Lustenau will Österreichs „fahrradfreundlichste Gemeinde“ sein – dank Künstlicher Intelligenz
Laut dem deutschen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur nutzen die Niederländer:innen für ein Viertel des Verkehrs das Fahrrad. In Deutschland sind es hingegen nur elf Prozent. In Österreich gaben in einer Umfrage der Statistik Austria von 2015, ähnlich wie zu Deutschland, 10,9 Prozent aller Befragten an, täglich das Fahrrad zu verwenden. Doch in diesem Durchschnitt gibt es wie immer auch ein paar Ausreißer.
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Lustenau: „Fahrradfreundlichste Gemeinde Österreichs“
Lustenau aus Vorarlberg ist so ein Ausreißer. Oder will es zumindest sein. Neben der Nähe zum Bodensee könnte man die Gemeinde unter anderem für ihr Stickereimuseum oder auch ihrem Bahnmuseum kennen. Aber Lustenau will nun auch anderes bekannt werden. Die Gemeinde wirbt mit dem Slogan: „Fahrradfreundlichste Gemeinde Österreichs.“
Das lässt sich natürlich leicht über sich selbst sagen. Zumindest lässt sich sagen, dass in Lustenau mehr Fahrrad gefahren wird, als im Bundesdurchschnitt. So gibt die Gemeinde an, dass der lokale Fahrradanteil an den täglichen Wegen 22 Prozent beträgt. Das ist immerhin zweimal höher, als der 2015 analysierte österreichweite Durchschnitt.
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Das Ziel: 30 Prozent Fahrradanteil
Doch das genügt Bürgermeister Kurt Fischer (ÖVP) nicht. Er will die 30 Prozent Fahrradanteil am kommunalen Verkehr knacken. Aus diesem Grund haben Bürgermeister Fischer und sein Team, in Anspielung auf den Namen ihrer Gemeinde, eine Kampagne namens „Rad.Lust“ ins Leben gerufen. “Lust” am Fahrradfahren soll dabei unter anderem die Bezuschussung von Lastenfahrrädern machen.
Außerdem geht die Gemeinde bislang ungewöhnliche Wege, um auch verkehrsplanerische Möglichkeiten auszubauen. Dazu beauftragte Lustenau das Innsbrucker Softwareunternehmen Swarm Analytics.
Der Name des Unternehmens soll dabei allerdings nicht täuschen. Das Startup analysiert keine Bienenschwärme. Trotzdem leitet der Name gar nicht so fehl. Denn Swarm Analytics ist spezialisiert auf die Analyse des fließenden und ruhenden Verkehrs. Das Unternehmen hat eine KI-gestützte Software entwickelt, die Videodaten aus Kameras auswertet und in anonyme Bewegungsdaten übersetzt.
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14 Kamerasensoren an Zentrumsachse
Für die Lustenauer bedeutet das: Mit 14 Kameras entlang der „Zentrumsachse“ kann die Gemeinde nun rund um die Uhr, in Echtzeit, den Verkehr analysieren. Dabei interessiert die Lustenauer Verkehrsanalytiker:innen vor allem, welcher Anteil des Verkehrs durch Lustenau nur durchfährt und wie viele Verkehrsteilnehmende in Lustenau bleiben.
„Wir wollen den Durchgangsverkehr aus dem Ort haben und motorisierten innerörtlichen Verkehr minimieren“, berichtet Kurt Fischer in einer Presseaussendung. Deshalb hat die Gemeinde in einigen Teilen des Ortes sogenannte „Begegnungszonen“ geschaffen, in denen die Geschwindigkeit auf 20 km/h reduziert ist. „Wir gehen davon aus, dass sich dadurch die Zahl der Fußgänger und Fahrradfahrer erhöht und der Durchgangsverkehr auf die Transitroute ausweicht“, so Fischer.
Außerdem könne mit Hilfe der Swarm-Analytics-Lösung getestet werden, wie gut sich die Verkehrsteilnehmenden an Maßnahmen, wie Fahrradpriorisierungen, Schutzwege und Geschwindigkeitsbegrenzungen halten: „Wir können zum Beispiel erfassen, wie hoch der Anteil der Fahrzeuge ist, die am Zebrastreifen nicht anhalten, obwohl dort ein Fußgänger steht. Oder wie viele Fußgänger einen Zebrastreifen benutzen im Vergleich zu Querungen an einer anderen, nahen gelegenen Stelle“, so Fischer.
Analyse noch zwei bis drei Jahre in Lustenau
Insgesamt wollen Kurt Fischer und sein Team die Zentrumsachse noch zwei bis drei Jahre weiter beobachten, bevor die Stadt den Schritt zu den 30 Prozent schaffen soll. Falls dieses Projekt Erfolg haben sollte, wäre es sicher nicht auszuschließen, dass auch andere Gemeinden künftig KI zur Verkehrsverbesserung verwenden. Laut dem Bürgermeister von Lustenau sei dies finanziell auf jeden Fall machbar, da nur einmalig in die Hardware investiert werden müsse und die laufenden Kosten gering seien. Dafür könne man die Sensoren immer wieder verwenden, indem sie einfach an einem neuem Ort angebracht werden.