Libra: So soll die Kryptowährung von Facebook funktionieren
Wie Facebook-Manager und ihre Partner über Bargeld denken, wird klar, wenn man ihre Beschreibung von Geld auf der Webseite des Libra-Projektes in einem Mini-Wiki liest. Dort steht folgendes:
„Fiat currency is an object (like a paper bill or metal coin) that has been established as money, often by a government.“
Fiatgeld (also Dollar, Euro und Co) ist demnach eine veraltete Form von Geld in Form von Papierscheinen und Metallmünzen, die früher meistens Regierungen ausgegeben haben. Jetzt soll alles anders werden: Geld soll künftig digital in Form von 0en und 1en verwendet werden, in Apps und auf Blockchains, nicht von Staaten ausgegeben, sondern von Unternehmen.
Geld verschicken, so einfach wie ein Foto oder eine Kurznachricht: Mit Libra (Trending Topics berichtete) will Facebook gemeinsam mit derzeit 27 Partnerfirmen und -organisationen das digitale Geld der Zukunft schaffen. Ab 2020 soll man via WhatsApp, Messenger und anderen Apps mit Libra bezahlen können – die Schulden bei Freunden schnell mit ein paar Tippern am Smartphone begleichen, QR-Codes in Shops scannen und die Rechnung berappen, in Apps von Streaming-Diensten oder Taxi-Apps den Trip bezahlen.
Doch wie funktioniert die „Weltwährung“, wie manche Medien sie beschreiben, die Facebook da plant? Wird Libra die Kryptowährung, die Bitcoin, Ethereum, Ripple oder gleich den Dollar und den Euro ersetzt? Wir Facebook zur Bank, die Kredite vergibt? Und die vielleicht entscheidendste Frage: Wie verdienen Facebook und seine Partner eigentlich Geld mit dem Krypto-Geld?
Welches Problem soll Libra lösen?
Libra soll gleich mehrere Dinge ermöglichen:
- das Bezahlen mit einer Kryptowährung im Alltag via Smartphone
- das einfache Senden von Geld an Freunde via Messaging-Apps
- günstige internationale Überweisungen über Ländergrenzen hinweg, etwa für Migranten, die Beträge an ihre Familien in ihrem Herkunftsland senden wollen
- rund 1,7 Milliarden Menschen, die heute kein Bankkonto haben, Zugang zu einem internationalen Finanzsystem geben
Das erinnert an einige andere Blockchain-Projekte wie Ripple oder Stellar, die Blockchain-Lösungen für ähnliche Probleme liefern wollen. Libra soll ab der ersten Jahreshälfte 2020 in den Apps Messenger, WhatsApp und Calibra (eine neue Facebook-Tochter) verwendet werden können.
Wie will Facebook mit Libra Geld verdienen?
Facebook und seine Partner können mit Libra auf dreierlei Weise Geld verdienen:
- Facebook will indirekt sein Ökosystem (WhatsApp, Messenger, Instagram etc.) stärken. „Wenn mehr Handel durch Libra entsteht, dann werden mehr kleine Unternehmen auf unserer Plattform Waren verkaufen, und sie werden mehr Werbung auf der Plattform schalten, also wird es gut für unser Werbegeschäft sein“, so Facebook-Manager David Marcus.
- Calibra, die neue Facebook-Tochter, will im Laufe der Zeit Finanzdienstleistungen (Kredite für Unternehmen anbieten). Außerdem wird es, wenn man etwa in Online-Shops oder Geschäften mit Libra bezahlt, kleine Transaktionsgebühren geben
- Als Partner der Libra Association muss man sich Libra Investment Token im Wert von mindestens zehn Millionen Dollar kaufen. Dieses Geld und jenes, das Nutzer durch den Kauf von Libra in die Reserve fließen lassen, wird „in risikoarme Vermögenswerte“ investiert werden, die im Laufe der Zeit verzinst werden. Diese Zinsen werden, wenn die Kosten für den Betrieb der Libra Association gedeckt sind, Renditen abwerfen, und diese Renditen werden dazu verwendet werden, um frühen Anlegern in den Libra Investment Token für ihre ersten Beiträge Dividenden auszuzahlen.
Wie viel soll ein Libra wert sein?
Das steht noch nicht fest. Da jeder Libra von Dollar, Euro/Yen/etc. gebackt sein wird, ist davon auszugehen, dass der Wert eines Libra irgendwo in der Gegend von einem Dollar oder einem Euro liegen wird.
Wie bekommt man Libra?
