Liquid AI: „Wir haben große Pläne für Wien“
Sie gelten als das mögliche nächste große Ding in der Welt der AI-Modelle: Liquid AI. Vor etwa eineinhalb Jahren haben sic der iranisch-österreichische AI-Forscher Ramin Hasani und der österreichische Entwickler Mathias Lechner zusammen getan, um ein MIT-Spinoff zu gründen. Gemeinsam mit Alexander Amini und Daniela Rus vom MIT schicken sie sich an, die heute alles dominierenden Transformer-Modelle in den Schatten zu stellen.
„GPT ist ein Produkt, das aus der Transformator-Architektur hervorgegangen ist, LFM ist die neue Alternative“, sagte Hasani im Interview mit Trending Topics auf der TED AI-Konferenz in Wien. LFM, das steht für Liquid Foundation Models, die sein Startup kürzlich präsentierte. Ihre Vorzüge: Sie sollen bei ähnlicher Leistung wie Transformers weniger Speicher brauchen, ergo weniger Energie – und könnten damit im Sinne von so genannter „Edge AI“ direkt auf Geräten wie Smartphones laufen, ohne die Cloud zu benötigen. Und das reizt Investoren da draußen, die längst auf Liquid AI aufmerksam wurden, sehr. „Wir werden unsere Serie A sehr schnell ankündigen“, sagt Hasani. Mehr verraten könne er zur Zeit noch nicht.
Liquid AI ist in einem spannenden Markt unterwegs. Während OpenAI Millionen Kunden gewonnen hat, sind genauso zahlreiche Unternehmen am markt unterwegs, die Alternativen zu GPTs suchen. Mit den LFMs versucht es Liquid AI, mit xLSTM versucht es bekanntermaßen das Linzer AI-Startup NXAI rund um Sepp Hochreiter.
Das Gehirn eines Wurms
Die Wurzel von Liquid AI liegt dabei tatsächlich im Gehirn eines Wurms. Denn die neuronalen Netze der LFS ahmen nach, wie Neuronen im Gehirn eines Wurms interagieren. „Wir haben ein maschinelles Lernsystem entwickelt, das sehr leistungsfähig ist. Es kann Autos fahren, Drohnen fliegen, Flugzeuge steuern. Und dann haben wir es auch zur Modellierung von Finanzzeitreihen, medizinischen Zeitreihen und all diesen Dingen im akademischen Bereich eingesetzt“, erzählt Hasani. „Mehr und mehr stellten wir fest, dass die von uns erfundene Technologie der „flüssigen“ neuronalen Netze tatsächlich sehr leistungsfähig war.“ 2020 bereits hätte man zeigen können, dass man mit nur 19 Neuronen ein Auto steuern könnte, mit nur 30 Neuronen eine Drohne fliegen könnte.
Was Investoren nun scharf macht: Was könnten dann Millionen, Milliarden Neuronen bewerkstelligen? Noch ist aber viel Arbeit bis dahin zu tun. Die LFMs von Liquid AI sind „nur“ maximal 40 Milliarden Parameter groß, sie messen sich derzeit mit kleineren Open-Source-Modellen von Google (Gemma), Microsoft (Phi), Mistral oder Meta (Llama). An die Top-Modelle von OpenAI, Google, xAI oder Anthropic kommen sie noch nicht heran.
„Ich würde sagen, dass in dem Moment, in dem Liquid AI ein LFM mit 1,8 Billionen Parametern herausbringt, was der Größe des GPT-4 entspricht, jeder aufhorchen wird, weil Skalierung sehr wichtig ist. Alles, was diese Unternehmen interessiert, ist Größe“, sagt Hasani. Und deswegen muss sein Startup ordentlich Geld raisen, um mit den Großen der Branche mithalten zu können.
