Lido Finance: Staking-Anbieter wird zum „größten Angriff auf die Dezentralisierung von Ethereum“
Vor einem Jahr noch waren es vier sehr dominante Player, die die Mehrheit aller Validatoren im Ethereum-Netzwerk kontrollierten – und schon damals Kritik an der fehlenden Dezentralisierung zur Folge hatten. Ein Jahr später sieht die Sache verschärft aus. Denn während die Marktanteile beim Ethereum-Staking für die zentralisierten Exchanges Binance, Coinbase und Kraken durch das Vorgehen der US-Börsenaufsicht SEC gegen das Staking-Geschäft schrumpften, ist Lido Finance nun der dominante Player.
Es fehlt nicht mehr viel, und der Staking-Anbieter vereint 33 Prozent und damit jeden dritten Validator auf sich. Der Marktanteil liegt derzeit bei 32,4 Prozent, die Nummer 2 und 3 – Coinbase mit 8,7 Prozent und Binance mit 4,5 Prozent – sind mittlerweile weit abgeschlagen. Ein drittel des Ethereum-Stakings wird demnach von Lido Finance betrieben, etwa ein Drittel von unidentifizierten Playern (u.a. viele Privatpersonen), und ein weiteres Drittel liegt bei einer Bandbreite an anderen Staking-Anbietern. Grafisch hat Dune Analytics das so dargestellt:
Lido Finance verspricht seinen Nutzer:innen, die ETH einzahlen, aktuell einen zinsähnlichen Prozentsatz von 3,7 Prozent. Durch eine Decentralized Autonomous Organization (DAO), in der mit den hauseigenen LDO-Tokens abgestimmt wird, gibt sich Lido Finance selbst als sehr dezentral. Doch ein Blick auf die Verteilung der Lido DAO Token zeigt auch wieder, dass sehr viel Voting-Power bei den Entwickler:innen, Gründer:innen, Mitarbeiter:innen und Investor:innen des DeFi-Startups liegen. Deswegen wurde zuletzt angedacht, dass die Halter:innen der sETH-Token (diese bekommt man bei den Ausschüttungen der zinsähnlichen Erträge) Vetorechte erhalten sollen. Während LDO eine Marktkapitalisierung von 1,4 Mrd. Dollar aufweist, ist sETH (Lido Staked Ether) viel gewichtiger, mit etwa 14 Mrd. Dollar.
„Lido könnte der größte Angriff auf die Dezentralisierung von Ethereum („glaubwürdige Neutralität“) in unserer gesamten Geschichte sein“, twitterte deswegen Evan van Ness, seines Zeichens Chief Decentralization Officer bei Ethereum. Damit sieht er den Kernnutzen der zweit wichtigsten Blockchain hinter Bitcoin als bedroht an – immerhin sollen Blockchains dezentral ohne zentrale Kontrolle auskommen. Durch den Wechsel von proof of Work zu Proof of Stake 2022 ist es für Staking-Anbieter aber viel einfacher geworden, viele Validatoren bei sich zu vereinen, weil es nicht mehr um teure Block-Berechnungen samt Hardware geht, sondern um gute Angebote von Staking-Anbietern.
Lido Finance will sich nicht limitieren lassen
Für die Weiterentwicklung von Ethereum und seine Akzeptanz bei Organisationen sei die zunehmende Zentralisierung rund um Lido ein Problem, meint auch der Ethereum-Entwickler und -Investor Ryan Berckmans. Ethereum hätte bei Unternehmen und Regierungen den Ruf entwickelt, „gekapert“ zu sein oder „im Vergleich zu anderen Ketten nicht wirklich dezentral zu sein.“ „Ethereum ist auf dem besten Weg, sich zur globalen Abwicklungsebene zu entwickeln. Dieser Erfolg ist jedoch abhängig von unserem Ruf bei Unternehmen und Regierungen“, so Berckmans. „Angesichts dieser Pfadabhängigkeit bedroht Lido auf einzigartige Weise unseren Ruf.“
Um Ethereum wieder dezentraler zu machen, bzw. seine Dezentralität auf Dauer abzusichern, haben sich mehrere Staking-Anbieter dafür ausgesprochen, dass einzelne Player nicht mehr als 22 Prozent aller Validatoren kontrollieren dürfen sollen. Bei 22 Prozent müssten sich 4 Player abstimmen, um die Kontrolle über Ethereum zu übernehmen, was als sehr unwahrscheinlich gilt. Die Staking-Anbieter, die das durchsetzen wollen – Rocket Pool, StakeWise, Stader Labs, Diva Staking und Puffer Finance – spielen aber allesamt eine eher untergeordnete Rolle.
Eine Limitierung auf 22 Prozent kommt allerdings für die LDO-Token-Halter:innen nicht in Frage. Im Juni stimmten sie mit überwältigender Mehrheit (99,8 Prozent) dagegen.
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