Libra kann man anders als Bitcoin oder Ethereum nicht minen. In den Apps von Facebook – und zukünftig auch anderen Apps – wird man Libra gegen Fiatgeld einwechseln können. Dazu muss man seinen Bank-Account bzw. seine Kreditkartendaten in den Apps angeben. Auch auf Exchanges oder bei Krypto-Händlern wie Coinbase sowie bei Krypto-ATMs soll man Libra kaufen oder verkaufen können.
Kann man Libra anonym nutzen?
Nicht wirklich. Anders als etwa bei Bitcoin oder Ethereum kann man Libra nicht wirklich anonym halten, sondern muss sich zur Nutzung (ähnlich wie bei Neobanken wie N26) mit einem Scan seines Ausweises anmelden – und zwar dann, wenn man Libra in Apps oder auf Krypto-Exchanges wie Coinbase kauft oder verkauft. So will man gemäß KYC- (Know Your Customer) und AML- (Anti-Money Laundering)-Richtlinien sicherstellen, dass Nutzer keine illegalen Dinge mit Libra anstellen. Wie gut oder schlecht die Identifizierung von Nutzern unter Wahrung ihrer Pseudonymität funktionieren wird, bleibt abzuwarten.
Die Transaktionen auf der Blockchain sollen „keine Verbindung zur Identität der Nutzer in der realen Welt“ beinhalten. Facebook sagt auch, dass die Kontoinformationen und Finanzdaten von Calibra-Nutzern nicht zur Verbesserung des Ad-Targeting in der Facebook-Produktfamilie verwendet werden.“ Allerdings wird man die Wallet, in der die Libra-Token gespeichert sind, mit den Apps Messenger und WhatsApp verknüpfen können, um einfach Token an Freunde zu senden.
Wie funktioniert die Libra Blockchain?
Die Blockchain von Libra soll rund 1.000 Transaktionen pro Sekunde schaffen. Das ist deutlich schneller als jene von Bitcoin (ca. 7 tps) oder Ethereum (ca. 15 tps), aber auch deutlich langsamer als das Netzwerk von Visa, das mehrere zehntausend Transaktionen pro Sekunde verarbeiten kann.
Wer betreibt die Nodes der Blockchain?
Die Server, die die Transaktionen berechnen und bestätigen, dürfen derzeit nur von ausgewählten Partnern betrieben werden. Anders als bei Bitcoin kann somit nicht jeder, der Lust und Kapazitäten hat, bei dem Blockchain-Netzwerk mitmachen. Die Liste der Partner (siehe unten) ist derzeit mit prominenten Namen bestückt und soll bis zum offiziellen Start auf mehr als 100 anwachsen.
Ist die Libra Blockchain dezentral?
Nein, nicht wirklich. Die Server, die die Transaktionen rechnen und bestätigen, werden zu Anfang von mehreren Unternehmen betrieben. Anders als Bitcoin oder Ethereum ist die Libra-Blockchain nicht „permissionless“. Es kann nicht jeder, der will, an dem Netzwerk teilnehmen, sondern nur Unternehmen, die bestimmte Anforderungen erfüllen (siehe unten) – also Firmen, die bestimmte Rechenkapazitäten bereitstellen und eine bestimmte Größe haben. Bedeutet auch: Libra kann man zuhause nicht minen, und man kann nicht als Node selbst die Transaktionen einsehen.
Wer steckt hinter der Libra Association?
Damit Facebook nicht als der große Kontrolleur von Libra wahrgenommen wird, wurde die Libra Association mit Sitz in Genf in der Schweiz (a.k.a. Krypto-Nation) eingerichtet. Folgende Unternehmen haben sich bereit erklärt, an dem Blockchain-Netzwerk teilzunehmen:
- Payment: Mastercard, PayPal, PayU (die Fintech-Tochter von Naspers), Stripe, Visa
- Marktplätze/Services: Booking Holdings, eBay, Facebook/Calibra, Farfetch, Lyft, Mercado Pago, Spotify AB, Uber Technologies, Inc.
- Telekom: Iliad, Vodafone Group
- Blockchain-Firmen: Anchorage, Bison Trails, Coinbase, Inc., Xapo Holdings Limited
- Venture Capital-Firmen: Andreessen Horowitz, Breakthrough Initiatives, Ribbit Capital, Thrive Capital, Union Square Ventures
- Non-Profits und akademische Institutionen: Creative Destruction Lab, Kiva, Mercy Corps, Women’s World Banking
Die Liste der Partner ist beeindruckend, doch es fällt auch Folgendes auf: Weder andere große Tech-Unternehmen wie Google, Apple, Amazon oder Microsoft aus den USA oder Alibaba oder Tencent aus China sind mit dabei, noch finden sich Banken auf der Liste. Laut Facebook-Manager David Marcus, der das Projekt über hat, wird erwartet, dass mit der Zeit auch andere große Tech-Unternehmen und Banken dazu kommen werden. Bis zum Start 2020 sollen es jedenfalls viermal so viele Partner, also rund 100, wie heute sein. Time will tell.