Smartphones sollen Liquid AI bekommen
Und: Liquid AI muss auch reale Einsatzgebiete erobern. Hasanis Strategie: Er will die Welt der Smartphones erobern. „Die nächste Generation der Smartphones wird über eine Intelligenz verfügen, die von Liquid angetrieben wird“, ist der Gründer, der viele Jahre an der Wiener TU verbrachte, überzeugt. „Das würde den Zugang zu Milliarden von Nutzern auf dem Unterhaltungselektronikmarkt ermöglichen. Das ist der Bereich, in dem wir zuerst dominieren werden. Es könnte Apple sein, es könnte Samsung sein, es könnte Sharp sein, es könnte Sony sein, es könnte ein Mobilfunkanbieter sein, es könnte Qualcomm sein.“
Bedarf dafür gibt es allemal. Apple hat seine eigenen AI-Modelle auf iPhones gebracht, die aber nur gewisse Dinge können und dann an ChatGPT in der Cloud übergeben, wenn die Aufgabe zu komplex wird; Samsung arbeitet mit Googles Gemini zusammen; und der chinesische Smartphone-Riese Honor setzt auf die Llama-Modelle von Meta. In diesem Markt will Liquid AI mitmischen.
Eine zentrale Rolle beim Ausbau soll Wien bekommen – also die Stadt, in der Hasani und sein CTO Lechner sich kennenlernten. „Wien liegt mir so sehr am Herzen, weil ich glaube, dass die Talente hier außergewöhnlich sind. Mein CTO ist zum Beispiel ein Österreicher, Mathias Lechner. Er ist bei weitem der beste KI-Wissenschaftler, den ich je in meinem Leben getroffen habe, und ich habe am MIT gelehrt und ich habe mit vielen promovierten, talentierten Leuten der Welt geforscht“, sagt Hasani.
Noch hat sein junges Unternehmen, das ein Team auf der ganzen Welt verteilt hat, noch keinen Sitz in Wien, aber das solle sich ändern. „Wir haben große Pläne für Wien“, sagt Hasani. „Wir denken darüber nach, als Teil der Expansion einen europäischen Hauptsitz einzurichten. Und wir denken über Wien nach.“ Die österreichische Hauptstadt sei ein noch unentdeckter Talente-Pool. „Besonders in Wien habe ich das Gefühl, dass die Leute nicht so viel über ihre Sachen reden, selbst wenn sie großartig sind. Sie sind nicht so prahlerisch wie in den USA. In den USA hat jeder eine große Klappe. Aber in Europa gibt es eine Menge Substanz.“
„Es ist eine Katastrophe, was hier gerade passiert“
Was auch bedeuten würde, dass Liquid AI den Schritt vom MIT in Cambridge nahe Boston zurück nach Europa machen würde – jenem Block, der wegen des AI Acts von vielen KI-Unternehmer:innen stark kritisiert wird, weil die Regeln zu eng geschnürt wurden, um noch innovativ und wettbewerbsfähig sein zu können. „Sehr schlecht“, beurteilt Hasani den AI Act, der bekanntermaßen viele AI-Modelle wie jene von OpenAI als systemisches Risiko einstuft.
„Man muss Vorschriften haben, wissen Sie. Das Problem ist: Selbst wenn die Ingenieure nicht verstehen, was diese Technologie ist und wie sie zustande kommt, würgt man Innovation einfach ab. Zum Beispiel ist der Zugang zu Llama oder multimodalen Modellen in der EU im Moment verboten, und das ist schrecklich. Mit jedem Monat, in dem man zurückfällt und keinen Zugang zur Spitzentechnologie hat, hinkt man ein Jahr hinterher. Können Sie sich vorstellen, was hier passiert? Es ist also buchstäblich eine Katastrophe, wenn man die Innovation stoppt“, so Hasani.
Und trotzdem will er Liquid AI in Europa, vielleicht in Wien, ansiedeln. „Wir versuchen, ein wenig zu retten, der Europäischen Union zu helfen, weil uns Europa sehr am Herzen liegt. Aber es ist eine Katastrophe zu sehen, was hier gerade passiert.“