Lobau: Wissenschaft positioniert sich erneut auf der Seite der Klimaaktivist:innen
In den vergangenen Wochen wurden in Wien starke Kontraste gelebt. Am 21. Januar stellte die Stadt Wien ihre “Smart Klima City” Maßnahmen vor, mit denen Wien bis 2040 klimaneutral werden soll, wir berichteten. Darin wurde immer wieder das Bild einer Stadt im Einklang mit der Natur gezeichnet. Das komplette Gegenteil mussten dann jedoch, nur wenige Tage nach der Verkündung der Klimaschutzziele, die Klimaaktivist:innen erleben. Am 1. Februar wurde das Lobau-Protestcamp durch die Polizei im Auftrag der Wiener Stadtregierung geräumt. Nach Monaten der Besetzung wurden die Aktivist:innen vertrieben, um den Bau der Stadtstraße nun endlich voranbringen zu können, wir berichteten.
Bereits an dem Räumungstag selbst, war diese Aktion der Wiener Politiker:innen sehr umstritten. Wenig überraschend kritisierten insbesondere Naturschutzorganisationen besonders scharf und organisierten zugleich Kundgebungen.
Räumung von Lobau-Camp: Der Disput Wien vs. Klimaaktivist:innen geht in eine neue Runde
Wissenschaftler:innen positionieren sich auf der Seite der Aktivist:innen
Nun, zwei Wochen später, äußerten sich auch Wissenschaftler:innen des österreichischen Forums Wissenschaft & Umwelt (FWU) über den geplanten Bau der Wiener Stadtstraße. In einer Pressekonferenz positionierten sie sich klar auf der Seite der Umweltschützer:innen: “Eine Stadtentwicklungspolitik, die auf Autobahnen und vierspurige Autostraßen angewiesen ist, ist weder zukunftsfähig noch klimaverträglich“, so Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher.
Zudem kritisierten die Wissenschaftler:innen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen des Projektes. Laut dem Forum fehlen beispielsweise die Bewilligungen für den Bau bisher: „Das Vorgehen war nicht rechtmäßig. Dazu gibt es eine Verhandlung am 18. Februar 2022. Geräumt wurde aber schon am 1. Februar 2022. Es wurden auch Bäume entfernt die vom Bewilligungsbescheid nicht umfasst sind,” so der Jurist Josef Unterweger, Vorstandsmitglied sowie Schriftführer des FWU.
Das hätte laut ihm auch das Bundesverwaltungsgericht am 4. Februar 2022 festgestellt. Damit hätte sich die Stadt Wien laut dem Wissenschaftler zu Unrecht das Recht herausgenommen, die Bautätigkeiten fortzusetzen, obwohl noch Entscheidungen ausständen. Diese Schaffung von jeweils passenden Umständen sieht Unterweger kritisch: „Die Räumung des Protestcamps erfolgte, um den Aktivist:innen zu zeigen ‚dass es keine rechtsfreien Räume gibt‘. Das stimmt. Es gibt keine rechtsfreien Räume für Aktivist:innen. Für die Projektanten, für die Bundesländer und Gemeinden gilt dies auch. Sie schaffen sich aber die Gesetze selbst, beantragen die Projekte selbst, bewilligen sie sich selbst und kontrollieren sie selbst. Das ist dann nicht rechtsfrei, sondern gesetzeskonform.“
Klimafahrplan 2040: Wie Wien die Klimaneutralität schaffen will
Gute Klimaschutzmaßnahmen bereits geplant
Dabei hat Wien laut den Wissenschaftler:innen des Forums bereits in anderen Bereichen gute Maßnahmen zum Klimaschutz vorgelegt: In den 1970er-Jahren sei aufgrund des Widerstandes von Bürger:innen der Bau einer neuen Autobahnen gestoppt und stattdessen ein neues, nachhaltigeres Verkehrskonzeption erarbeitet worden.
Und auch heute sei der neue Klimafahrplan zukunftsweisend. Nur bei der Umsetzung hapere es laut Helga Kromp-Kolb, Präsidentin des FWU noch: „Die Umsetzung erfordert aber auch ein Überdenken und Neuplanen gerade großer Infrastrukturvorhaben, denn bauliche Infrastrukturen, bestimmen das Verhalten der Menschen auf Jahrzehnte hinaus. Aber schon in den kommenden zehn Jahren müssen die Emissionen in Wien mehr als halbiert werden. Es sind Lösungen gefragt, die gleichzeitig dem Klimaschutz, der Luftqualität, der Biodiversität, der Gesundheit und dem Sozialen dienen und auch wirtschaftliche Überlegungen nicht außer Acht lassen.”
Deshalb fordert auch das Forum für Wissenschaft & Umwelt laufende und zukünftige Projekte hinsichtlich Klimaschutz, Biodiversität, sozialen Wirkungen und Lebensqualität zu prüfen und gegebenenfalls durch zukunftsverträglichere Alternativen zu ersetzt.
Lokalaugenschein Lobau: „Setzen uns den Baggern mit den Körpern entgegen“
Autobahn soll Wirtschaft stärken
Das mittlerweile viel umstrittene Projekt der Stadt Wien, hatte ursprünglich eigentlich einen nett gemeinten Hintergedanken: Die immer größer werdenden Randbezirke Wiens sollen besser mit der Innenstadt verbunden werden. Zudem erhoffen sich Befürworter:innen der Stadtstraße, dass durch den Bau die heimische Wirtschaft gestärkt wird. Wenn das Wiener Umland durch die Lobauautobahn mit der Stadt verbunden wird, werden sich mehr Firmen in der Stadt ansiedeln, so die Erwartung. Das würde auch mehr Arbeitsplätze bedeuten. Eine Studie der TU Wien kam jedoch ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Bau des Lobautunnels aus „verkehrlicher Sicht der Stadt Wien“ nicht erforderlich sei. Deshalb bleibt es abzuwarten, wie das Projekt Stadtautobahn voranschreiten wird.