Liquidation Preferences: Wie ein Investor:innen-Kniff Startup-Bewertungen aufbläst
Die Bewertungen von Startups und Scale-ups sind nicht immer nur Schall und Rauch, sondern am Ende entscheidend dafür, wer wie viel Geld verdient. Am Ende, das meint den Exit – also den Verkauf, den Merger mit einem anderen Unternehmen oder gar den Börsengang. Und wenn ein solches Szenario eintritt, dann schauen Gründer:innen wie Investor:innen ganz genau auf diesen einen Punkt in den Verträgen: die so genannten Liquidation Preferences.
Denn verkürzt ausgedrückt besagen diese, wer wie viel Geld vom Kaufpreis bekommt. Grundsätzlich dienen Liquidationspräferenzen als Schutz für die Investor:innen. Sie wollen sich so absichern, dass sie im Falle eines Exits mal mindestens wieder ihr Geld zurückbekommen. Hat ein Investor eine Million bei einer Bewertung von zehn Millionen gezahlt, dann will er diese Million bei einem Exit auch mindestens zurück bekommen – auch wenn das Startup niedriger bewertet wurde. Logisch, dass Investor:innen auf eine solche „Downside Protection“ bestehen – vor allem dann, wenn sie als VC das Geld anderer Leute investieren und ihren LPs Rechenschaft schuldig sind.
In den letzten Monaten, durch den harten Einbruch von Bewertungen bei vielen Startups, Scale-ups und Unicorns (Paradebeispiel Klarna) gezeichnet, sprechen Investor:innen immer öfter und deutlicher von diesen Liquidation Preferences und legen bei neuen Investments immer öfter ziemlich harte Bandagen an.
Prinzipiell gibt es zwei Grundformen:
Non-participating Liquidation Preferences:
Das ist bei VCs der Quasi-Standard, nahezu alle Risikokapitalgeber:innen verlangen diese Art der Liquidationspräferenz in den Verträgen. Es ist eine anrechenbare Liquidationspräferenz. Grundsätzlich bedeutet es, dass der Investor gegen ein negatives Szenario geschützt ist und beim Verkauf des Startups „unter Wert“ trotzdem sein eingesetztes Kapital zurück bekommt. Das kann auch bedeuten, dass die Gründer, obwohl sie viel mehr Anteile im Cap Table haben, nicht anteilig gleich viel Geld bekommen, weil der Investor eben zuerst bedient wird und der Rest anteilig („pro rata“) auf die Shareholder verteilt wird.
Participating Liquidation Preferences:
Diese nicht-anrechenbaren Liquidationspräferenzen sind eine (oder mehrere Stufen) härter als die anrechenbaren. Sie bedeuten nämlich, dass der Investor nicht bloß sein eingesetztes Kapital zurück bekommt, sondern sich dann auch noch zusätzlich eine Prämie auf sein Investment abgesichert hat. Er bekommt also sein Geld und dann obendrauf noch anteilig von dem, was übrig bleibt. Eine 2x Liquidation Preference etwa bedeutet, dass der Investor das Doppelte der ursprünglichen Investition bekommt, bevor alle anderen Shareholder ihren ersten Euro erhalten – und dann noch zusätzlich am Rest des Geldes mit partizipieren. In Krisenzeiten gibt es immer häufiger höhere LiqPrefs mit dem Faktor 1,2x oder 1,3x, sehr selten auch 2x.
Im schlimmsten Fall kann es passieren, dass diese präferierten Investor:innen bereits das gesamte Geld aus dem Verkauf bekommen, während die Gründer:innen oder andere Teilhaber:innen (Business Angels, Mitarbeiter:innen usw.) durch die Finger schauen oder mit Peanuts abgespeist werden. Deswegen sind Founder oft noch lange nicht Multimillionäre oder Milliardäre, nur weil sie viele Prozent im Cap Table halten.
Eine Frage der Psychologie
Wie man aus der Branche hört, sollen nun bei den sehr hohen Bewertungen der letzten Jahre beinharte Participating Liquidation Preferences eingesetzt worden sein. „Wenn du glaubst, dass dein Startup wirklich so viel wert ist, geben wir dir die hohe Bewertung, aber nur, wenn wir Participating Liquidation Preferences bekommen“, haben Investor:innen von Gründer:innen verlangt.
Auf Gründer:innen kann das wie ein Psycho-Trick wirken. Natürlich würde ein Founder nicht eingestehen, dass er nicht sicher ist, dass sein Startup die aufgerufene Bewertung erreichen kann. Der Founder (und das Ego) bekommen die hohe Bewertung, aber die kostet später ordentlich. Denn der präferierte Investor sichert nicht nur sein Grund-Investment ab, sondern verlangt obendrein auch noch eine Prämie – egal, ob die riesige Bewertung am Markt hält oder nicht. Im Gegenzug kann sich der Founder am Markt mit der hohen Bewertung und den (oft prominenten) Namen der Investor:innen schmücken.
Wichtig zu wissen ist auch, dass der so genannte „Waterfall“ essenziell ist. Denn er bestimmt, wer zuerst Geld bekommt und wer hinten ansteht. Es bekommen immer die zuerst Geld, die zuletzt investiert haben, und natürlich hat kein Investor ein Interesse an einer Downround. Der Waterfall ist entscheidend, egal ob Participating oder Non-Participating Liquidation Preferences.
Wenn wenige Prozent plötzlich viel wert sind – und umgekehrt
Um beim Beispiel von oben zu bleiben: Ein Investor investiert 1 Million Euro bei einer Bewertung von 50 Millionen Euro und sicher sich eine Liquidation Preference mit 2x. Der Investor hält dann 2 Prozent, der Rest der Shareholder 98 Prozent.
Das Startup wird aber nur um 10 Millionen Euro verkauft. Obwohl es nach außen nach einer Downround aussieht, bekommt der Investor mal mindestens 2 Millionen Euro (2x 1 Million, =20% des Kaufpreises) – und nicht nur 200.000 Euro, wie es der Cap Table vermuten lassen würde.
Erst nach Abzug der 2 Millionen Euro wird der restliche Cap Table erst überhaupt bedient, und die 8 Millionen Euro werden unter allen Shareholdern (inklusive des Investors, der schon 2 Millionen Euro bekommen hat), aufgeteilt. So kann es leicht passieren, dass ein Investor mit nur wenigen Prozent viel mehr Geld verdient als ein Gründer, der viel mehr Prozente am Startup hält – und dann aber mit deutlich weniger Geld aus dem Verkauf abgespeist wird.
Dementsprechend sollte man bereits beim Investitionsvertrag genau darauf achten, wer im Falle eines Exits welche Rechte hat. Zudem weiß man auch, wie so manche enorme Bewertung zustande kam – eben weil Investor:innen sich Sonderrechte ausgehandelt haben und ihr Return nicht 1:1 an die finale Bewertung geknüpft war.
Anmerkung: Der Artikel wurde um eine Info zum Thema Waterfall ergänzt.