Wer darf der Libra Association beitreten?
Die Libra Association ist ein elitärer Kreis an Unternehmen – und das soll bis auf weiteres auch so bleiben. Neben technischen Voraussetzungen für den Betrieb eines Servers der Blockchain gibt es etliche Hürden zu nehmen. Das Unternehmen muss einen Marktwert von mehr als einer Milliarde Dollar haben und/oder mehr als 500 Millionen Dollar Kundenguthaben, mehr als 20 Millionen Nutzer pro Jahr haben und/oder in den Top 100 von Unternehmens-Rankings wie Interbrand Global oder S&P liegen.
Investoren müssen mehr als eine Milliarde Dollar „under management“ haben, und maximal ein Drittel der Teilnehmer dürfen Blockchain-Unternehmen sein. Für Forschungseinrichtungen wie Universitäten gilt, dass sie unter den Top 100 weltweit sind und/oder ein Budget von mehr als 50 Millionen Dollar haben.
Wo liegt das Geld des Libra Reserve?
„Wenn zum Beispiel jemand Libra für 100 Euro kauft, fließen diese 100 Euro in die Reserve“, sagt Facebook-Manager David Marcus. Mit der Libra Association hat Facebook mit seinen Partnern eine Non-Profit-Organisation in der Schweiz eingerichtet, die die Libra Reserve verwaltet. Jeder Dollar, Euro oder Yen, den Nutzer einzahlen und im Gegenzug dafür Libra bekommen, fließt in die Libra Reserve. Dieses Geld der User wird dann „in risikoarme Vermögenswerte“ investiert werden, die im Laufe der Zeit verzinst werden.
„Die Einnahmen aus diesen Zinsen werden zunächst zur Deckung der Betriebskosten des Vereins verwendet – um Investitionen in das Wachstum und die Entwicklung des Ökosystems zu finanzieren, Zuschüsse für gemeinnützige und multilaterale Organisationen, technische Forschung usw. zu erhalten“, heißt es seitens der Libra Association. Und weiter: „Renditen werden verwendet, um frühen Anlegern in den Libra Investment Token für ihre ersten Beiträge Dividenden zu zahlen.“
Welche Programmiersprache brauchen Developer?
Um Smart Contracts oder die Integration von Transaktionen in Apps oder Wallets zu ermöglichen, gibt es mit Move eine neue Programmiersprache für Entwickler.
Welchen Consensus verwendet Libra?
Blockchain-Systeme basieren generell auf einem Consensus-Mechanismus, der bestimmt, wie die Transaktionen im Netzwerk verifiziert werden. Bei Libra hat sich Facebook für ein Byzantine Fault Tolerance (BFT) Protokoll entschieden. Dieses ist so designt, dass das Netzwerk auch dann korrekt funktioniert, wenn bis zu einem Drittel der Server im Netzwerk ausfallen.
Wie reagiert die Politik auf Libra?
„Mit diesem Schritt wird die Datenkrake Facebook zur Schattenbank, und das sollte bei den Aufsichtsbehörden die Alarmglocken schrillen lassen“, sagt etwa der deutsche EU-Abgeordnete Markus Ferber, Sprecher der EVP-Fraktion im Wirtschafts- und Währungsausschuss Econ und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Wettbewerb im Europäischen Parlament. Kritik kommt auch vom französischen Finanzminister Bruno Le Maire, der meint, dass Libra kein Ersatz für traditionelle Währungen werden darf. Mark Carney, Governeur der Bank of England, sagte, dass sich die G7 und der Internationale Währungsfonds die Kryptowährung sehr genau ansehen werden.
In den USA hat das Senate Banking Committee Facebook bereits im Vorfeld der Präsentation dazu aufgefordert, eine Reihe von Fragen zur Verarbeitung von Nutzerdaten und zum Projekt beantworten müsse. Maxine Waters, US-Politikerin der Demokraten, forderte Facebook bereits auf, die Entwicklung von Libra zu stoppen, bis der US-Kongress und Regulatoren die Sache kontrolliert haben.
Warum heißt die Kryptowährung überhaupt Libra?
„Libra“ bedeutet im Lateinischen Waage, ist das astrologische Zeichen für Gerechtigkeit und erinnert an das französische „liberté“. Laut Facebook-Manager David Marcus steht der Name somit für „Gerechtigkeit, Freiheit und Geld“.