eine Marke als Angel zu werden, nur dann kommt man an die wirklich guten Deals. Man muss sichtbar sein, sich als Experte positionieren und auf Social Media präsent sein.
Todorovic: Und man braucht Geduld. Es dauert meistens fünf, sieben, neun Jahre, bis sich eine Firma wirklich entwickelt. Wenn man mit 65 startet, dann werden Investments im Life-Sciences-Bereich mit seinen langen Entwicklungszyklen nicht das Optimale sein.
Was sind die größten Risiken bei Startup-Investments?
Egg: Die Grundregel: Es dauert immer doppelt so lange und ist doppelt so teuer wie gedacht. Man muss also mit dem finanziellen Risiko leben können. Emotional kann es sehr anstrengend sein, weil man ein enges, vielleicht sogar freundschaftliches Verhältnis mit den Foundern hat. Man kann nicht immer nur kritisieren, man muss auch abwägen, wann man was zu den Gründer:innen sagt. Man muss die Gründer:innen auch Fehler machen lassen.
Todorovic: Ja, es braucht eine nötige Distanz, man muss sich als Angel auch zurückhalten können. Das Startup wird nie wachsen, wenn man es nicht erwachsen werden lässt.
Wie angeln sich Gründer:innen nun einen Angel?
Todorovic: Man muss als Person – nicht als Startup – präsent, ehrlich, greifbar, authentisch sein. „Fake it till you make it“ – das gibt es hier nicht. Ein Mal faken, und das Vertrauen ist weg, und du bist weg. Man sollte als Startup jedes Inkubationsprogramm, das verfügbar ist, durchlaufen, Mentor:innen an Bord holen. Aber Vorsicht: Nicht Over-Pitchen! Wenn man dauernd auf Pitch-Events ist, dann könnten sich Angels Sorgen machen, was das Startup eigentlich sonst so macht. Jedenfalls auch bei unserem aws i2 Business Angel Service anklopfen. Wir stellen passende Projekte anonymisiert über 400 Investor:innen vor.
Egg: Investor:innen gezielt ansprechen. Was immer negativ ankommt ist, wenn sich ein Startup gleichzeitig bei 20 Investor:innen meldet. Man muss auch ehrlich sagen, was man sich vom Investor erwartet, und man sollte den Kapitalbedarf und eine Vorstellung der Bewertung klar kommunizieren. Das sehen wir leider nicht in allen Pitch-Decks.
Todorovic: Ganz klar: Es braucht einen fest sitzenden 30-Sekunden-Pitch. Jeder im Founder-Team muss den Pitch können, auch wenn wir sie um drei in der Früh aufwecken.
Auf Seiten der Business Angels gibt es immer noch sehr wenige Frauen, nur etwa fünf Prozent der Angels sind weiblich. Warum ist das so?
Egg: Erstens der Zugang zu Kapital. Das zeigt sich in der Vermögensverteilung in Österreich. Führungs- und Vorstandspositionen, wo man Kapital aufbauen kann, waren lange sehr männlich besetzt. Zweitens: Das Interesse an Finanzthemen ist bei Männern statistisch gesehen größer, auch wenn sich das durch verschiedenste Initiativen in den letzten Jahren verbessert hat. Drittens: die Risikobereitschaft. Und viertens: In der Branche gibt es einen starken Überhang an männlichen Investoren, damit wirkt sie oft wie ein Männer-Club.
Todorovic: Es fehlen definitiv auch sichtbare Role Models. Als aws i2 Business Angels haben wir heuer erstmalig einen Award für die Business Angel-Investorin des Jahres vergeben. Es gibt wenige Gründerinnen mit einem guten Exit, der es ihnen nachher ermöglicht, Angels werden. Business Angels haben bei vielen ein falsches Bild, viele stellen sich das laute Alpha-Männchen auf der Bühne vor. Ja, die gibt es auch, aber die meisten Angel-Investoren sind so nicht. Gerade am Anfang kann man sich Partner für Co-Investments suchen. Sowohl die aaia als auch wir von aws i2 Business Angels helfen dabei.
Egg: Wir starten deswegen auch ab Herbst diesen Jahres ein eigenes digitales Ausbildungsprogramm für Investorinnen mit dem Ziel, 20 Frauen mit dem nötigen Know-How und Netzwerk auszustatten, um erfolgreich beginnen zu investieren. Besonders bei der Einführung macht es Sinn ein eigenes Programm nur für Frauen anzubieten, um den Einstieg zu erleichtern. Langfristig sollten Frauen und Männer jedoch gemeinsam investieren. Das ist genauso wie bei Gründer:innen-Teams, da ist Diversität auch wichtig für die Performance.
Wie steht Österreich im europäischen Vergleich bei Business Angels da?
Todorovic: Da dürfen wir uns nicht schlecht reden, wir liegen da im guten Mittelfeld. Unsere Schwäche liegt eher bei Later-Stage-Investments, wenn es um VC-Geld geht.
Egg: Ja, bei der Größe der Netzwerke und der Aktivität der Angels können wir in Europa mithalten. Aber das österreichische VC-Netzwerk sollte deutlich größer sein.
Wer sind in Europa die Role Models bei den Business Angels, wo wir uns was abschauen können?
Egg: UK ist schon das Startup-Vorzeigeland. Dort ist es steuerlich sehr attraktiv, als Angel zu investieren, und deswegen sind sie dort auch sehr bereit, sich an Startups zu beteiligen, und es ist für viel mehr Personen relevant. In Deutschland oder Italien gibt es auch vergleichbare Programme. Das wäre für unsere Branche in Österreich der größte Hebel. Aber es würde nicht nur den Startups zugute kommen, sondern generell allen Unternehmen, wenn einfacher Eigenkapital investiert werden kann.
Todorovic: Das ist eine politische Entscheidung. Am Ende geht es bei dem Thema darum, dass ja Arbeitsplätze geschaffen werden im Land und Innovation in die großen Unternehmen fließt. Da müssen wir im positiven Sinne das Feuer entfachen. Sonst werden wir China, USA und die anderen, die jetzt eh schon Vorsprung haben, gar nicht mehr am Horizont sehen, weil die so weit vorne sind. Und das sollten wir vermeiden.
Text: Jakob Steinschaden
Fotos: David Visnjic
Diese Story stammt aus dem Gründer:innen-Guide 2022. Der ist hier kostenlos als Download abrufbar.